Weisheit der Woche: klare Worte

Eugene Peterson äußert sich in einem Interview zum Krach um Rob Bell und dessen neues Buch Love Wins. Er hatte das Buch empfohlen, also kann man davon ausgehen, dass er zu den wenigen gehört, die es vorab tatsächlich gelesen haben. An die Adresse der empörten Kritiker und ihrer Vor-Urteile gerichtet sagt er dann ein paar klare Worte:

Luther said that we should read the entire Bible in terms of what drives toward Christ. Everything has to be interpreted through Christ. Well, if you do that, you’re going to end up with this religion of grace and forgiveness. The only people Jesus threatens are the Pharisees. But everybody else gets pretty generous treatment. There’s very little Christ, very little Jesus, in these people who are fighting Rob Bell.

Bitter: Wenn manche Leute auch nur von ferne an ein Thema wie „Allversöhnung“ erinnert werden, dann setzt alles versöhnliche Denken bei ihnen offenbar schlagartig aus. Das klingt dann alles sehr ungnädig, so als müsse man einen allzu „netten“ Gott damit kompensieren.

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Geheilter Messianismus

Bei dem Befreiungstheologen John Sobrino bin ich in Der Glaube an Jesus Christus heute auf einen interessanten Gedanken gestoßen, nämlich die „entmessianisierte“ Christologie. Damit bezeichnet Sobrino eine Entwicklung in der Theologie, die damit einsetzt, dass der Messiastitel quasi zum Eigennamen wird, während als Titel „Sohn Gottes“ in den Vordergrund rückt, das im ursprünglichen jüdischen Kontext noch dem Messiasbegriff nachgeordnet war. Die Folge war, dass man

  • statt auf eine historische Rettung immer mehr auf eine transzendente Erlösung zu hoffen begann
  • das Individuum und die Gemeinde dominierte statt das Volk mit seinen kulturellen, sozialen und politischen Hoffnungen
  • man den Mittler (Christus) betrachtete und darüber die Vermittlung (das Reich Gottes) zu vergessen begann

Provozierend zugespitzt formuliert Sobrino es dann so:

Manchmal entsteht der Eindruck, einige Christen meinten, nach Jahrhunderten sei der himmlische Vater absolut zufrieden, weil der Mittler, der Sohn, auf Erden erschienen ist. Diesem Mittler (und einigen Gemeinden) ist es gut ergangen, weshalb es auch nicht weiter wichtig oder gar entscheidend ist, ob es der Schöpfung gut geht oder nicht. (S. 233)

Stattdessen tut eine Re-Messianisierung Not. Je länger sich das zweite Kommen Christi hinauszögert, desto wichtiger wird sie für die Kirche. Jesus, schreibt Sobrino, war zwar kein politischer Messias auf dem Weg zur gewaltsamen Errichtung einer „Theokratie“, er wollte aber sehr wohl die Polis gestalten, wenn auch „nur“ durch die Macht der Wahrheit, der Liebe und des Zeugnisses – das heißt: seiner Treue bis zum Kreuz. Also geht es darum, die messianische – und das heißt eben auch: die befreiende – Dimension des Wirkens Jesu zurückzugewinnen. Messianismus wird von ihm her neu definiert und lässt sich weder auf das jenseitige Heil noch auf politische und soziale Erwartungen hier reduzieren.

Das geht schließlich auch nicht am Kreuz vorbei:

Ein Gekreuzigter Messias kreuzigt – und heilt damit – alle Messiasvorstellungen, die zum Mechanischen, Magischen und Egoistischen neigen. (S. 236)

Man kommt am Mysterium Iniquitatis nicht vorbei, der Erfahrung der Bosheit und der Frage, warum gerade die geschichtlichen Hoffnungsträger unbarmherzig und unerbittlich bekämpft und wo möglich auch getötet werden – Erzbischof Romero zum Beispiel. Das Kreuz ist die Konsequenz des messianischen Weges Jesu. Er führt zu einem gekreuzigten Messianismus, der alle Macht (auch religiöse) problematisiert, die gegenüber Unterdrückung und Verzweiflung jeder Art gleichgültig ist. Hier liegt auch der Unterschied zu so manchem falschen Messianismus. Und von da aus, sagt Sobrino, muss nun auch die Kirche und die Theologie re-messianisiert werden.

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