Newbigin (14): Das Evangelium und die Religionen

Newbigin legt in diesem Kapitel für mein Empfinden einen Zahn zu. Vermutlich, weil er sich nicht mehr primär mit Positionen anderer befasst, sondern seine eigene entfaltet. Für alle, die die letzten Kapitel etwas zäh fanden: es wird spannender.

Wer die Einzigartigkeit des christlichen Glaubens nicht aufgibt, muss seine Haltung gegenüber anderen Religionen bestimmen. Man kann zwischen historischen Religionen und anderen unterscheiden, oder mit Harold Turner sagen, dass man die Welt entweder nach dem Modell des Atoms (westlich-naturwissenschaftlich, materialistisch und individualistisch), des Ozeans (östlich: die Seele und das All sind identisch) oder der Beziehung (jüdisch-christlich, aber auch animistisch) verstehen kann. Religion ist also ein vielschichtiger Begriff, um so mehr, als sie in der Regel eng mit dem alltäglichen Leben von Menschen verflochten ist und sich nicht in einer besonderen Sphäre abspielt.

Eine exklusivistische Position (wer sich nicht zu Jesus als Retter bekennt ist in Ewigkeit verloren) führt dazu, dass man ständig darüber befinden muss, wer nun “drinnen” ist und wer nicht.

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Genau davor warnt aber die Schrift. Außerdem werden so ständig Barrieren errichtet (Ist der Betreffende getauft und konfirmiert? Ist er/sie richtig getauft und konfirmiert? etc.). Zugleich muss jede Verkündigung des Evangeliums voraussetzen, dass es nicht nur negative, sondern auch positive Anknüpfungspunkte in der Erfahrung und Kultur anderer Menschen gibt. sonst wäre sie sprachlos. Man kann umgekehrt mit Karl Rahner anderen Religionen eine (wenn auch abgestufte) Heilswirkung zugestehen, indem man ein “anonymes Christentum” postuliert, das zumindest so lange “gilt”, wie kein explizit christliches Zeugnis den Menschen erreicht.

Newbigin stellt dem entgegen, dass Gott, der in Jesus seine Gnade und Liebe zu allen Menschen offenbart, jedes Zeichen des Glaubens gerade bei den Menschen begrüßt, die im Judentum am Rande standen oder ausgeschlossen schienen. Der andere Pol ist, dass diese Welt von Gott gravierend entfremdet ist und Jesus ablehnt. Menschen können in dieser Spannung zwischen Sünde und Gnade also zugleich als geliebte Kinder und erbitterte Feinde Gottes erscheinen. Löst man die Spannung nach einer Seite auf, so wäre Dialog mit Menschen anderer Religionen entweder unnötig (weil Gott gnädig zu allen ist) oder aber unangebracht (weil er verschleiert, dass es nur ein Entweder-Oder gibt).

Im Grunde ist für Newbigin jedoch schon die Frage, wer nun gerettet ist, falsch gestellt. Nur Gott könnte sie überhaupt beantworten. Alles was Jesus lehrte widerspricht der Vorstellung, dass Menschen sich ein solches Urteil erlauben können. Im Gleichnis vom Weltgericht sind alle erstaunt über den Ausgang. Der Spannung von Sünde und Gnade entspricht die Spannung von Zuversicht und heiliger (Ehr-)Furcht. Zweitens ist die problematisch, weil sie auf das Individuum und sein Schicksal nach dem Tod gerichtet ist. Es wäre vielmehr zu fragen, inwiefern Gottes Geschichte der Versöhnung mit seiner Welt einen Rahmen für die Geschichte einzelner Menschen abgeben kann. Drittens stellt die Frage die Sache auf den Kopf:

Das Evangelium, die Geschichte vom erstaunlichen Handeln Gottes, der selbst herabkommt, um Teil unserer entfremdeten Welt zu sein, den ganzen Schrecken unserer Rebellion gegen die Liebe erträgt, die ganze Last unserer Schuld und Schmach auf sich nimmt, und uns erhebt in die Gemeinschaft mit sich selbst, rückt statt dem Selbst und seinen Wünschen Gott und seine Herrlichkeit in den Mittelpunkt.

Statt zu fragen wie ich (oder ein anderer) gerettet werden kann, wäre also zu fragen, wie Gottes Namen geehrt und sein Wille geschehen kann. Newbigin zieht daraus vier Schlussfolgerungen:

  1. Es ist unsere Aufgabe im Umgang mit Menschen, die Jesus noch nicht als Herrn (aner)kennen, alles an ihnen zu entdecken und zu würdigen, was das eine wahre Licht widerspiegelt.
  2. Christen arbeiten in allen Bereichen mit Menschen anderer Glaubensrichtungen zusammen in jedem Projekt, das sich in Beziehung setzen lässt zu Gottes Absichten in der Welt, wo immer ein pragmatischer Konsens erzielt werden kann.
  3. Dieses gemeinsame Enagement in der Welt gibt dem Dialog den richtigen Kontext. Es geht um mehr als den Austausch über religiöse Erfahrungen.
  4. Der wesentliche Beitrag der Christen zu diesem Dialog ist es, einfach die Geschichte des Evangeliums zu erzählen – nicht Menschen zu bekehren, das bleibt die Aufgabe des Geistes.
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3 Antworten auf „Newbigin (14): Das Evangelium und die Religionen“

  1. Man kann umgekehrt mit Karl Rahner anderen Religionen eine (wenn auch abgestufte) Heilswirkung zugestehen, indem man ein “anonymes Christentum” postuliert, das zumindest so lange “gilt”, wie kein explizit christliches Zeugnis den Menschen erreicht.

    Hallo Peter,
    weißt du in welchem seiner Werke Rahner das explizit darlegt? Würde mich gerade super interessieren…
    Grüße Daniel.

  2. Hi Daniel,

    laut Newbigin ist es „Theological Investigations“, Band 5, S. 120ff. Vermutlich entspricht das seinen „Schriften zur Theologie“ im Deutschen…

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