Newbigin hatte bereits festgehalten, dass Gemeinden die Gesellschaft durch das aktive Leben der Christen im Alltag mit prägen. Das gelingt ihnen aber nur, wenn sie nicht vereinzelt, sondern Teil einer größeren Gemeinschaft sind. Um diese aufzubauen und zu erhalten, braucht es Struktur und Leitung. Leitung ermöglicht – richtig verstanden – erst die Partizipation und ist daher kein Gegensatz, wie antiklerikale Parolen suggerieren.
Bestandswahrung kann nicht das Ziel sein, wenn das Evangelium die gute Nachricht von Gottes Herrschaft in allen Bereichen des Lebens und der Gesellschaft ist. Doch diese Gesellschaft ist fragmentiert, sie zerfällt in viele verschiedene Beziehungsnetze. Wo der Bezug zum Ganzen verloren ist, da wächst auch die Versuchung, sich auf die eigene Gruppe zu beschränken. Daher klagen viele Gemeinden, ihre Pfarrer seien zu wenig für sie da, während die Pfarrer klagen, sie würden von den eigenen Leuten zu stark beansprucht. Es ist aber weder ihre Aufgabe, sich der geistlichen Nöte der Gemeindeglieder anzunehmen noch selbst Gottes Repräsentanten in der Gesellschaft zu sein, sondern die Gemeinde dahin zu führen, Gottes Botschaftspersonal für die ganze Gesellschaft zu sein.
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Die biblische Darstellung der Stadt (und damit dessen, was wir heute Gesellschaft, Zivilisation und Staat nennen) bewegt sich zwischen den Extremen von Lots Flucht aus Sodom und Jonas Sendung nach Ninive. Aber Jesus gibt das entscheidende Vorbild für Christen, als er auf dem Esel in Jerusalem einzieht, und so seine Herrschaft antritt in einer Stadt, über die er zuvor geweint hat und die ihn kurz darauf töten wird. Sein Thron ist, sagt Newbigin, das Kreuz. Die Aufgabe der Christen ist also, ihre alltäglichen Arbeiten und Rollen treu zu versehen, sich aber auch in der Nachfolge Christi den Mächten und Gewalten zu widersetzen, die er am Kreuz entwaffnet hat – und den Preis dafür zu bezahlen.
Die entscheidende Frage betrifft den Inhalt der Bekehrung. Das verbreitete Missverständnis spiegelt sich wieder in der Fehlübersetzung dieses Jesuswortes [aus Markus 1,15] in der Good News Bible. Dort wird metanoeite übersetzt mit “Wendet euch von euren Sünden ab.” Wäre diese Übersetzung richtig, wäre Jesus nur ein Erweckungsprediger. Tatsächlich aber ruft er zu etwas viel Radikalerem auf, einer Bekehrung des Denkens die zu einer völlig neuen Sicht des Lebens führt. (…)
Der Ruf zur Bekehrung ist viel mehr als ein Aufruf, sich von den Dingen abzuwenden, die die Gesellschaft (auch ohne die Ereignisse des Wirkens Jesu) als Sünden erkennen kann. Sie schließt den Nachweis ein, dass die Vorstellung der Welt, was Sünde und was Gerechtigkeit ist, falsch ist.
Jesus lehrt seine Jünger daher nicht, indem er sie zu seinen Füßen im Kreis sitzen lässt, sondern indem er mit ihnen unterwegs ist und quasi über seine Schulter hinweg beim Gehen anspricht. So müssen auch die Leiter selbst in der gleichen geistlichen Auseinandersetzung stehen wie die Gemeindeglieder, freilich nicht alle am selben Ort. Es ist also die eigene aktive Nachfolge und das verborgene geistliche Leben, und dieses Beispiel ermutigt die Gemeinde. Petrus wird am Ende des Johannesveangeliums zunächst als Evangelist (der Fischzug) und dann als Hirte beschrieben, am Ende aber folgt er Jesus auf dem Weg zum Kreuz und sieht nur noch ihn.