“Gott ist ein Künstler”

Während bei uns der päpstlich oder vielleicht auch anderweitig induzierte Trend zur Religion noch die Schlagzeilen beherrscht, hat in England der Atheist vom Dienst Richard Dawkins sein Buch “The God Delusion” veröffentlicht und für viel Aufsehen in der Blogosphäre gesorgt. Wenn wir “Wessis” uns bewusst machen, dass der Anteil von Atheisten in Deutschland höher ist als in den meisten anderen Ländern der Erde, dann wird klar, diese Diskussion ist auch für uns interessant. Vor allem könnte sie schneller die Schlagzeilen beherrschen, als manch einer zurzeit vielleicht denkt.

Eine geistreiche Rezension von Dawkins‘ Opus hat nun der Literaturprofessor Terry Eagleton aus Manchester veröffentlicht. Und ganz nebenbei rückt er nicht nur Dawkins mannigfache Verzerrungen zurecht, sondern schreibt (wie Ben Myers feststellt) auch noch so schön über Theologie, dass das Lesen der Rezension auch dann noch Spaß macht, wenn man Dawkins nicht kennt und auch gar nicht zu lesen im Sinn hat. Wenigstens ein paar Kostproben, etwa zum Thema Schöpfung:

Zu sagen, dass er (Gott) sie (die Welt) ex nihilo geschaffen hat ist kein Maßstab dafür, wie schrecklich schlau er ist, sondern es soll sagen, dass er dies aus Liebe und getan hat, nicht weil er es nötig hatte. Die Welt war nicht die Folge einer unerschöpflichen Kette von Ursache und Wirkung. Wie ein modernistisches Kunstwerk gibt es in all dem gar keine Notwendigkeit und Gott hätte sein Werkstück sehr wohl auch vor ein paar Äonen schon bedauern können. Die Schöpfung ist der ursprüngliche acte gratuit. Gott ist ein Künstler, der es um der bloßen Liebe oder Hölle willen tat, kein Wissenschaftler, der an einem glänzend rationalen Entwurf arbeitet, der die Geldgeber seines Forschungsprojektes unendlich beeindruckt.

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Werdende Väter

Diesen Tag über hat mich beschäftigt, mit welcher tiefen und weiten Parallelität wir es im Advent zu tun haben. Da ist einerseits die Geschichte auf die wir zurückschauen: Die schwangere Maria, deren Bauch sich allmählich schmerzlich spannt und die – für seine Umwelt noch unsichtbar – Jesus in sich trägt, mit dem ein neues Zeitalter auf der Erde beginnt. Buchstäblich. Die Erfüllung der Verheißungen, die die großen Propheten des Exils von Gottes neuem Bund mit den Menschen und der neuen, vom Zerfall erlösten Schöpfung in so vielen packenden Bildern besungen haben.

Und da sind wir, die wir nicht mehr auf das “Christkind” warten. Wir schauen zurück auf seine Geburt, auf sein Leben, seinen Tod und seine Auferstehung, und erkennen in ihm den Prototypen dieser neuen Schöpfung. Doch während er schon “durch” ist, steckt diese neue Schöpfung noch im Geburtskanal. Überall um uns herum erkennen wir die Geburtswehen, die sich manchmal nur wie schmerzhaftes Sterben und Klagen anhören. Für jemanden, der nicht weiß, was da passiert, kann das beängstigend sein. Im Licht des Evangeliums ist es aber ein Zeichen der Hoffnung, dass Gott seine Verheißung mit dem Kommen Christi, auf das wir noch warten, dann in vollem Umfang erfüllt. Für uns Menschen wie für die nichtmenschliche Schöpfung sind dann die Wehen vorbei, und was wir nun ahnen und glauben, werden wir dann sehen und fassen können.

Unsere Rolle könnten wir vielleicht mit Joseph vergleichen. Wir haben dieses neue Leben nicht verursacht, aber Gott hat uns trotzdem in die Geschichte einbezogen, uns eine fürsorgliche Nebenrolle gegeben. So wie Joseph für die schwangere Maria sorgte, so können und sollen wir für unsere Mitgeschöpfe sorgen. Nicht in dem Sinne, dass wir alles richten könnten; aber wenigstens das uns Mögliche tun, im Vertrauen darauf, dass Gott das Unmögliche tut. Vor allem leiden wir ein bisschen mit, dezent im Hintergrund. Wir sind nicht die Hauptpersonen dieses Dramas. Und das, bis der Tag kommt, an dem Friede – Schalom – auf Erden einkehrt: In den Familien und Beziehungen, in der Politik, und in der Natur und ihren Elementen. Darauf warten wir – ganz gespannt und konzentriert, wie ein werdender Vater.

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Nachgelegt: Strafe und Versöhnung

Sam hat zum Post von neulich über fromme Brillen gefragt, warum ich Gott als (strafenden) Richter ein Problem nannte. Ich hatte geschrieben, Gott als Kläger und Richter ist ein “Problem”, weil sich der Gedanke in unserer Kultur aufgrund der anderen Situation (Demokratie statt Monarchie bzw. Feudalismus, Dekonstruktion vieler offenkundig missbrauchter “Absoluta”, und nicht zuletzt der Wirkung von Jesu Ethik der Gewaltlosigkeit!)) sehr schwer vermitteln lässt. Viel schwerer als zu Anselms Zeiten oder im ersten Jahrhundert.

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Warum also in der christlichen (und, zugespitzt: nach eigenem Verständnis sogar missionarischen) Verkündigung immer diesen Einstieg wählen, statt erst einmal den Weg über plausiblere Metpahern zu gehen und das Schwierige (das in der Bibel auch vorkommt) später anzuschneiden? Ganz abgesehen davon, dass bei der “klassischen” Akzentuierung eben die erwähnte Schwierigkeit bleibt, was noch vergeben werden muss, wenn doch bezahlt wurde. Dazu habe ich einfach noch keine befriedigende Erklärung gehört.

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Die Erfindung der Geschichte

Lesslie Newbigin hatte ja viel Spannendes über die Geschichtlichkeit des Glaubens und die Bibel als einzigartige Interpretation der Weltgeschichte zu sagen. Thomas Cahill geht noch einen Schritt weiter und bemerkt, dass es Geschichte, wie wir sie kennen, ohne die Bibel gar nicht gäbe. Sie ist eine “Erfindung” des Judentums, dessen Stammvater Abraham die mesopotamische Kultur verlässt, in der das ewige Rad des Himmels das ständige Werden und Vergehen auf der Erde symbolisiert und umgekehrt. Angesichts dieser beiden Pole – Ewigkeit des Himmels und Vergänglichkeit alles Irdischen – ist schlicht nichts Neues möglich und denkbar, sondern es erscheint als Illusion und Verrücktheit.

Dass etwas “neu” war, war also nichts Positives. Hoffnung auf Fortschritt und Veränderung waren nicht angesagt. Doch für Abraham wird es möglich, weil sein Gott zu ihm spricht und auf dieser Reise sich ein immer persönlicheres und exklusiveres (andere Götter ausschließendes) Verhältnis zu diesem einen (später dann: einzigen) Gott entwickelt. Und damit zum ersten Mal so etwas wie Individualität.

Gott offenbart sich also nicht nur in der Geschichte, sondern seine Offenbarung ermöglicht Geschichte eigentlich erst so richtig. Für uns ist das so selbstverständlich, dass wir oft ahnungslos über ganz unerhörte Aussagen hinweglesen:

»Wayyelekh Avram« (»da zog Abram weg«), zwei der kühnsten Worte der Weltliteratur. Sie verweisen darauf, dass alles, was der langen Evolution der Kultur und des Empfindungsvermögens vorausgegangen war, aufgegeben wurde. Aus Sumer, dem zivilisierten Ort des Vorhersehbaren, kommt ein Mann, der sich, ohne zu wissen, wohin ihn seine Reise führen wird, auf den Weg in die Wildnis macht, weil sein Gott es ihm befohlen hat (…). Aus einem Menschengeschlecht, das weiß, dass alles irdische Streben mit dem Tod enden muss, geht ein Führer hervor, der an ein außergewöhnliches Versprechen glaubt. Im Menschen erwacht der Traum von etwas Neuem, etwas besserem, das noch bevorsteht – in der Zukunft.

(Thomas Cahill, Abrahams Welt. Wie das jüdische Volk die westliche Zivilisation erfand, Köln 2000, S. 67)

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Mensch sein können

Im Zusammenhang mit dem Überfall auf die Schule in Emsdetten wird über die Motive des Täters diskutiert, die das Abschiedsvideo erkennen lässt. Die Ambivalenz zwischen Opferdenken (“ihr habt mein Leben kaputt gemacht”) und Größenwahn (“ich bin göttlich”) – beziehungsweise wie das eine in das andere umschlägt -, ist zutiefst beunruhigend. Schon deshalb, weil sie in milderen Formen gar nicht so selten sind.

Tobias hat geschrieben, wir sollten uns fragen, was in unserer Gesellschaft nicht stimmt. In der Zeit sagt der Pädagoge Wolfgang Bergmann gestern dazu:

Moderne Kinder sind sehr viel narzisstischer als frühere Kindergenerationen. Sie wachsen in einem Klima auf, in dem alles zur Verfügung stehen sollte, in dem sie selber der Mittelpunkt sind. Dieses Verwöhnklima hat durchaus seine positiven Seiten, die negative Seite ist, dass solche Kinder, wenn sie in der Realität scheitern, sich überhaupt nicht mehr zu helfen wissen. Sie haben nicht gelernt, Niederlagen einzustecken oder dass das Leben auch mal tragische Züge haben kann, aber dann trotzdem weitergeht. Diese Kinder denken gleich: Jetzt geht gar nichts mehr weiter, alles ist aus. Der Narzissmus ist immer eine Wut, einer fast besinnungslosen Wut seelisch benachbart, und diese Wut richtet sich nach innen und außen.

Ich habe mich gefragt: Verlernen wir gerade das Menschsein? Und gehört Gott als Gegenüber nicht dazu, wenn wir von Humanität reden wollen? Wenn wir nämlich akzeptieren, dass wir nicht Gott sind und die Welt sich nicht um uns dreht, aber dass wir in dieser Welt trotz aller Widrigkeiten nicht allein sind, dann haben wir auch gute Aussichten zu entdecken, dass wir längst nicht so ohnmächtig sind, wie wir tun. Und dass wir dafür verantwortlich sind, uns und diese Welt zum Guten zu verändern.

Ein Post von Kim Fabricius bei Faith and Theology mit zehn Thesen über das Menschsein bringt es gut auf den Punkt, worum es dabei geht: Um Kontingenz (es ist nicht notwendig, dass es uns gibt), Widersprüchlichkeit, um Leiblichkeit und Spiritualität, Beziehungen und Verantwortung, um Spiel und Anbetung, um Christusähnlichkeit und Herrlichkeit.

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Die Ehre retten

Für diesen Sonntag habe ich noch einmal die Grundzüge der Satisfaktionslehre betrachtet: Sünde verletzt die Ehre Gottes und um diese wieder herzustellen, fließt notwendigerweise Blut oder ein Preis wird bezahlt. Im Hochmittelalter ein völlig normaler Gedanke, heute in unseren Breiten ein Unding. Gottes Ehre gerät hier mit seiner Liebe in Konflikt. Das klingt eigentlich mehr nach Stolz und Rechthaberei.

Zum Glück steht das so auch nirgends in der Bibel. Da wird vielmehr deutlich, dass Gott selbst seine Ehre rettet, indem er barmherzig ist und seine Zusagen hält, auch wenn Menschen ihre Zusagen brechen. Gottes Ehre besteht darin, dass er sich durch nichts davon abhalten lässt, uns zu lieben. Wenn der Vater dem verlorenen Sohn entgegen rennt, obwohl das für einen orientalischen Patriarchen höchst peinlich ist, dann ist das ein ganz anderes Bild.

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Unter der Lupe: Versöhnung

Scot McKnight hat auf seinem Blog eine Menge Material (31 Posts!) zum Thema Versöhnung/Erlösung (engl.: atonement) zusammen getragen.

Ich werde mich in den nächsten Tagen hoffentlich durchwühlen. Vielleicht findet er Wege weg von den schablonenhaften Darstellungen, die große Teile der Erbauungsliteratur (und -Musik!) prägen?

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McKnight zitiert F. LeRon Shults (The Faces of Forgiveness, S. 148-149), der fragt:

Wenn Gott es eingerichtet hat, dass die Schuld der Menschen in vollem Umfang beglichen wurde (Satisfaktion, also “Genugtuung”), inwiefern sollten wir das noch als Vergebung bezeichnen? Wenn eine rechtliche oder finanzielle Schuld erlassen wird, dann muss sie nicht beglichen werden. Wenn Gott (oder Gott, der Sohn) die Schuld tatsächlich bezahlt hat (volle Genugtuung geleistet hat), dann braucht Gott nicht mehr zu vergeben. Wenn eine Zahlung geleistet wurde, sollten wir nicht besser von “Ausgleich” reden als von Vergebung?

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Newbigin (19) Das Leitungsamt in einer missionarischen Gemeinde

Newbigin hatte bereits festgehalten, dass Gemeinden die Gesellschaft durch das aktive Leben der Christen im Alltag mit prägen. Das gelingt ihnen aber nur, wenn sie nicht vereinzelt, sondern Teil einer größeren Gemeinschaft sind. Um diese aufzubauen und zu erhalten, braucht es Struktur und Leitung. Leitung ermöglicht – richtig verstanden – erst die Partizipation und ist daher kein Gegensatz, wie antiklerikale Parolen suggerieren.

Bestandswahrung kann nicht das Ziel sein, wenn das Evangelium die gute Nachricht von Gottes Herrschaft in allen Bereichen des Lebens und der Gesellschaft ist. Doch diese Gesellschaft ist fragmentiert, sie zerfällt in viele verschiedene Beziehungsnetze. Wo der Bezug zum Ganzen verloren ist, da wächst auch die Versuchung, sich auf die eigene Gruppe zu beschränken. Daher klagen viele Gemeinden, ihre Pfarrer seien zu wenig für sie da, während die Pfarrer klagen, sie würden von den eigenen Leuten zu stark beansprucht. Es ist aber weder ihre Aufgabe, sich der geistlichen Nöte der Gemeindeglieder anzunehmen noch selbst Gottes Repräsentanten in der Gesellschaft zu sein, sondern die Gemeinde dahin zu führen, Gottes Botschaftspersonal für die ganze Gesellschaft zu sein.

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Versuch: das Evangelium auf einer Seite

Das Evangelium ist die Geschichte von der Rückkehr des Königs. Gott kommt zurück auf seine Erde, zu den Menschen, die er geschaffen hat, um in liebevoller Gemeinschaft mit ihm zu wachsen und seine Herrlichkeit immer völliger widerzuspiegeln.

Nachdem die Menschen nicht unter Gottes Anleitung und mit seiner Hilfe ihr Potenzial entfalten wollten, sondern sich von ihm abwandten und sich (auf Kosten anderer und zum Schaden der ganzen Schöpfung) ihre eigenen kleinen und großen Reiche schufen, gerieten viele an sich gute Dinge unserer Welt außer Kontrolle.

Gott sah nicht tatenlos zu.

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Fromme Brillen

Wir hatten gestern ein anregendes Gespräch über das Evangelium und dabei besonders die Frage, wie Erlösung zu verstehen ist. Das klassische Schema westlicher und besonders konservativ-evangelikaler Lesart ist, dass Christus durch seinen Tod am Kreuz den Preis für die schuldige Menschheit bezahlt und sie so mit dem gerechten Gott versöhnt hat. Wer sich auf dieses Angebot einlässt, empfängt Vergebung als eine Art Freispruch und “kommt in den Himmel”.

Im Hintergrund dieser Argumentationslinie erkennt man die Satisfaktionslehre von Anselm von Canterbury, die auf das römische Recht aufsetzt und das mittelalterliche Feudalwesen widerspiegelt: Die Sünde der Menschen ist ein Vergehen an der Ehre Gottes. Christus leistet mit seinem stellvertretenden Tod die nötige Genugtuung, der eigentlich Schuldige wird daher freigesprochen. Thomas von Aquin hat den Gedanken dann erweitert, die katholische Kirche hat ihn im Konzil von Trient dogmatisiert und auch im Protestantismus ist das stellvertretende Strafleiden zur alles bestimmenden Theorie geworden.

Die Problematik dieser Gedanken ist die,

  • dass Gott als Kläger und Richter in einem erscheint, wir als die Angeklagten
  • die Beziehung zwischen Mensch und Gott primär in den juristischen Kategorien von Schuld und Strafe beschrieben wird (statt in Beziehungskategorien wie Vertrauen und Misstrauen, Angst und Hoffnung, Liebe und Hass, …)
  • dass der Begriff von Gerechtigkeit griechisch bzw. lateinisch verstanden wird (jeder bekommt, was er verdient)
  • die eigentliche hebräische Bedeutung dahinter verloren geht (Gottes Bundestreue, mit der er zu seinen Zusagen steht)

Noch etwas weiter gedacht heißt das, dass in diesem einseitigen Verständnis des Evangeliums

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Newbigin (18): Die Gemeinde als Auslegung des Evangeliums

Die Kirche kann keine Rolle akzeptieren, in der sie Einzelpersonen für eine Art von Nachfolge wirbt, die nur die privaten, familiären Seiten des Lebens betrifft. Um einer Botschaft treu zu sein, bei der es um das Reich Gottes geht, seine Herrschaft über alle Dinge und alle Völker, muss die Kirche den hohen Anspruch auf öffentliche Wahrheit erheben.

Jede Gesellschaft hat ihre “öffentliche Wahrheit” – selbstverständliche Annahmen und Denkvoraussetzungen. Der konservative Weg zurück, eine Restauration “christlicher” Vergangenheit ist nicht möglich. Aber das Beispiel der alten Kirche, die sich vom römischen Imperium nicht auf private Innerlichkeit beschränken ließ und über ihrem Widerspruch gegen dessen Dogma zur Märtyrerkirche wurde, zeigt, dass Anpassung keine Alternative ist. Zumal der liberale säkulare Staat aufgrund seiner inneren Schwäche inzwischen von zerstörerischen Kräften bedroht wird, gegen die er einen schweren Stand hat, zum Beispiel neuer religiöser Fanatismus. Für Christen, die verantwortliche in einer demokratischen Gesellschaft leben, geht es dabei weder um “konstantinische Autorität” (christlicher Staat) noch “vorkonstantinische Unschuld”.

In dieser radikal neuen Situation erscheint es als “unmögliche Möglichkeit”, dass Menschen Gottes Angebot der Rettung verstehen und annehmen. Missionarischer “Erfolg” ist also nicht primär eine Frage der richtigen Techniken und Konzepte, sondern nichts weniger als ein unergründbares Wunder Gottes. Jesus war, wie die Geschichte von der Speisung in Johannes 6 zeigt, weder ein Freund triumphalistischer Machtbeweise, noch ließ er sich sein Verhalten von den Ansprüchen und Bedürfnissen seiner Umwelt diktieren. Ebenso geht es für die Kirche darum, sich der Nöte aller Menschen anzunehmen und zugleich nur dem souveränen Gott allein verantwortlich zu bleiben.

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Lifeshapes

Ich sitze seit einiger Zeit über Lifeshapes – ein Konzept, das Mike Breen in St. Thomas Crookes in Sheffield (GB) entwickelt und nun nach Arizona mitgenommen und dort im Willow Creek/Saddleback Stil publiziert hat. Aber vielleicht kann man es besser mit Alpha vergleichen (Tipp für alle, die einen Beta-Kurs suchen – der Kalauer klappt nur Englisch, aber die Feststellung bleibt: nicht alle Kreationen, die “beta” heißen, waren wirklich better).

Ich bin darüber, die Sachen für die Kleingruppen zu übersetzen und leicht zu bearbeiten. Wir werden es analog zu “Leben mit Vision” in den nächsten Wochen in Gottesdiensten und einigen Kleingruppen durchführen. Vielleicht wird ja tatsächlich dann ein regelmäßig stattfindender Kurs draus. Hat irgendwer von Euch schon Erfahrungen damit gesammelt?

Ich versuche es auf Deutsch mal mit “in Form” (Glaube, Nachfolge, Christsein, Gemeinde – was Ihr wollt), weil “Lebensformen” immer so nach Regenbogenfamilie klingt und “Formen des Lebens” nach Amöben.

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Newbigin (16): Menschen, Mächte und Gewalten

Der Kontrast könnte nicht größer sein: Eben “flatterte” Rick Warrens (ziemlich plumpe – ich kann es leider nicht anders sagen) Abhandlung über “Spiritual Warfare” in meine Mailbox herein. Sie steckt voller Dualismen (Gedanken kommen entweder von Gott oder vom Teufel, es geht um den “Dienst” statt um das ganze Leben, …). Zudem dreht sich alles um das christliche Individuum (zur Einleitung wird auf das warnende Beispiel “gefallener” Leiter abgehoben) und dessen Überleben bzw. Wirksamkeit, statt um gesellschaftlichen und kulturellen Wandel. Newbigin dagegen setzt, wie schon in früheren Kapitel, gerade nicht beim Individuum an, sondern bei überindividuellen Kräften, die ambivalent – also weder einfach mit Gott noch mit dem Teufel zu identifizieren – sind, die uns aber gleichwohl kräftig und oft unbemerkt beeinflussen.

In der isolierten Betrachtung des einzelnen und in der Privatisierung ethischen Denkens drückt sich unser moderner Dualismus aus. Dabei ist menschliches Verhalten erwiesenermaßen hochgradig abhängig vom sozialen Kontext. Die Frage nach dem richtigen Verhalten stellt uns also vor die Frage, zu was für einer Gesellschaft wir gehören wollen. Folglich finden sich schon in der alttestamentlichen Torah Anweisungen für einzelne und Regelungen für das gesamte Volk. Der überindividuelle Aspekt findet sich im Neuen Testament wieder – als “Mächte und Gewalten”, auf die Paulus immer wieder zu sprechen kommt.

Er denkt dabei nicht an körperlose und prinzipiell böse Geistwesen, die durch die Lüfte rasen. Zugleich sind auch nicht einfach nur konkrete weltliche Machthaber gemeint, vielmehr auch die Institutionen, Strukturen und Bewegungen, die sie repräsentieren und verkörpern (etwa der Kaiser das Kaisertum, oder in der Apokalypse die “Engel” der angeschriebenen Gemeinden).

Wir alle wissen, dass alteingesessene Institutionen etwas haben, eine Innerlichkeit, die man den Angehörigen dieser Institution jederzeit anmerkt, die diese aber überdauert und transzendiert. Dieses “etwas” kann gut- oder böswillig sein. Eine gute Schule hat einen Geist, ein Ethos, der den Charakter der Schüler prägt. Er war da, bevor die Schüler kamen und ist noch da, wenn alle jetzigen Schüler gegangen sind. Ähnlich hat eine Nation etwas, das mehr ist als die Summe der Haltungen ihrer Bürger. Ein Mob kann etwas Böses verkörpern, so böse, dass es die einzelnen, aus denen er sich zusammensetzt, sich nie gewünscht hatten.

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Newbigin (15) Das Evangelium und die Kulturen

Nur indem wir treue Teilnehmer einer supranationalen, multikulturellen Familie von Kirchen sind, finden wir die Mittel, um unsere Kulturen treu zu erhalten und zu pflegen und ihnen zugleich treue Kritiker zu sein. (S. 197)

Religiöser und kultureller Pluralismus sind verschiedene Dinge, auch wenn sie gelegentlich verwechselt werden. Gunrdsätzlich können Religionen aber multikulturell sein. Das beginnt mit der Sprache. Im Unterschied zum Islam, der darauf besteht, dass der Koran offiziell auf Arabisch zu lesen ist, steht an der Wiege des Christentums das Sprachwunder von Pfingsten – mit weit reichenden theologischen Implikationen.

Doch das Bekenntnis zur kulturellen Pluralität führt sofort zu der Frage, ob alle Elemente einer Kultur damit gut geheißen werden, etwa das Kastensystem in Indien oder Polygamie in Afrika. Oft war die Kritik der Missionare an diesen Strukturen mehr in der europäisch-individualistischen Kultur begründet als im Evangelium. Das bedeutet andererseits nicht, dass keine Veränderung nötig wäre.

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Newbigin (14): Das Evangelium und die Religionen

Newbigin legt in diesem Kapitel für mein Empfinden einen Zahn zu. Vermutlich, weil er sich nicht mehr primär mit Positionen anderer befasst, sondern seine eigene entfaltet. Für alle, die die letzten Kapitel etwas zäh fanden: es wird spannender.

Wer die Einzigartigkeit des christlichen Glaubens nicht aufgibt, muss seine Haltung gegenüber anderen Religionen bestimmen. Man kann zwischen historischen Religionen und anderen unterscheiden, oder mit Harold Turner sagen, dass man die Welt entweder nach dem Modell des Atoms (westlich-naturwissenschaftlich, materialistisch und individualistisch), des Ozeans (östlich: die Seele und das All sind identisch) oder der Beziehung (jüdisch-christlich, aber auch animistisch) verstehen kann. Religion ist also ein vielschichtiger Begriff, um so mehr, als sie in der Regel eng mit dem alltäglichen Leben von Menschen verflochten ist und sich nicht in einer besonderen Sphäre abspielt.

Eine exklusivistische Position (wer sich nicht zu Jesus als Retter bekennt ist in Ewigkeit verloren) führt dazu, dass man ständig darüber befinden muss, wer nun “drinnen” ist und wer nicht.

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