Außer Thesen nichts gewesen?

Von wegen! Vor zwei Wochen war ich beim Think Tank „Missionale Christologie“ des IGW auf dem Herzberg bei Aarau/CH. Nun ist eine kurzer Bericht über die anregenden und intensiven Diskussion erschienen. Wir haben missionale Theologie von Jesus aus zu denken versucht und Jesus aus einer missionalen Perspektive betrachtet. Und gemerkt, dass wir dabei erst am Anfang stehen.

Wer sich für Einzelheiten interessiert, kann hier weiterlesen. In einigen Wochen werden unsere Thesen dann veröffentlicht.

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Lehrreiche Gartenarbeit

Ich habe mich in letzter Zeit mit dem Schneiden von Obstbäumen beschäftigt und dabei gelernt, wie wichtig es ist, den Konkurrenztrieb zu entfernen. Bei näheren Hinsehen stellte ich dann fest, dass ich das bei meinem Baum vor einigen Jahren schon mal versäumt habe.

Über die menschlichen Parallelen lässt sich dabei ganz prima meditieren. Das muss ich mir auf jeden Fall merken, wenn mal wieder eine Predigt über Johannes 15 ansteht und den Winzer, der die Reben schneidet. Bei denen scheint es auch reichlich Konkurrenztriebe zu geben…

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Weisheit der Woche: Sehnsuchtsspirale

Der Trick ist es, eine Sehnsucht zu wecken, die sich fortwährend nach neuen Sehnsüchten sehnt.

(…) Die Konsumgesellschaft verspricht nicht nur das Glück, sondern sie fordert es regelrecht ein. Unglück ist nicht duldbar, die Unglücklichen verlieren ihren Platz in der Gesellschaft. Das Absurde ist freilich: Die größte Bedrohung für eine Gesellschaft, die das Glück zur höchsten Maxime erklärt hat, ist ein wunschlos glücklicher Kunde. Er kauft ja nichts mehr ein.

Zygmunt Bauman in der SZ

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Ein paradoxer Auftrag

Gestern las ich in einer Gruppe mit anderen das vierte Kapitel des Markusevangeliums. Neben dem Wikileaks-Vers („Es gibt nichts Verborgenes, das nicht offenbar wird, und nichts Geheimes, das nicht an den Tag kommt“) steht dort noch ein anderer verstörender Abschnitt:

Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes anvertraut; denen aber, die draußen sind, wird alles in Gleichnissen gesagt; denn sehen sollen sie, sehen, aber nicht erkennen; hören sollen sie, hören, aber nicht verstehen, damit sie sich nicht bekehren und ihnen nicht vergeben wird. (Markus 4,11-12)

Mit etwas Nachdenken lässt sich diese sperrige Aussage ein bisschen in den Kontext einordnen. Das erste betrifft die Rede in Gleichnissen.Vielleicht ist der Widerstand im dritten Reich eine gute Analogie. Man kann Fremden gegenüber keinen Klartext reden, sondern muss mehrdeutig sprechen. Genau das tut Jesus in seinen Geschichten. Wenn jemand dann aufrichtiges Interesse zeigt, bleibt er dran und kann eingeweiht werden. Wer aus den falschen Gründen Interesse zeigt (weil er ein Spitzel ist), kann auf Distanz gehalten werden und bekommt nichts Verwertbares geliefert. Dass Jesu revolutionäre Botschaft damals lebensgefährlich war, das betont er immer wieder – der letzte Beweis ist das Kreuz.

Es geht also nicht darum, die anderen um jeden Preis draußen zu halten, sondern klug zu reden. Heute kann das Reden in Gleichnissen und geheimnisvollen Bildern aus anderen, entfernt verwandten Gründen sinnvoll sein: Wenn man ständig mit vollmundiger Werbung überschüttet und Appellen aller Art bombardiert wird, ist es umso schöner, wenn man einer Sache nachspüren kann, statt sie abblocken zu müssen. Das macht Gleichnisse auch bei uns wertvoll, wo man nicht von Spitzeln und römischen Soldaten, sondern nur vom Heer Marketingexperten und Verkäufern beschnüffelt und verfolgt wird.

Aber wir lesen hier ja nicht nur von verhüllter Rede, sondern auch von einer schroffen Zurückweisung – wie ist das zu verstehen? Nun, Jesus hat in dem Gleichnis vom Sämann gerade erklärt, wie er arbeitet: Er streut den Samen seiner Botschaft vom Reich Gottes einfach überall aus. Die Reaktionen sind gemischt: An manchen prallt das ohne Reaktion ab, andere finden es vorübergehend unterhaltsam oder sind kurzzeitig begeistert, und manche bleiben dauerhaft dran – hier geht die Saat dann richtig auf, deshalb ist es auch die Mühe wert.

Und nun zitiert Jesus in den oben wiedergegebenen Versen den Propheten Jesaja (6,9-10), der in Gottes paradoxem Auftrag zu einem verstockten Volk – das bekam er gleich vorab schon erklärt – reden sollte. Durchgängig positive „Ergebnisse“ waren also gar nicht zu erwarten. Und hier setzt die Analogie an: Dass Menschen auf Jesus – und dann auch auf seine Jünger – gleichgültig, amüsiert oder gar feindselig reagieren, liegt nicht daran, dass an der Botschaft etwas verkehrt wäre. Sie haben sich nichts vorzuwerfen (es ist freilich auch keine Aufforderung, möglichst viele Leute durch rüdes Auftreten zu verprellen!). Ebenso wenig ist es einfach nur die Schuld der Leute, dass sie so reagieren. Die Jünger brauchen also auch ihnen keine Vorwürfe zu machen, sie fahren einfach fort mit dem, was ihnen aufgetragen ist. Sie brauchen keine Erklärungen zu suchen, sie müssen Desinteresse nicht einmal als Niederlage verstehen. Denn die Ernte wird kommen und reichlich ausfallen. Alles andere, sagt das anschließende Gleichnis von der selbstwachsenden Saat, können sie ruhig Gott überlassen. Sie müssen es sogar.

(Wie das konkret aussieht, zeigt uns Paulus: Er stieß in den Synagogen mehrheitlich auf Ablehnung, zum Teil fiel sie sehr heftig aus. In Römer 9-11 beschreibt er, wie das Evangelium an Israel abprallt und zu den „Heiden“ kommt. Doch damit ist Gottes Ziel noch nicht erreicht. Denn Israel ist aus dieser Perspektive keineswegs für alle Zeiten „verloren“, sondern nur vorübergehend. Am Ende hebt Gott diese Blockade, die er selbst zugelassen hat, auf. Er wendet alles zum Guten und ebnet den Weg für das ganz große Finale, das Bankett aller Völker und Nationen. Dann wird ganz Israel mit am Tisch sitzen. Und wer weiß, wer noch alles dabei ist…)

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Bald kommt Mr. Wright

Am 18./19. Februar kommt N.T. Wright aus dem schottischen St. Andrews nach Marburg und referiert beim Studientag Gesellschaftstransformation des mbs. Das Programm sieht vier Referate des renommierten Neustestamentlers vor. Es geht ganz unbescheiden darum, zu klären, was Jesus wirklich wollte.

Wrights Beitrag liegt dabei in der kenntnisreichen Einordnung Jesu in das antike Judentum, von der aus er zweitens die Eschatologie Jesu erfrischend neu zeichnet, so dass Jesus nicht mehr so weltfremd und einseitig jenseits-fixiert erscheint wie in vielen bisherigen Darstellungen. Zugleich ist der frühere Bischof von Durham aber auch daran interessiert, wie kirchliches Leben heute in der Nachfolge Jesu zu gestalten ist und wie sich das auf die Gesellschaft auswirkt.

Wohl nicht mehr rechtzeitig zum Studientag sollen im Francke-Verlag zwei Titel von Wright erscheinen: Das Neue Testament und das Volk Gottes und Glaube – und dann? Von der Transformation des Charakters.

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Was glauben Evangelikale wirklich?

Die evangelische Allianz in Großbritannien hat eine Umfrage unter über 17.000 ihr nahestehenden Christen auf Festivals und in 35 nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Gemeinden durchgeführt und die Ergebnisse nun veröffentlicht. Dort kann man nachlesen, was Evangelikale auf der Insel glauben, wie sie leben und worin sie sich auch nicht einig sind.

Die Übereinstimmungen, die sich dort zeigen, sind keine Überraschung: Sie betonen die Einzigartigkeit Jesu Christi (91%), engagieren sich in ihrer Gemeinde (96%), sind spendenfreudig (96%), möchten sich in den gesellschaftspolitischen Diskurs einschalten (93%), wünschen sich Einheit unter den Christen (94%) und – jetzt kommt doch noch eine Überraschung – finden Umweltschutz wichtig. 99% engagieren sich regelmäßig in einer gemeinnützigen Form, 85% geben an, dass ihre Gemeinde soziale Dienste leistet – also gar keine Inselmentalität pflegt.

Unterschiedlicher Meinung sind sie in der kategorischen Ablehnung jeder Form von Abtreibung: 28% stimmen da eher nicht uneingeschränkt zu, 17% sicher nicht uneingeschränkt, und wieder 18% haben keine klare Meinung. Nur 18% dagegen halten Glaube und Evolution für gänzlich unvereinbar, 8% sehen Schwierigkeiten, knapp 60% dagegen sehen das eher positiv oder ganz unproblematisch. Satte 51% sind fest davon überzeugt, dass Frauen in der Kirche alles tun dürfen, was Männer auch tun. Die größte Unsicherheit fand sich beim Thema „Hölle: 31% haben keinen Standpunkt, wenn es um die Frage geht, ob man sie als Ort ewiger, bewusster Qualen zu verstehen hat.

Je älter die Befragten waren, desto stärker war ihre Identifikation mit dem Etikett „evangelikal“, je jünger, desto schwächer. Parallel nehmen, je jünger die Befragten sind, Spendenbereitschaft und das Lesen in der Bibel ab. Immerhin sprechen aber viele der Jüngeren relativ häufig mit anderen Menschen über ihren Glauben.

Steve Clifford, Generaldirektor der eauk, möchte mit der Studie einen Gesprächsprozess anregen. So etwas wäre hier bei uns auch mal interessant, da gibt es bislang, so weit ich weiß, nur die dran-Studie 19plus.

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Die Angst vor dem fremden Glauben

Die Grenzen zwischen Islamkritik und Islamfeindlichkeit verlaufen fließend in unserer Gesellschaft. Auf der Suche nach hilfreichen geschichtlichen Parallelen, die etwas Orientierung vermitteln können, verwirft Hannes Stein in seinem lesenswerten Beitrag für die Welt den Vergleich mit dem Antisemitismus, der in vieler Hinsicht ein einzigartiges Phänomen darstellt (und den Ton so ziemlich jeder Debatte massiv verschärft), und verweist stattdessen auf antikatholische Ressentiments im 19. Jahrhundert unter Bismarck – den sogenannten Kulturkampf.

In den USA waren Sorgen über eine katholische Unterwanderung/Überfremdung vor dem 2. Weltkrieg und sogar noch bis zu Kennedys Amtsantritt massiv spürbar. Die puritanischen Siedler hatten den Hass auf alles Katholische aus ihrer britischen Heimat importiert, wo seit der Pulververschwörung römische Priester grausam gefoltert und hingerichtet wurden (und da, wo Katholiken die Mehrheit stellten, hatten Protestanten oft nichts zu lachen).

Dass uns das heute zum Glück alles sehr fremd geworden ist, sagt Stein, sollte uns Hoffnung geben. Es hat sich längst Vieles zu Guten verändert – auf beiden Seiten:

Niemand, der bei Trost ist, würde heute behaupten, Kroaten, Italiener oder Spanier seien in die liberale Moderne nicht integrierbar, weil sie regelmäßig katholischen Weihrauch einatmen. Auf der anderen Seite hat die Kirche ihre weltlichen Machtansprüche beinahe vollständig aufgegeben. Es gibt noch Diskussionen um Kruzifixe in bayerischen Klassenzimmern (nebbich!), aber kein Papst stellt mehr grundsätzlich die Trennung von Staat und Religion infrage.

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Du bist Steve Jobs!

Kaum eine Nachricht hat diese Woche so eingeschlagen wie die erneute, krankheitsbedingte Auszeit von Steve Jobs. Durch sämtliche Kommentare zog sich der Zwiespalt, wie man Jobs‘ Unersetzlichkeit zu bewerten habe. Die einen schrieben, es sei ein Versäumnis, noch immer keinen Nachfolger gefunden oder „aufgebaut“ (was auch immer das in diesem Fall hieße) zu haben. Ein Kommentator formulierte fast trotzig, es gebe bestimmt längst einen Jobs-Nachfolger, er sei nur nicht gefunden. Die anderen resümierten nachdenklich, dass entgegen des grundlegenden Postulats, keiner sein unentbehrlich und jeder müsse ersetzbar sein, hier vielleicht tatsächlich ein ganz bestimmter Mann an einer ganz bestimmten Position nicht zu ersetzen sei, ohne dass das etwas mit Geniekult zu tun haben muss.

Die ganze Diskussion wirft ein Licht darauf, dass unsere Gesellschaft von der Entbehrlichkeit des einzelnen lebt. Führungskräfte, sagen wir mit einem gewissen Recht, haben die Pflicht, sich überflüssig zu machen. Gleichzeitig wissen wir um die panische Angst vor dem Überflüssigsein, die zahllose Menschen dazu drängt, sich mit allen möglichen Tricks und problematischen Manövern unentbehrlich zu machen. Wir reduzieren Personen auf Funktionen, kleine Kästchen in großen Organigrammen. Der Name kann wechseln, das Kästchen bleibt. Firmen feuern und heuern nicht bloß, sie verlagern ganze Produktionsstandorte kreuz und quer über den Globus, mit einem Schlag können hunderte von Menschen ins Heer der Überflüssigen verbannt werden, weil ihre Arbeitskraft nicht mehr gefragt ist. Die Person war es ohnehin nie.

Lang sind die Zeiten der Familienbetriebe vorbei, in denen man von jungen Jahren bis ins hohe Alter gemeinsam lebte und arbeitete, sich auch unter harten Bedingungen, aber trotz höherer Sterblichkeit war dort niemand nur eine ersetzbare Funktion, niemand war überflüssig. Den Umgang vorindustrieller Gesellschaften mit Fremden, Alten oder Behinderten darf sicher nicht verklärt werden. Aber das moderne Mantra „niemand ist unersetzbar“, mit dem heute Entscheidungen durchgedrückt und Angestellte eingeschüchtert werden – inzwischen auch leitende – war dort längst nicht so allgegenwärtig. Mittlerweile ist es aus dem Arbeitsleben auch noch ins Privatleben vorgedrungen, auch da wird (mal mit mehr, mal mit weniger Schmerzen) immer öfter ausgetauscht und ersetzt.

Es ist natürlich legitim zu fragen, wie es bei Apple weitergeht (und in manch einer mittelständischen Firma), wenn der charismatische Gründer abtritt. Vielleicht aber ist das kollektive Unwohlsein dieser Tage auch ein Grund, sich bewusst zu machen, dass aus Gottes Sicht kein Mensch „ersetzbar“ ist. Das gilt zuallererst für die Kranken, Schwachen, Behinderten und scheinbar „Überflüssigen“. Es gilt im Grund aber für jeden einzelnen von uns.

In Gottes Augen bist Du Steve Jobs: Positiv unersetzlich. Ohne dich wäre das Leben nicht mehr das, was es ist. Und dasselbe gilt für deine Mitmenschen.

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Das „Miss You“ Dei

Heute morgen habe ich in einer Projektgruppe mit anderen überlegt, wie Kurse zum Glauben in Bayern möglichst weite Verbreitung finden und das kirchliche Leben befruchten können. Immer wieder stellt sich dabei auch die Frage nach der Motivation. Für mich ist die Missio Dei mit dem „Miss You“ Dei verbunden. Der liebende Vater aus Lukas 15, der auf seinen Sohn wartet. Oder Gott im Garten Eden, der ruft: „Adam, wo bist du?“ Liebe leidet unter dem Abbruch von Beziehungen, und wahre, tiefe Liebe kann sich damit nie endgültig abfinden. Liebe leidet auch mit, wenn ein anderer mutwillig oder fahrlässig sich und anderen Schaden zufügt.

Von daher wundert es mich immer, dass die Liebe doch vielen Christen nicht genug Motivation zu sein scheint, das Evangelium weiterzusagen und anderen Gottes Liebe mitzuteilen. Letzte Woche zitierte etwa ein prominenter Referent bei der Auswertungstagung zum Kongress von Kapstadt zustimmend John Pipers hier schon kritisiertes Votum über „ewiges Leiden“, das es zu verhindern gelte, und dass man sich kein „defizitäres Verständnis der Hölle“ leisten könne. Ein anderer recht bekannter evangelikaler Meinungsführer gab mir das vor einigen Monaten auch schon zu verstehen, dass er diese Folie für unverzichtbar hält.

Ich bin Agnostiker, was die Hölle angeht. Für meinen Geschmack wurde und wird da viel in biblische Texte hineingelesen, die gar nichts mit dem Jenseits und dem Leben nach dem Tod zu tun haben, sondern Warnungen für das Leben hier und jetzt sind (bzw. damals zur Zeit Jesu). Mag sein, dass man das so oder so sehen kann – mir geht es hier ja nur um die Frage nach der Motivation. Offenbar denken ja viele Mitchristen, dass mit dem Wegfall einer drohenden „Hölle“ auch alle Mission in sich zusammenfallen würde.

Funktioniert also nur die Mischung von Liebe und Angst, oder darf man es wagen, ganz auf die Liebe zu setzen? Oder noch anders gefragt: Wenn wir Aufrufe zum Glauben schon kritisch sehen, die Menschen gleichzeitig suggerieren, dass es ihnen dann – in diesem Leben – besser geht, warum sollte das im Blick auf „die Ewigkeit“ anders sein? Muss das nicht sehr gemischte Motive erzeugen, wenn wir (jetzt bin ich wieder bei Piper) parallel zur Liebe auch den ewigen Zorn zum zweiten Brennpunkt der Motivationsellipse machen – also gerade nicht den konkreten Zorn über das Fortbestehen oder gar die Zunahme von Unrecht, Gleichgültigkeit oder Bosheit, sondern den allgemeinen Zorn auf den Sünder, egal wie harmlos der Mensch auch sein mag? (Nebenbei: Piper stellt sich hier übrigens auch gegen John Stott, einen der Gründerväter von Lausanne)

Nun finden wir bei Jesus wie bei den Propheten der Hebräischen Bibel immer wieder Gerichtsdrohungen und -ankündigungen. Aber wie schon gesagt, halte ich diese für die Erwartung konkreter, geschichtlicher Ereignisse (wie etwa die Zerstörung Jerusalems, die in Markus 13 angekündigt wird), die in der Regel auch ziemlich unmittelbare Folgen des Handelns sind, das Jesus und seine prophetischen Vorgänger kritisierten. Ich kann mit dem Gedanken durchaus leben, dass in Grenzfällen Schmerz punktuell als pädagogische Massnahme noch sinnvoll sein kann. Das legitimiert sicher keine Prügelstrafe in Familie oder Schule, aber in anderen Bereichen der Gesellschaft setzten wir ja durchaus auch auf einen gewissen Abschreckungseffekt, in der Hoffnung, damit Schlimmeres zu verhindern.

Mag sein, dass Liebe gelegentlich so weit gehen kann. Aber Drohungen mit ewigem Leid sind ja etwas anderes – sie werfen die Frage auf, ob Gott am Ende vielleicht nur für manche Menschen Liebe ist.

Reicht das „Miss You Dei“ nicht aus, um die Missio Dei zu begründen? Könnte die Sorge, dass beim Wegfall der ultimativen, metaphysischen Drohkulisse die Sünder dreister und die Missionare träger würden, ein Indiz dafür sein, dass wir trotz aller Lippenbekenntnisse der Liebe nicht genug zutrauen, am Ende also selbst im Glauben so schwach, defizitär oder abgestumpft sind, dass wir ihr Fehlen durch andere Antriebe kompensieren müssen? Könnte eine Verkündigung, die in der Person Jesu und im Kreuz Christi den äußersten Liebesbeweis Gottes – der gesamten Dreieinigkeit – herausstellt, nicht die Antwort einer ähnlich freien und selbstlosen (Richard Rohr würde sagen: „nichtdualistischen“) Liebe bewirken? Und könnte es auf Dauer nicht ein großes Handicap für den Glauben sein, wenn dieser seinen Ursprung nicht nur der Liebe, sondern irgendwo eben auch noch der Suche nach dem eigenen Vorteil und der Erwartung von Lohn verdankt? Ist vielleicht genau das die Ursache dafür, dass wir oft so lange zögern, über unseren Glauben zu sprechen, dass wir Gottes Sehnsucht nach geliebten, aber nun entfremdeten Menschen gar nicht richtig mitempfinden können?

Das Votum des Ratsvorsitzenden der EKD zur Initiative Erwachsen Glauben ist angenehm positiv formuliert, ich stelle es ans Ende, damit es nachklingen kann:

Der Glaube ist unser größter Schatz, und es gibt nichts Schöneres, als ihn mit Menschen unterschiedlicher Weltanschauung ins Gespräch zu bringen.

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Gemeinde 2.0: Die Reise zu den Pinguinen

Es hat sich offenbar noch nicht überall herumgesprochen, dass im März eine wirklich interessante Konferenz in Stuttgart stattfindet: Gemeinde 2.0. Den ausführlichen Flyer kann man hier lesen. Neben einigen Bekannten aus der deutschen Szene sind die anglikanischen Bischöfe Graham Cray und Steven Croft mit dabei, die über fresh expressions of church reden (dass die zwei Pinguine auf dem Titelbild eine Anspielung auf Bischöfe sind, ist natürlich Quatsch…).

Ich selbst bin mit einem kleinen Workshop auch Teil der bunten Palette, hier der Text dazu:

FairZweifeln
Der Pluralismus von Religionen und Lebenskonzepten nimmt stetig zu und führt zu wachsenden Spannungen. Zweifel von innen und radikale Anfragen von außen stellen unseren Glauben auf die Probe. Manche alte Formeln klingen auch für uns hohl, Dogmatismus mit seinen Denkverboten verursacht Streit. Wie finden Jesus-Nachfolger als exotische Minderheit ein überzeugendes Profil?

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Online-Anmeldungen sind hier möglich. Bis 25.1. ist es noch günstiger!

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Die Jesus-Karte spielen?

Manchmal bleibt man ja an Nebensätzen hängen und es geht einem ein Kronleuchter auf. Heute hat Artur Schmitt zum Abschluss der Allianz-Gebetswoche gepredigt und dabei nur im Vorbeigehen die Christen in Korinth erwähnt, die in vier Parteien gespalten waren: Da gab es die „Paulaner“, andere hatten Petrus und Apollos zum Aushängeschild erklärt und schließlich noch eine Christus-Partei.

Das letzte hat mich, auch aufgrund Arturs verschmittzter Denkanstöße, nachdenklich gemacht. Es gibt diesen Reflex ja immer wieder. In verfahrenen Situationen sagt jemand richtigerweise, man müsse sich an Jesus orientieren, um einen Weg aus der Krise oder dem Streit zu finden. Nur kann man die Jesus-Karte offenbar eben auch so spielen, dass man damit einfach nur zur anderen Partei wird und alles verschlimmert.

So gibt es ja Gruppen, die alle Konfessionskirchen der Spaltung und des Abfalls bezichtigen und eine Rückkehr zum reinen Jesus fordern. Der ist dann aber leider ihr Jesus. Sie zögern auch nicht, diesen Jesus gegen andere zu positionieren, und so werden sie zu den borniertesten und unleidlichsten Sektierern überhaupt. Und hier liegt vermutlich das Problem: Wenn Versöhnung und Einheit durch Jesus kommen soll, dann nur so, dass er nicht „mein“ Jesus ist, sondern der Jesus, der mir im anderen begegnet und auf den niemand ein Monopol hat. Paulus ist darauf nicht hereingefallen, wir müssen es auch nicht.

Jesus hat einmal gesagt: Wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut. Nun kann man auf dem „mit mir“ herumreiten und den Kreis beliebig eng ziehen. Aber man muss wohl eher das sammeln betonen. Jesus ging es sicher nicht um Beliebigkeit, er konnte auch mal scharf werden, aber er sammelte eben und gründete keinen Club der Besserglaubenden. Konfessionelle Traditionen können uns darin helfen, so lange wir sie nicht exklusiv verstehen. Vielleicht müssen wir uns immer mal wieder einsammeln lassen von Jesus – das ist der Wert eines solchen Tages wie heute.

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Bekommt Rick Warren sein Fett ab?

Daran kam auch die SZ nicht vorbei: Rick ist zu dick – und jetzt nimmt er ab. Er wäre aber nicht Rick Warren, wenn er dazu keinen Plan schreiben und ihm einen biblischen Namen verpassen und das Ganze promoten würde. In diesem Fall heißt er „Daniel“, weil der beim persischen König vegetarisch lebte.

Abnehmen ist ja ein eminent biblisches Thema. Ich habe mir überlegt, welche Bibelstellen da in Anschlag gebracht werden könnten. Klassisch natürlich Johannes der Täufer, der im Blick auf Jesus (der war natürlich schlank! – ich habe noch nie ein pummeliges Jesusbild gesehen) sagte:

Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen (Johannes 3,30)

Ergo, so zitiert die SZ Warren, werden Christen Gott eines Tages darüber Rechenschaft ablegen müssen, wie sie mit ihrem Körper umgegangen sind. Gott als der himmlische Weightwatcher, vor dem wir Rechenschaft ablegen über jedes unnütze Wort (Matthäus 12,36) – und überflüssige Pfund? Sind vielleicht nicht nur unsere Haare auf dem Kopf gezählt (Mt 10,30), sondern auch jedes Gramm auf unseren Rippen? Vielleicht erhellt sich auch von hier aus, warum im Alten Testament neben dem Blut oft auch das Fett der Opfertiere auf dem Altar landete? Warum haben eigentlich die Reformatoren, Heiligen und Lehrer der Kirche bisher Levitikus 3,17 ignoriert:

Als feste Regel gelte bei euch von Generation zu Generation an allen euren Wohnstätten: Ihr dürft weder Fett noch Blut genießen.

Und ein paar Verse weiter lesen wir diese eindringliche Warnung

Jeder, der dennoch das Fett eines Tieres isst, das man als Feueropfer für den Herrn darbringt, soll aus seinen Stammesgenossen ausgemerzt werden.

Denn Dicke sind schlechte Menschen, sagt uns die Bibel:

Sie sehen kaum aus den Augen vor Fett, ihr Herz läuft über von bösen Plänen. (Psalm 73,7)

Schon mal gemerkt, dass „fett“ im Neuen Testament ü-ber-haupt nicht vorkommt? Was sagt uns das wohl über den Willen Gottes? Nehemia, ein Zeitgenosse Daniels und selbst im Fasten geübt, schreibt selbstkritisch über das überhebliche Israel:

Sie eroberten befestigte Städte und fruchtbares Ackerland. Häuser mit all ihrem Reichtum nahmen sie in Besitz, ausgehauene Zisternen, Weinberge, Ölbäume und Obstbäume in Menge. Sie aßen sich satt, wurden fett und lebten gut von deinen reichen Gaben. (Nehemia 9,25)

Diese Aussagen haben Gewicht – theologisches natürlich. Es kann sich also nur um einen Übersetzungsfehler der Einheitsübersetzung handeln, wenn dort steht:

Hört auf mich, dann bekommt ihr das Beste zu essen und könnt euch laben an fetten Speisen. (Jesaja 55,12)

Zyniker könnten sich freilich zu der Unterstellung versteigen, dass Warren sich selber hier unter öffentlichen Erfolgsdruck setzen könnte, oder darüber spekulieren, ob Saddleback bald die schlankeste Gemeinde der USA ist, weil alle Übergewichtigen in andere Kirchen abgewandert sind.

Nein, Warren wird sein Fett natürlich abkriegen, und viele andere auch. Und dann gibt’s am Ende der einjährigen Diät ein dickes Lob für alle, die durchgehalten haben. Und ein Buch mit Bildern, Geschichten und Gruppenleitfaden. Und ein Video. Und eine Palette biblisch korrekter Fettigm… Fertigmahlzeiten.

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Deutsch zum Abgewöhnen (7): „beinhalten“

Ich habe nie verstanden, welches Bein ich nun halten soll: das rechte oder das linke? Die Formulierung enthält schlicht keine Information darüber. Noch besser aber ist die dritte Person Singular: „beinhaltet“. Bei be/in/halten wäre doch „beinhält“ zu erwarten.

Wenn aber Zeit Geld und Zen-Ästhetik in ist, warum nicht die vier Silben „be-in-hal-tet“ auf das schlichte und elegante „enthält“ oder „schließt ein“ verkürzen und damit Ruhe in den holpernden Sprachfluss bringen?

Manche Verben drohen allmählich auszusterben. „Beinhalten“ stammt ja von dem Substantiv „Inhalt“ der wiederum von „enthalten“ kommt. Da wäre Enthaltsamkeit angebracht oder eben der Rückgriff auf das Ursprungsverb. Im Zweifelsfall lieber Mund halten als Bein halten…

Tja, kann man nun sagen, wenn die Mehrheit ein Wort so verwendet, ist es per definitionem richtig. Meinetwegen ist es nicht falsch, aber schön ist es trotzdem nicht. Nur „gedownloaded“ ist noch grässlicher.

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