Newbigin (13): Kein anderer Name

Die Notwendigkeit, dass Menschen angesichts globaler Bedrohungen zusammenfinden, hat etwa bei John Hick und Paul Knitter zu der Forderung geführt, den Wahrheits- oder Geltungsanspruch von Religionen zurückzunehmen. Sieht man genauer hin, dann verbirgt sich hinter dieser Forderung nur ein anderes, konkurrierendes System von Überzeugungen. Newbigin sieht darin erst einmal nichts grundsätzlich Neues:

Unter allen Menschen gibt es eine Sehnsucht nach Einheit, denn Einheit bietet die Verheißung des Friedens. Das Problem ist, dass wir Einheit zu unseren Bedingungen wollen, und es sind unsere rivalisierenden Programme der Einheit, die uns zerreißen. Wie Augustin sagte: alle Kriege werden um des Friedens willen ausgetragen. Die Weltgeschichte könnte man als eine Abfolge von Bestrebungen erzählen, die der Welt Einheit bringen sollten, und natürlich lautet die Bezeichnung dieser Bestrebungen “Imperialismus”. Das christliche Evangelium ist manchmal zum Instrument eines Imperialismus gemacht worden, und davon müssen wir uns abwenden. Aber im Kern ist es die Verweigerung gegenüber jeglichem Imperialismus, denn in seinem Zentrum steht das Kreuz, das alle Imperialismen demütigt und uns einlädt, die Mitte menschlicher Einheit in dem zu finden, der zu Nichts gemacht wurde, damit alle eins seien.

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Ich “bin” Moltmann…

Gruß an alle Anselms da draußen: Ich habe beim Quizfarm-Test als “Moltmann” abgeschnitten. Im Übrigen: Mehr Calvin als Luther? Hat mich leicht verblüfft, aber so ist es eben:

Jürgen Moltmann

67%

Friedrich Schleiermacher

53%

Anselm

53%

Paul Tillich

53%

Karl Barth

40%

John Calvin

33%

Charles Finney

33%

Martin Luther

27%

Augustine

27%

Jonathan Edwards

7%

Which theologian are you?
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Zweimal Sehnsucht

Bei David Schnarch bin ich über Gedanken des katholischen Theologen Sebastian Moore gestoßen, der zwei Arten von Sehnsucht oder Verlangen beschreibt, die sowohl für die Beziehung zu Gott als auch für menschliche Beziehungen gelten, besonders die Ehe. Frei umschrieben sieht es so aus:

  • Verlangen aus Leere dreht sich darum, mit Hilfe des Gegenübers die innere Leere zu füllen und den Selbstwert zu steigern. Ich sehe mich selbst primär durch meine Defizite. Entsprechend wichtig ist die ständige Bestätigung durch den anderen und der Versuch, es ihm/ihr “Recht zu machen”. Nachteil: Ist die schlimmste Not einmal gelindert, nimmt das Verlangen ab.
  • Verlangen aus Fülle ist eine andere Sache. Ich will mich an den anderen verschenken und glaube, dass ich ihm/ihr damit tatsächlich ein Geschenk mache – keine Zumutung. Dieses Verlangen speist sich aus keiner fremden Quelle und kann daher weiter wachsen. Es lebt aus meiner freien Entscheidung, das Gute in mir zum Zug kommen zu lassen.

Ich finde die Unterscheidung hilfreich. Verlangen aus Fülle ist für mich die Art, wie Gott leidenschaftlich liebt. Er “will” mich, ohne dass er mich “braucht”, und ich glaube, er freut sich (bei aller Abhängigkeit des Geschöpfes vom Schöpfer) darüber, wenn ich ihn nicht aus Schwäche oder besser gesagt aus der Not heraus suche, sondern als das Gegenüber, zu dem er mich geschaffen hat, das seine Würde und Schönheit verstanden hat und daraus lebt.
Im geistlichen Leben wie in der Partnerschaft ist weder das verzweifelte “ich brauche dich” noch das apatisch-resignierte oder trotzige “ich brauche dich nicht” das Ziel, sondern das positiv “lustvolle” (an dieser Stelle muss man das wohl so sagen!) “ich will dich”.

Nicht, dass ich es schon ergriffen hätte, aber ich jage ihm nach…

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Newbigin (12): Wahre und falsche Kontextualisierung

Menschen existieren nur als Mitglieder von Gemeinschaften, die eine gemeinsame Sprache haben, Gebräuche, Wege das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zu ordnen, Wege, ihre Welt zu verstehen und mit ihr fertig zu werden. Wenn das Evangelium verstanden werden soll, wenn es angenommen werden soll als etwas, das Wahrheit über die wirkliche Situation des Menschen vermittelt, wenn es, wie wir sagen, einen Sinn ergeben soll, dann muss es in der Sprache derer kommuniziert werden, an die es sich richtet und in Symbole gefasst werden, die für sie eine Bedeutung haben. Und das das Evangelium nicht als körperlose Botschaft daherkommt, sondern als Botschaft einer Gemeinschaft, die den Anspruch erhebt, danach zu leben und andere einlädt, sich dem anzuschließen, muss das Leben dieser Gemeinschaft so eingerichtet sein, dass es “einen Sinn ergibt” für jene, die man einlädt.

Ob in der Nachbarschaft oder in einer fremden Kultur, die Herausforderung bleibt dieselbe. Jesuitische Missionare im Indien des 17. Jahrhunderts rieten den indischen Christen, im Kastenwesen zu bleiben. Andere Christen und vor allem die Christen in Indien heute empfanden das als Verrat am Evangelium. Heute stehen die Europäer für die koloniale Mission und die kulturelle Domestizierung des Evangeliums in der Kritik während in manchen früheren Kolonien Theologien entstehen, die sich anschicken, dieselben Fehler in anderer Form zu wiederholen.

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Newbigin (11): Wort, Tat und neues Sein

Die Bibel ist, bei allem was sie für das Leben des einzelnen zu sagen hat, zuallererst eine einzigartige Auslegung der Welt- und Menschheitsgeschichte. Die Kirche, der das Evangelium anvertraut ist und die aus dem Evangelium heraus lebt, verkörpert die Hoffnung auf eine Überwindung des Bösen und den Sieg des Guten gegen alle Verzweiflung. Gleichzeitig verkündet sie nicht nur Gottes Ziel der Geschichte, sondern sie treibt die Geschichte auch unwiderruflich auf dieses Ende hin.

Das Kommen Jesu hat die Geschichte in die Krise gestürzt. Wenn die Vision eines neuen Zeitalters einmal im Raum steht, kann man nicht mehr hinter sie zurück. Der Konflikt mit anderen Visionen muss ausgetragen werden. Das zeigen die apokalyptischen Passagen der Schrift, wenn sie in Bildern vom Kampf des Lammes mit den Symbolen des römischen Imperiums sprechen. Es geht also um mehr als um bloße Verkündigung. Vielmehr zeigen die Evangelien, wie sich Predigt und Taten gegenseitig durchdringen – eines ohne das andere wäre bedeutungslos.

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Newbigin (10): Die Logik der Mission

Dies wird für die nächsten zwei Wochen wohl der letzte Post zu Newbigin. In den Urlaub nehme ich andere Bücher mit und mit dem Bloggen wird es da wohl auch schwierig. Die nächsten 10 Kapitel folgen im September. Zum Einstieg ein Zitat, das ich schon mal gepostet hatte, nun aber im Zusammenhang. Die besten Stücke aber kommen am Ende:

Es ist üblich geworden, vom “Missionsbefehl” zu sprechen. Diese Art, die Sache auszudrücken, ist sicher nicht unberechtigt, und doch scheint sie mir am Wesentlichen vorbei zu gehen. Sie tendiert dahin, Mission eher zu einer Last als zu einer Freude zu machen – eher ein Bestandteil des Gesetzes als des Evangeliums.
Sieht man den neutestamentlichen Befund an, ergibt sich ein anderer Eindruck: Mission beginnt mit einer Explosion von Freude. Die Neuigkeit, dass der abgelehnte und gekreuzigte Jesus am Leben ist, ist etwas, das einfach nicht unterdrückt werden kann. Es muss erzählt werden. Wer könnte über solch eine Tatsache schweigen? Die Mission der Kirche auf den Seiten des Neuen Testaments ist mehr wie der Fallout einer gewaltigen Explosion, radioaktiver Fallout, der nicht tödlich ist, sondern Leben spendet.

Überhaupt wird Mission von den ersten Christen weniger als menschliche Aktivität verstanden, sondern ein Teilnehmen an Gottes eigener Mission, dem Wirken des Heiligen Geistes. Damit ist auch ein Lernprozess verbunden – die Kirche ist weder allwissend noch Herrin der Weltgeschichte. Mit ihrem Zeugnis aber konfrontiert sie jede neue Generation mit dem Ziel der Geschichte. Versteht man Mission trinitarisch (der Vater offenbart sich im menschgewordenen Sohn und diese Offenbarung wirkt weiter in der Gegenwart des Geistes unter seinen Nachfolgern), dann ist die Kirche weniger der Akteur der Mission, sondern der Ort, wo sie sich ereignet. Sie besteht im Hereinbrechen einer neuen Wirklichkeit.

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Newbigin (9): Christus – der Schlüssel zur Geschichte

Im Gegensatz zur Griechentum, das sich nicht vorstellen konnte, wie aus den Wirrungen der Geschichte Vollkommenheit entstehen könnte, setzt das hebräische Geschichtsdenken immer ein Ziel voraus. Freilich nicht eines, was auf rein evolutionärem Weg in einem geschlossenen System erreichbar wäre, sondern man lebte in der Spannung von Verheißung und Erfüllung. An diesem Punkt verbinden sich Prophetie und Apokalyptik im Judentum. Betrachtet man nun Jesu Deutung der Geschichte im Hinblick auf das Kommen Gottes und seiner Herrschaft, so fällt folgendes auf:

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Newbigin (8) Die Bibel als Universalgeschichte

Ein befreundeter Hindu hat Newbigin darauf aufmerksam gemacht, dass die Bibel eine einzigartige Interpretation der Universalgeschichte und verantwortlichen menschlichen Handelns bietet. Religiöse Schriften dagegen gäbe es in Indien schon genug, daher bräuchten die Missionare die Bibel auch nicht als ein solches zu behandeln.

Geschichtsschreibung stellt immer die Frage nach der Auswahl relevanter Ereignisse. In unserer Kultur lieferten lange die Nationen den Rahmen der Erzählung, Weltgeschichte wurde als Geschichte der Zivilisationen verstanden. Ein Problem heutiger Geschichtsdarstellung ist die Frage, ob man in der Geschichte überhaupt einen Sinn ausmachen kann. Ohne Vorstellung von Sinn sind weder Hoffnung noch Verantwortung denkbar.

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Newbigin (7): Die Logik der Erwählung

Die Vorstellung, Gott könne seine Offenbarung und damit den Weg zum Heil willkürlich einzelnen Menschen oder Gruppen anvertrauen ist einer der anstößigsten (und am häufigsten, von außen wie von “innen” missverstandenden) Aspekte des Juden- und Christentums. Das Ziel des modernen Rationalismus war ja, sich jeglicher Abhängigkeit von einer Tradition zu entledigen und alle Überlieferung der Kritik durch die (fälschlich für voraussetzungslos gehaltene, “reine”) Vernunft zu unterziehen, um dem autonomen Individuum unmittelbaren Zugang zur Wahrheit zu verschaffen.

Im Gegensatz dazu sieht die biblische Überlieferung den Menschen eingebunden in ein Netz von Beziehungen. Sie versucht erst gar nicht, abtrakte Wesensdefinitionen zu erstellen oder die Beziehung zu Gott (oder zur Wahrheit) “an sich” zu bestimmen. Gottes Offenbarung kommt nicht etwa senkrecht von oben (“durchs Dachfenster”), sondern:

Um Gottes rettende Offenbarung zu empfangen, müssen wir die Tür öffnen für den Nachbarn, den er als seinen beauftragten Boten schickt, und – mehr noch – diesen Boten nicht als einen zeitweiligen Lehrer oder Führer annehmen, dessen wir uns wieder entledigen können, wenn wir alles Nötige gelernt haben, sondern als jemanden, der unser Heim auf Dauer mit uns teilt.

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Newbigin (6): Offenbarung in der Geschichte

Zwar sind alle Religionen “historisch”. Christentum, Judentum und Islam aber beziehen sich (in unterschiedlicher Weise) auf bestimmte geschichtliche Ereignisse, an denen sie die Wahrheit oder Gültigkeit des Glaubens festmacht, während Buddhas Lehren zeitlos gültig und an keinerlei historische Ereignisse geknüpft sind. Vielen bereitet das Unbehagen, weil man sich damit dem Widerstreit der Geschichtsdeutung aussetzt. Pietisten wie Hindus betonen daher die innere Realität (etwa der Beziehung zu Gott) unabhängig von der Frage, was äußerlich bzw. geschichtlich nun eigentlich war. Doch dieser Rückzug bedeutet, dass ich aufhöre, mein Leben als Teil einer noch andauernden Geschichte und eines größeren Zusammenhangs von Beziehungen (und Verantwortung!) zu sehen.

Natürlich ist es keine einfache Sache, von Gottes geschichtlichem Handeln zu reden. Und weil nicht nur die Historiker, sondern auch viele Theologen an dieser Stelle skeptisch sind, fragt Newbigin zurück:

Wenn Gott nicht in der Geschichte handelt, welchen Sinn hat es dann, davon zu reden, dass er überhaupt handelt? Und wenn es keine Kategorien gibt, in denen wir dieses Handeln Gottes aussagen können, welche Bedeutung können wir dann noch mit dem Wort “Gott” verbinden?

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Newbigin (5): Vernunft, Offenbarung und Erfahrung

In der katholischen Theologie wurden Schrift und Tradition, in der anglikanischen zusätzlich die Vernunft als Quellen und Kriterien des Glaubens bezeichnet. Newbigin plädiert dafür, sich von diesen Modellen zu verabschieden:

  1. Vernunft setzt Sprache voraus. Sprache aber enthält die gewachsene Tradition einer menschlichen Gemeinschaft. Wir können nicht anders denken als in den Konzepten und Begrifflichkeiten, die unsere Sprache uns vorgibt.
  2. Denktraditionen entwickeln sich ständig weiter durch Diskussion und Kontroversen. Wir lernen, indem wir die bisherigen Überlegungen nachvollziehen und uns an der aktuellen Diskussion beteiligen.
  3. Rationalität entwickelt sich nicht im luftleeren Raum, sondern sie wird beeinflusst (wenn auch nicht völlig bestimmt) von den sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Rahmenbedingungen, die bestimmte Fragen aufwerfen und auf die man denkend antwortet.
  4. Diese sprachlich-kulturelle Bedingtheit aller Vernunft könnte in einen völligen Relativismus führen. Man muss aber sehen, dass jede Tradition eines rationalen Diskurses auf immer neue inneren Widersprüche und äußeren Herausforderungen stößt, sich ändern muss oder von einer konkurrierenden Denkrichtung abgelöst wird, die bessere Antworten und Problemlösungen ermöglicht. Was die Sprache betrifft, so sind unterschiedliche Weltbilder (ähnlich wie Lyrik) im Grunde nicht übersetzbar in andere Begrifflichkeiten, und doch kann man sie wie eine “zweite Muttersprache” (also keine Fremdsprache) erlernen und dann Vergleiche anstellen, welche Sicht der Dinge angemessener ist. Schließlich ist der radikale Relativismus soziokulturell gesehen das Produkt einer kosmopolitischen (wir würden sagen: globalisierten) Kultur ohne tiefe soziale Wurzeln und mit einer universalen Sprache (Englisch), die die oberflächliche Illusion fördert, man wisse alles über andere Kulturen, ohne sich je wirklich auf ihre Lebensweise eingelassen zu haben.

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Newbigin (4): Autorität, Autonomie und Tradition

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Newbigin verweist zum Einstieg auf Peter Bergers These vom “Häretischen Imperativ”, weil in Glaubensdingen jeder für sich selbst entscheiden muss. In der religiösen Erziehung ist daher auch das Element der kritischen Meinungsbildung des Individuums stark betont worden. Ganz anders dagegen funktioniert das Lernen der (Natur-) Wissenschaft. Dort sind die Lehrer davon überzeugt, dass bestimmte Wahrheiten gelten und dass die Schüler als Resultat des Unterrichts zur selben Überzeugung gelangen.

Die neuzeitliche Wissenschaft stellte ihre Beobachtungen über die kirchliche Tradition, die etwa vorgab, der Jupiter könne keine Monde haben. Und doch vertraut der Schüler auch dort dem Lehrer, der ihn in eine Denktradition einführt, die er anfangs nicht versteht, sondern erst nach einer Weile. Niedergelegt ist die Tradition in den Lehrbüchern der jeweiligen Wissenschaften. Fortschritt erfordert Intuition (etwa die, dass Forschen an dieser Stelle sich lohnt, weil es etwas zu entdecken gibt) und Entscheidungen über Fragestellung, Methode und Vorgehen. In der Medizin genügen die Lehrbücher allein nicht, sondern man lernt von einem erfahrenen Arzt praktisch, wie man Diagnosen stellt und Patienten behandelt. Zu dieser Unterordnung unter einen (hoffentlich) kompetenten Praktiker gibt es keine Alternative. Dasselbe gilt auch für wissenschaftliche Forschung:

Erst wenn sich eine Studentin lange Zeit der Autorität einer Tradition unterworfen hat, ist sie qualifiziert, an der Seite eines Wissenschaftlers zu arbeiten, der Theoriefindung betreibt an Problemen, die nicht nur ungelöst sind, sondern vielleicht noch nicht einmal als solche erkannt werden, außer von diesem Wissenschaftler. Nur indem sie diesen Wissenschaftler bei der Arbeit beobachtet, sieht, wie er Probleme anpackt, Lösungswege einschlägt, mehrdeutige Indizien bewertet und neue, originelle Ideen entwirft, erlernt sie die Fertigkeiten, die man zum Forschen braucht. Es gibt keine unpersönlichen, mechanischen Prinzipien…

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Newbigin (3): Wissen und Glauben

Den systematischen Zweifel zur Methode auf der Suche nach Gewissheit zu machen war das Verdienst von Descartes. Newbigin stellt Anfragen an diesen Ansatz: Erstens ist die Annahme, dass zweifelsfreie Gewissheit überhaupt erreichbar ist, ein großer Glaubensakt. Zweitens sind in Descartes cogito ergo sum nur die Dinge gewiss, die keinen Bezug zur Außenwelt voraussetzen (Einstein sagte, mathematische Sätze seien nur unzweifelhaft, solange sie sich nicht auf die Wirklichkeit beziehen). Drittens sind Ideen und ihre Übermittlung an Sprache gebunden, die nie völlig eindeutig sein wird.

Russells Definition wissenschaftlicher Wahrheitssuche (Beobachtung der ausschlaggebenden Fakten, Deduktion einer Hypothese, Testen der Hypothese an den Beobachtungen) leidet an ähnlichen Problemen: Die Auswahl der Fakten, die betrachtet werden, hängt vom Interesse und Vorverständnis des Wissenschaftlers ab, ist also subjektiv. Wissenschaft hat mit Intuition zu tun:

Höchste Aufgabe des Physikers ist also das Aufsuchen jener allgemeinsten elementaren Gesetze, aus denen durch reine Deduktion das Weltbild zu gewinnen ist. Zu diesen elementaren Gesetze führt kein logischer Weg, sondern nur die auf Einfühlung in die Erfahrung sich stützende Intuition. (A. Einstein, Mein Weltbild, S. 168)

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Newbigin (2): Die Wurzeln des Pluralismus

Newbigin unterscheidet Pluralität und Pluralismus. Religion und Kultur sind zwar in vieler Hinsicht verbunden, aber nicht identisch. Insofern ist auch zwischen kulturellem und religiösem Pluralismus zu unterscheiden. Letzterer geht davon aus, die Unterschiede zwischen Religionen haben nicht mit wahr oder falsch zu tun, sondern mit verschiedenen persönlichen Auffassungen ein und derselben Wahrheit. Hauptsache, man ist aufrichtig in dem, was man glaubt. In der mit Tatsachen befassten Wissenschaft ist Aufrichtigkeit dagegen kein Ersatz für die Frage, ob eine Ansicht wahr ist. Welche Dinge gelten also als Tatsachen, welche nicht?

Der Siegeszug der Naturwissenschaften beruhte darauf, dass man des Zusammenhang von Ursache und Wirkung erforschte und die Frage des Wofür ausblendete. Menschen mögen Absichten haben, Dinge jedenfalls nicht. Eine Maschine ist aber mit einer bestimmten Absicht geschaffen worden, über die aber nur der Konstrukteur Auskunft geben kann. Ein Urteil über gut und böse ist nur dann möglich, wenn Absichten im Spiel sind, die wir kennen (N.B.: Rasierklingen in Verkehrsflugzeugen können mit ganz unterschiedlichen Absichten an Bord gebracht worden sein, P.A.). Hätte also der Autor der Geschichte der Welt (und Menschheit) seine Absicht verraten, wäre das ein Faktum von enormer Bedeutung. Die Konzentration auf “Tatsachen” aber macht begründete Werturteile unmöglich, wie schon Nietzsche erkannte, weil das eine mit dem anderen in der gängigen Plausibilitätsstruktur nichts zu tun hat.

Eltern der Mittelschicht wollen, dass ihren Kindern Werte vermittelt werden, weil das Leben angenehmer ist, wenn man sich an sie hält. Aber sie fragen nicht, ob diese Werte in irgendeinem Verhältnis zu den “Tatsachen” stehen, die in der Schule gelehrt werden. Sie fragen nicht, ob man die Sorge um Minderheiten, Arme, Behinderte als wichtig betrachten kann, wenn Tatsache ist, dass menschliches Leben sich einem Prozess verdankt, in dem der Starke den Schwachen eliminiert.

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Eschatoklesiologie ;-)

Seit meiner kleinen Zusammenstellung von Moltmann-Zitaten neulich habe ich mich weiter mit der Frage beschäftigt, ob die eigentliche Verschiebung in der Diskussion um emerging church nicht so sehr in der Christologie oder Ekklesiologie (Lehre von der Kirche), sondern in der Eschatologie (die “letzten Dinge”) zu suchen ist. Dafür spricht meiner Meinung nach folgendes:

  • Wir sprechen hier von Zukunftsfragen. Also spielt nicht nur die kurzfristige Erwartung eine Rolle, sondern genauso unsere Vorstellung davon, auf was Gott im Großen und Ganzen eigentlich hinaus will.
  • Ekklesiologie hat (und das hat Moltmann schön herausgearbeitet) immer einen eschatologischen Horizont. Reichs- und Mehrheitskirchen neigen dazu, Erwartungen auf ein noch ausstehendes Kommen und Wirken Gottes zu unterdrücken, während Minderheits- und Märtyrerkirchen genau das herbeisehnen und darum beten.
  • Die entscheidende Verschiebung zwischen Moderne und Postmoderne liegt in der Eschatologie: Die Moderne ging vom weltimmanenten Fortschrittsprinzip aus, das erstens einen stetigen, linearen Aufstieg annahm und sich selbst als das angebrochene goldenen Zeitalter der Menschheit begriff, während die Denker der Postmoderne entdeckt haben, dass aller “Fortschritt” ambivalent ist und nur der vom goldenen Zeitalter reden kann, der auf der Sonnenseite unserer globalen Wirtschaftssysteme lebt. (N.B.: Emergenztheorien kann man als Versuch verstehen, monokausales lineares Fortschrittsdenken zu öffnen und zu überwinden, ohne es nur abzulehnen und damit in totaler Ziellosigkeit zu enden).

Die Frage, wie sich Christen zur “Welt” im umfassenden (und nicht zwangsweise negativen) Sinn verhalten, ist eine Frage der Eschatologie. Wer davon ausgeht, dass das Reich Gottes in einem bestimmten System (christlicher Kaiser, Staat der Pilgerväter, aufgeklärte Demokratie etc.) im Grunde schon angebrochen ist, tut sich schwer mit Kritik an den sozialen Verhältnissen und wird die Kirche als Instrument des Staates verstehen, die sich im günstigsten Fall in eine ideale Gesellschaft hinein auflöst.

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