Wunderbar weit

Heute wurde Papst Franziskus mit dem Karlspreis ausgezeichnet. In seiner Ansprache redete er den Europäern eindrücklich ins Gewissen. Er fragte dabei nicht nur „Was ist los mit dir, Europa?“, er erinnerte auch an die Geschichte: „Die europäische Identität ist und war immer eine dynamische und multikulturelle Identität.“ Und das bedeutet, dass eine „Kultur des Dialogs“ ganz oben steht auf der Prioritätenliste, ein „neuer europäischer Humanismus“. Und er gab heute auch gleich ein Beispiel für die Dialogkultur, indem er zu einer muslimischen Delegation sagte: „Wir alle haben einen gemeinsamen Vater – wir sind Geschwister!“

 

Nicht jeder Protestant würde dem zustimmen, aber neu ist das nicht: Wenn übermorgen am Sonntag Exaudi in vielen Gottesdiensten über Epheser 3,14-21 gepredigt wird, dann begegnet uns dort eine Spitzenaussage des Neuen Testaments: Gott ist „der Vater, von dem alle Geschlechter [oder Clans, Sippen, Stämme, Milieus] ihren Namen haben“. Da wird kein qualitativer Unterschied mehr zwischen den Ethnien und Nationalitäten diagnostiziert, kein Gegensatz zwischen Erwählten und Verschmähten konstruiert, keine Ausschlusskriterien formuliert.

Das ist ein genuin christlicher Humanismus. Universaler – und inklusiver – geht es eigentlich nicht mehr. Erst in dieser Weite zeigt sich dann, welches gewaltige Ausmaß die Liebe Gottes tatsächlich hat. Für Mauern, Zäune und Wachposten hingegen ist da kein Platz.

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