Newbigin (13): Kein anderer Name

Die Notwendigkeit, dass Menschen angesichts globaler Bedrohungen zusammenfinden, hat etwa bei John Hick und Paul Knitter zu der Forderung geführt, den Wahrheits- oder Geltungsanspruch von Religionen zurückzunehmen. Sieht man genauer hin, dann verbirgt sich hinter dieser Forderung nur ein anderes, konkurrierendes System von Überzeugungen. Newbigin sieht darin erst einmal nichts grundsätzlich Neues:

Unter allen Menschen gibt es eine Sehnsucht nach Einheit, denn Einheit bietet die Verheißung des Friedens. Das Problem ist, dass wir Einheit zu unseren Bedingungen wollen, und es sind unsere rivalisierenden Programme der Einheit, die uns zerreißen. Wie Augustin sagte: alle Kriege werden um des Friedens willen ausgetragen. Die Weltgeschichte könnte man als eine Abfolge von Bestrebungen erzählen, die der Welt Einheit bringen sollten, und natürlich lautet die Bezeichnung dieser Bestrebungen “Imperialismus”. Das christliche Evangelium ist manchmal zum Instrument eines Imperialismus gemacht worden, und davon müssen wir uns abwenden. Aber im Kern ist es die Verweigerung gegenüber jeglichem Imperialismus, denn in seinem Zentrum steht das Kreuz, das alle Imperialismen demütigt und uns einlädt, die Mitte menschlicher Einheit in dem zu finden, der zu Nichts gemacht wurde, damit alle eins seien.

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Es ist also problematisch, wenn nicht klar gesagt wird, worin die gewünschte Einheit besteht. Das moderne Weltbild erweist sich als ebenso kulturell bedingt wie andere, die mystische Erfahrung kommt zwar in allen Religionen vor, aber diese lassen sich keineswegs auf Mystik reduzieren. Andere Ansätze religiösen Pluralismus führen direkt in polytheistische Vorstellungen zurück. Doch diese Kapitulation vor der Vielfalt der Religionen ist nicht unausweichlich:

… Physiker, die vor der Frage stehen, wie man Relativität und Quantentheorie verbindet, fallen nicht auf den Standpunkt zurück, dass die Wirklichkeit unterschiedliche Naturen hat, sich unterschiedlich verhält, grundsätzlich inkohärent ist. Sie suchen unermüdlich weiter…

Konsequenter religiöser Relativismus kann gar nicht mehr vom Heil reden und wird wehrlos gegen totalitäre Bewegungen, weil der Widerstand einen klaren Standpunkt voraussetzt, wie ihn etwa die Barmer Erklärung gegenüber dem Nationalsozialismus formulieren konnte. An eine absolute Wahrheit zu glauben führt nicht zwangsläufig in die Arroganz, sich dieser Wahrheit zu bemächtigen, noch in die Dominanz, die abweichende Meinungen unterdrückt.

Die Behauptung, es könne in der Geschichte nichts Absolutes geben, kein Zentrum, von dem aus sie sich erschließt, ist ein unbewiesenes und unbeweisbares Dogma. Offenbarung ist immer mehr als nur die persönliche Erfahrung einzelner, weil das Leben eines Menschen nur im Zusammenhang der Geschichte aller Menschen verstanden werden kann. Freilich hat niemand Gottes Offenbarung in Christus umfassend verstanden, aber es bleibt die Frage, woran man andere Offenbarungsansprüche (z.B. Hitlers Berufung auf die göttliche Vorsehung) denn messen will. Das Evangelium ist nicht nur eine austauschbare Beispielgeschichte, die abstrakte Werte wie Liebe und Gerechtigkeit veranschaulicht. Seine Geschichtlichkeit verhindert vielmehr, dass diese Begriffe beliebig gefüllt werden können.

Newbigin zeigt am Beispiel von Genesis 10 und Apostelgeschichte 10, dass sich Knitter und seine Co-Autoren mit ihrem Ansatz nicht auf die Bibel berufen können. Ihr Pluralismus stammt vielmehr aus einer Kultur, deren Symbol der Supermarkt ist. Das autonome Individuum wählt aus, doch hinter den verschiedenen Angeboten liegt eine Realität, die weder erkannt noch beschrieben werden kann. So – und nur so – können alle Optionen als gleichwertig gelten. Es ist daher keine kopernikanische Wende, wie die Selbstdarstellung meint, weil der Orientierungspunkt nicht verschoben, sondern aufgelöst wird. Nur scheinbar bescheiden also werden hier alle Ansprüche auf Wahrheitserkenntnis kategorisch von Tisch gewischt. Im Gegebsatz dazu ist die Wahrheit die Menschen vereinen kann

… weder eine Doktrin noch eine Weltanschauung, nicht einmal eine religiöse Erfahrung; sie findet sich gewiss nicht in der Wiederholung abstrakter Begriffe wie Gerechtigkeit und Liebe; es ist der Mensch Jesus Christus, in dem Gott die Welt mit sich versöhnt. Diese Wahrheit ist persönlich, konkret, geschichtlich.

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