So dumm und Gomorrha

Die ganz Bibeltreuen müssten es ja eigentlich wissen, dass man auf Eva nicht hören sollte. Spätestens seitdem sie sich diese Woche mit – wie ausgerechnet die konservative Welt vermerkte – kalkulierter Bosheit zum Tod von 20 Menschen bei der Love Parade äußerte, sollte auch der letzte verstanden haben, wes Geistes Kind sie ist und warum man sich tunlichst nicht mit ihr einlassen sollte. Ihr Fazit lautet nämlich:

Eventuell haben hier ja auch ganz andere Mächte mit eingegriffen, um dem schamlosen Treiben endlich ein Ende zu setzen. Was das angeht, kann man nur erleichtert aufatmen!

Den Toten und Verletzten eine Mitschuld dafür zu geben, dass sie niedergetreten und erdrückt wurden, die Frage nach den wahren Verantwortlichen gar nicht zu stellen, sondern am Ende über ein Gottesurteil á la Sodom und Gomorrha zu spekulieren, das das orgiastische Treiben jäh beendet, das kann nur als gnadenlose Verhöhnung der Opfer verstanden werden.

Zugleich reiht sich das Gottesbild, das Herman auf ihrem Blog propagiert, nahtlos ein in die Reihe unsäglicher Pharisäerpolemik, die schon AIDS mit kaum verhohlener Genugtuung als „Strafe Gottes“ hingestellt hatte. Kürzlich nahm sie dort Walter Mixa (dem auch Verhöhnung der Opfer vorgeworfen wurde), als verfolgtes Unschuldslamm gegen die blutrünstige Medienmeute in Schutz – auch das spricht Bände.

Apropos Bände: So richtig gruselig wird schließlich der Blick auf das Sortiment des Kopp-Verlags, in dem Hermans Bücher neben wirren UFO-Spekulationen, abstrusen „Prophezeiungen“ und so Knüllern wie „Sexualmagie“ erscheinen, deren einzig erkennbarer gemeinsamer Nenner es ist, mit der Einfalt der Leser Geld zu verdienen. Da trifft es sich natürlich gut, dass der Server nach Hermans Skandalpost fast zusammenbrach vor lauter Anfragen.

Dass idea sich für Herman nach wie vor begeistert, ist leider keine Überraschung. Allen anderen Stimmen der evangelikalen Welt stünde jedoch eine deutliche Distanzierung gut zu Gesicht. Also los, andere schaffen das doch auch!

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Darwins Vorurteile

Ausgerechnet die erste Pastorin der Vereinigten Staaten hat sich konstruktiv-kritisch mit Darwins Thesen auseinandergesetzt, wie Michael Blume auf Chronologs schreibt. Antoinette Brown Blackwell (1825-1921). Die engagierte Kämpferin für die Rechte von Sklaven und Frauen war vom Gedanken der Evolution angetan, aber entsetzt von Darwins (Blume gibt eine ausführliche Kostprobe) „wissenschaftlicher“ Begründung männlicher Dominanz und Überlegenheit.

In ihrer Kritik an der Einseitigkeit von Darwins Theorie, zum Beispiel der Rolle von Kampf und Wettbewerb, war sie ihrer Zeit weit voraus. Um so ärgerlicher, dass ihr wissenschaftlicher Beitrag bis heute weitgehend totgeschwiegen wurde. Ich finde, Michael Blumes Anstoß zur Wiederentdeckung einer großen Denkerin hat viele Leser verdient!

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Gemeinschaftsmythen (6): Kleingruppen

Das letzte Patentrezept, das Joseph Myers verwirft, sind Kleingruppen. Eine Gemeindestruktur, die auf Kleingruppen setzt, schafft deswegen nicht automatisch mehr Zugehörigkeit und Verbundenheit. Solche Vorgänge sind wesentlich komplexer.

Myers unterscheidet daher im Anschluss an Edward T. Hall vier Bereiche: Den öffentlichen, den sozialen, den persönlichen und den intimen. In jedem dieser vier Bereiche leben wir in Beziehungen: Distanzierte Beziehungen zu Fremden, deren Namen wir meist nicht kennen, im öffentlichen Bereich. Bekanntschaften im sozialen Bereich. Freundschaften im persönlichen Bereich. Und der intime Bereich von Beziehungen, in dem man alles von sich preisgibt, ist ganz wenigen Menschen vorbehalten. (wer es noch detaillierter möchte, kann bei Depone weiterlesen)

Ein gravierender, aber verbreiteter Fehler besteht nun darin, dass wir eines dieser Felder zur Norm erklären und meinen, alle guten Beziehungen müssten persönlich oder intim sein, nur dann sind sie „gut“. Nur werden auch in der besten Kleingruppe Bekannte nicht automatisch zu Freunden. Vielleicht fällt uns das gar nicht auf, weil viele die Gruppe verlassen, wenn sie an dieser Hürde scheitern, weil die Chemie einfach nicht stimmt.

Zugehörigkeit ist multidimensional. Was das im einzelnen bedeutet, werde ich in den nächsten Tagen/Wochen skizzieren.

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