Allah (3)

Nach dem historischen Rückblick behandelt Volf methodische Fragen: Sowohl von christlicher (Al Mohler jr.) als auch muslimischer Seite (das Innenministerium in Malaysia gegen die katholische Wochenzeitung Herald 2007) wurde in Frage gestellt, ob arabisch sprechende Christen Gott als Allah anreden dürfen. Die Kopten tun das ganz selbstverständlich seit Jahrhunderten. Aber selbst zwei verschiedene Begriffe könnten sich auf denselben Gegenstand beziehen – ein Beispiel dafür sind „Morgenstern“ und „Abendstern“, denn beides bezieht sich auf den Planeten Venus.

Sollten sich die Aussagen von Muslimen aus christlicher Sicht nicht auf „unseren“ Gott beziehen, blieben noch drei Möglichkeiten: Sie reden von einem anderen Gott, sie beziehen sich auf gar keinen realen Gegenstand, oder sie handeln von einem Götzen, einer menschlichen Projektion. Letzteres behaupten Religionskritiker wie Feuerbach von Christen wie von Muslimen.

Nikolaus von Kues ging davon aus, dass alle Menschen im Grunde den einen wahren Gott verehren, der mit dem Wahren und Guten identisch ist (ähnliche Gedanken finden wir u.a. auch bei C.S. Lewis in The Last Battle). Aber der Ansatz bei einer allgemeinen Gotteserkenntnis hilft nicht weiter, weil er eher Postulate aufstellt als konkrete Glaubensansichten betrachtet und vergleicht. Christen und Muslime haben auch keine gemeinsamen heiligen Schriften (wie Christen und Juden), aber es gibt zumindest einige Übereinstimmungen zwischen den Aussagen der Bibel und des Koran. Dennoch glauben die meisten Muslime nicht, dass die Schriften der Christen dem Koran in irgendeiner Form gleichwertig oder ähnlich sind.

Es bleibt also der Weg über den inhaltlichen Vergleich der Beschreibungen Gottes. Wir brauchen keine völlige Übereinstimmung, um von einem gemeinsamen Gott reden zu können, Diskrepanzen sind möglich. Es gibt sie im Übrigen auch unter Christen verschiedenener Richtungen und Konfessionen. Die Gegenposition vertritt der Australiers Mark Durie, der den Sachverhalt mit Falschgeld vergleicht. Schon die kleinste Abweichung ist für Durie der Beweis für die Unechtheit der Blüte. Jesus dagegen, sagt Volf, kann im Johannesevangelium davon sprechen, dass seine jüdischen Gegner auch dann noch von demselben Gott sprachen wie er, als sie sich weigerten, ihn als wahren Propheten (geschweige denn als Verkörperung Gottes) anzuerkennen. Volf folgert: Wer immer nur die Unterschiede hervorkehrt ist wie jemand, der sich über die Fehler des anderen freut. Genau das tut die Liebe aber laut 1.Kor 13,6 nicht.

Im fünften Kapitel betrachtet Volf die gemeinsamen Elemente der Gotteslehre. Er setzt ein bei der Erklärung Nostra Aetate (1965), in der sich Paul VI. auf einen Brief von Papst Gregor VII an den König von Mauretanien bezieht. Dann stellt er fest:

There are Muslims and Christians who disagree so radically about God‘s character that they, in fact, do worship two different Gods. But then it would be easy to find Christians who disagree among themselves so radically that we may be tempted to conclude that they too worship different Gods. The same is true of Muslims and Jews, I suspect. (S. 96)

Volf erklärt, dass er sich auf dem Mainstream beider Religionen beziehen wird: Menschen, die ihren Glauben ernst nehmen, zugleich aber wissen, dass selbst große Lehrer in vielen Dingen recht unterschiedlicher Meinung waren. Bei diesen Gruppen lassen sich einige Gemeinsamkeiten feststellen:

  • Es gibt nur einen Gott
  • Dieser Gott ist der Schöpfer der Welt
  • Gott ist radikal anders als alles, was er geschaffen hat und alles, was nicht Gott ist

Damit sind Pantheismus wie Polytheismus schon ausgeschlossen. Neben diesen eher formalen Punkten ist aber auch die Beschreibung des Wesens Gottes wichtig. Bei menschlichen Charakteren kann man durchaus geteilter Meinung sein – Volf nennt Milosevic, der von den Serben als Retter gefeiert wurde und von den Muslimen als Schlächter von Belgrad bezeichnet wurde. Im Blick auf Gott lässt sich das jedoch nicht durchhalten. Der monotheistische Gottesbegriff impliziert praktisch schon, dass Gott gut ist und kein überdimensionales sadistisches Monster. Wenn man Gottes Güte in Frage stellt, steht sein Gottsein in Frage. Vergleicht man den Willen Gottes, so lassen sich tatsächlich Gemeinsamkeiten ausmachen, die dem Doppelgebot der Liebe entsprechen. In beiden Glaubensgemeinschaften wird jedoch auch heftig debattiert, was das konkret bedeutet.

Dann wendet sich Volf dem Thema Anbetung zu. Christlich verstanden heißt das nicht nur „Gottesdienst“ im Sinne einer Gemeindeveranstaltung, sondern die (1.) Grundhaltung der Liebe zu (2.) Gott und zum Nächsten, die (3.) das ganze Leben umfasst. Menschen beten dann vermutlich zu demselben Gott, wenn das, was sie über ihn sagen, vergleichbar ist. Liebe zu Gott und zum Nächsten sind für Christen wie für Muslime gültige Forderungen, auch wenn sie jeweils unterschiedlichen Stellenwert haben und die Christen zumindest noch das Thema der Feindesliebe damit verbinden. Weitgehende Übereinstimmungen finden sich auch im Bereich der zehn Gebote. Natürlich gibt es auch hier Differenzen, sie liegen zum Beispiel in den geforderten Sanktionen, etwa bei Diebstahl oder Ehebruch. Aber deutliche Unterschiede im Strafmaß entdecken wir auch, wenn wir das Alte Testament aufschlagen.

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