Beziehungstechniker

Weil wir gerade beim Thema sind: Wolf Lotter lässt sich in einem aktuellen Beitrag für Brandeins über Netzwerke, Kooperation aus und himmt hier konkret den Begriff „Beziehungsarbeit“ aufs Korn:

Mit diesem Wort belegten 68er-Sozialpsychologen jenen Eiertanz, bei dem man so lange über menschliche Verhältnisse redet, bis man sich nichts mehr zu sagen hat. Sozialingenieure doktern an ihren Verhältnissen so lange herum, bis sie zum Totalschaden werden. Das liegt an der leicht irren Idee, man könne menschliche Beziehungen allgemein und verbindlich planen, steuern, konstruieren und nach Bedarf zusammenschrauben – so lange, bis sie dem eigenen, meist völlig verkorksten Weltbild entsprechen. Das hat wenig mit Beziehungsfähigkeit zu tun, aber jede Menge mit Manipulation.

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Gemeinschaftsmythen (4) – Persönlichkeit

Beim oberflächlichen Hinsehen kann das Missverständnis entstehen, sagt Joseph Myers, man müsse einfach ein extrovertierter Mensch sein. Stille und Schüchterne dagegen finden nur schwer Anschluss. Also müssen sie lernen, mehr aus sich heraus zu gehen.

Aber der Schein trügt. Manch ein lebhafter, kontaktfreudiger Mitmensch fühlt sich einsam und hat das Gefühl, nur oberflächlich mit anderen verbunden zu sein. Und mancher Stille hat gute, tiefe Beziehungen – und nicht einmal wenige. Sie fallen nur in größeren Gruppen nicht so auf.

Vor einer Weile bin ich schon einmal auf Richard Sennett zu sprechen gekommen. Hier nochmal ein Zitat zum Dilemma des Gefühls in zwischenmenschlichen Beziehungen. Vielleicht steckt das auch in dem, was Myers hier mit Persönlichkeit beschreibt und dem Empfinden, irgendwie nicht zu passen:

Wenn ich bloß mehr empfinden könnte, oder wenn ich bloß wirklich empfinden könnte, dann könnte ich eine Beziehung zum anderen aufnehmen oder eine »wirkliche« Beziehung zu ihm unterhalten. Aber im Augenblick der Begegnung habe ich jedesmal das Gefühl, nicht genug zu empfinden. Der manifeste Gehalt dieser Verkehrung ist eine Selbstanschuldigung, aber dahinter verbirgt sich das Gefühl, von der Welt im Stich gelassen zu sein.

Sennett kritisiert, dass das Private und Intime das Öffentliche und Gesellschaftliche verdrängt und wir Ereignisse und Beziehungen nur dann als relevant empfinden, wenn sie in uns irgendeine emotionale Resonanz hervorrufen. Wo die ausbleibt, bleiben wir desinteressiert.

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