Allah (5)

(Hier geht es zu Teil 1, Teil 2, Teil 3 und Teil 4 dieser Reihe. Wer unten kommentieren möchte, kann sich dort über den bisherigen Verlauf der Diskussion und ihre Grenzen orientieren)

Miroslav Volf kommt im Teil III von Allah. A Christian Response zu den kritischen Themen. Das erste ist die Dreieinigkeit. Muslime beharren auf der Einheit Gottes, und auf beiden Seiten wird das Thema immer wieder auch zum Anlass genommen, sich hart abzugrenzen – bis hin zu der Behauptung einer Minderheit auf beiden Seiten, es Christen und Muslime beteten zu verschiedenen Göttern. Volf erinnert in einer Diskussion mit Shekh al-Jifiri an einen Gesprächsbeitrag des anglikanischen Erzbischofs Rowan Williams:

„Gott existiert in einem dreifachen Muster interdependenten Handelns“, schrieb er dort, und bezog sich auf den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Aber Christen bekräftigen kompromisslos, dass „es nur ein göttliche Natur und Realität gibt.“

Volf zitiert das athanasianische Bekenntnis zur Einheit Gottes in der Trinität und lässt dann noch einmal die Vorbehalte auf islamischer Seite Revue passieren: Dass Gott einen Sohn hat, dass ihm andere Götter zur Seite gestellt werden oder andere Wesen neben ihm verehrt werden, all das scheint Christen in die Nähe von Götzendienern zu rücken.

Volf antwortet auf diese Einwände, indem er erklärt, dass

  • Begriffe wie „Zeugung“ Metaphern sind, die ausdrücken sollen, dass das ewige Wort weder ein Geschöpf noch eine mindere Gottheit darstellt
  • Dreieinigkeit nicht bedeutet, dass dem einen Gott zwei weitere Wesen hinzugefügt werden – er bleibt vielmehr der eine
  • Christen Gottes Wesen nie in drei begrenzte Teile zerlegt haben es ein großer Unterschied ist, ob man sagt „Gott war Christus“ (was Christen nicht tun) oder „Gott war in Christus“ (2.Kor 5,19) und daraus folgern „Christus war Gott)
  • es auch für Christen inakzeptabel wäre, neben dem einen Gott noch ein Geschöpf (oder mehrere) anzubeten

Nun verdächtigen Muslime die Christen bisweilen, dass sie ihren verkappten Polytheismus nur rhetorisch getarnt, aber nicht überwunden haben. Das mag bei Christen, die mit ihrem Glauben nicht besonders gut vertraut sind (oder sich irren) auch gelegentlich zutreffen, und die kritik des Koran mag sich auf solche Äußerungen beziehen. Immerhin erkennt aber auch ein islamischer Gelehrter wie Seyyed Hossein Nasr an, dass in der christlichen Theologie die Einheit Gottes nicht in Frage gestellt wird.

Setzt aber nicht die Art und Weise, wie Christen Gottes Wirken beschreiben, drei unabhängige Wesen voraus? Immerhin reden sie davon, dass der Sohn Mensch wird, nicht aber der Vater. Volf antwortet: Nicht, wenn man erstens versteht, dass jedes Handeln Gottes ein „gemeinschaftliches“ Handeln aller drei innig verwobenen Personen ist und dass keine der drei jemals, allein, „für sich“ und unabhängig von den anderen sein kann, sondern sie immer im jeweils anderen gegenwärtig sind und einander durchdringen. Im Blick auf ihre Identität lässt sich also nicht wie bei Menschen sagen: Der eine kann nicht der andere sein. So gesehen wurde der eine Gott in der „Person“ des Wortes Mensch, ohne dass die beiden anderen Personen ohne ihn „im Himmel“ geblieben wären. Daher sagt Jesus in Johannes 10,38 „Der Vater ist in mir und ich bin im Vater“. Und vim Heiligen Geist gilt dasselbe.

Die metaphorische Sprache ist einerseits notwendig, um überhaupt von einem transzendenten Gott reden zu können, die Unähnlichkeit ist dabei andererseits immer größer als die Ähnlichkeit. Das betrifft aber keineswegs nur Begriffe wie „Vater“ und „Sohn“, „Person“, sondern eben auch „Erhalter“, „Meister“, „gnädig“ und „barmherzig“. Gott transzendiert dabei auch simple Arithmetik – auf ihn angewandt bedeuten auch Zahlen wie Eins und Drei etwas anderes. Gottes Einheit bedeutet, dass er einzigartig ist und kategorisch von allem anderen in der Welt unterschieden – also gerade nicht „noch ein“ weiterer Gegenstand unter anderen. Er ist auch nicht nur ein Exemplar der Kategorie „Titan“, von der die Griechen 18 Exemplare kannten. Es kann ihn nicht in 18-facher Ausführung geben. Umgekehrt sind die drei Personen in Gott auch keine drei individuellen göttlichen Wesen (von denen es auch 12 wie im Olymp geben könnte oder eben nur einen), sondern drei ewige, untrennbare und einander durchdringende Akteure. Jeder ist in den beiden anderen gegenwärtig und das eine göttliche Wesen in ihnen allen.

Die Kritik des Koran trifft als das normative christliche Konzept der Trinität nicht, folgert Volf. Und die Lehre von der Dreieinigkeit Gottes stellt die Einheit Gottes, wie sie der Koran betont, nicht in Frage. An diesem Punkt gilt dasselbe, was für Juden und Christen auch gilt: Trotz unterschiedlicher Beschreibungen reden wir nicht von zwei verschiedenen Göttern. Zugleich ist die Trinitätslehre für Christen unverzichtbar. Aber auch in den Trinitarischen Streitigkeiten der alten Kirche zwischen Sabellius, Arius und Athanasius stand nie in Frage, dass dort alle über die richtige Beschreibung des einen wahren Gottes stritten.

Warum können Christen auf die umstrittene Lehre nicht verzichten? Volf nennt zwei Argumente: Erstens setzt Gotteserkenntnis voraus, dass Gott sich offenbart, und authentische Offenbarung Gottes hat – wie Karl Barth und andere gezeigt haben – einen trinitarischen Charakter: Gott muss, ohne seine Göttlichkeit zu kompromittieren, als Gott zu den Menschen kommen. Menschen wiederum müssen – mit all den gegebenen Beschränkungen – Gott als Gott erkennen. Nur Gott kann also Gott offenbaren – und nur Gott kann Gott erkennen. Zweitens kann nur so ausgesagt werden, dass Gott Liebe ist. Wäre er eine in sich selbst undifferenzierte Einheit, dann wäre Liebe nur eine äußere Verhaltensweise Gottes gegenüber seinen Geschöpfen, aber nicht sein ewiges Wesen vor und unabhängig von der Erschaffung der Welt.

Bevor jetzt gleich jemand kommentiert: „Ha, da haben wir es doch, das gesuchte Ausschlusskriterium!“ Abwarten! Mit diesem Thema befassen sich die nächsten zwei Kapitel.

Kleiner Nachtrag aus aktuellem Anlass – ein großer Denker aus dieser Region hat das Problem der Drei vs. Eins kurz und präzise so umrissen:

Ein Lothar Matthäus braucht keine dritte Person. Er kommt sehr gut allein zurecht.

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