Allah (2)

Ich fahre hier fort mit einer groben Skizze von Volfs Argumentation und beschränke mich erst einmal auf die Darstellung seines Gesprächsbeitrags. Wer es genauer haben möchte kann Allah gern selbst zur Hand nehmen. Die zahllosen Fragen rund um das Verhältnis von Christen und Muslimen werde ich hier leider auch nicht erschöpfend erörtern können. Aktuell ist es allemal nach den Äußerungen des neuen Innenministers, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, aber dahinter steht wohl auch das Interesse der CSU, sich und andere mit etwas rhetorischem Krawall von der Causa Guttenberg abzulenken.

Im ersten Teil seiner Suche nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Muslimen und Christen widmet sich Miroslav Volf der Geschichte. Er beginnt mit der Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI, die seinerzeit so große Wellen schlug (und zu gewaltsamen Ausschreitungen in Teilen der islamischen Welt führte), weil der Papst darin die Frage aufwarf, wie sich die Gottesbilder beider Seiten zu einander verhielten, noch konkreter: ob dem Gott der Rationalität auf christliche Seite nicht letztlich ein Gott der Willkür auf islamischer Seite gegenüberstehe. Er zitierte dabei den Dialogdes byzantinischen Kaisers Manuel II Palaeologus mit einem gebildeten Perser.

Die Antwort führender islamischer Gelehrter war ein offener Brief, dem 2007 ein weiteres Dokument folgte, an dessen Entstehung der jordanische Prinz Ghazi bin Muhammad bin Talal federführend beteiligt war: A Common Word Between Us. In beiden geht es um den Frieden zwischen Christen und Muslimen. Ein erstaunliches Element des Open Letter ist der Bezug auf das Doppelgebot der Liebe und das Bekenntnis zu dem einen Gott, an dem die Autoren die Gemeinsamkeit beider Religionen festmachen. Der Gewinn dieser Position liegt für Volf u.a. darin, dass sie zeigt, wie ein richtig verstandener und bewusst gelebter Glaube zum Frieden beiträgt. Denn die säkularistische Gegenposition lautet seit jeher:

If religion has anything to do with conflicts between Christians and Muslims, religious passions stemming from single-minded devotion to God are the source of these conflicts, not a means to overcome them, many critics argue. Less religion is what we need. Let people keep religious devotion locked in the privacy of their hearts.

Volf erwähnt kurz John Piper, der freilich seiner üblichen Neigung zum Ausschluss abweichender Positionen folgt und eine eher simplistische Analogie bemüht, um zu zeigen, dass Christen und Muslime nicht vom demselben Gott (freilich auf durchaus unterschiedliche Art) reden können. Dagegen hat der Papst [und nicht nur er] inzwischen auf das Common Word positiv geantwortet.

Zweitens vergleicht Volf die Haltung von Papst Pius II und Nikolaus von Kues im fünfzehnten Jahrhundert. Während Pius II zeitlebens vergeblich einen neuen Kreuzzug initiieren will, sucht Nikolaus den Dialog, unter anderem in seiner Schrift de pace fidei. Es geht ihm keineswegs um eine verwässerte Kompromissformel oder darum, den Gegner möglichst schlecht aussehen zu lassen. Also setzt Nikolaus damit an, dass Gottes wahres Wesen sich menschlichen Kategorisierungen entzieht, selbst numerischen wie die Zahlen drei und eins. Sachlich, sagt Nikolaus, sei die Trinität im Koran aber vorausgesetzt: Denn Wenn Gott ein Wort hat, dann muss dieses Wort auch Gott sein, weil bei Gott zwischen Haben und Sein kein Unterschied besteht. Zweitens sagt Nikolaus, dass Liebe zur göttlichen Vollkommenheit gehöre, aber ein Gegenüber voraussetze – und zwar erst einmal innerhalb der Gottheit selbst, da die Schöpfung als Gegenüber ja zeitlich ist. Man muss – so versteht Volf Nikolaus – nicht in allem, was wir über Gott zu sagen haben, übereinstimmen, um sagen zu können, dass der Gott, den wir (mehr oder weniger angemessen) verehren, derselbe ist.

Drittens nimmt sich Volf Teile von Martin Luthers Schriften aus der Zeit der Belagerung Wiens durch die Türken und danach vor. Bei aller für den Reformator typischen Polemik zieht sich auch hier der Gedanke durch, dass Muslime den einen, wahren Gott verehren. Zugleich sagt Luther aber auch, dass sie diesen Gott nicht richtig kennen, weil sie weder die Trinität noch das Wort vom Kreuz akzeptieren. Volf kritisiert Luthers „brutale Rhetorik“ und seine Karikaturen des muslimischen Gottesverständnisses bzw. seine schroffe Charakterisierung der Türken als Werkzeuge des Satans. Aber dasselbe sagt Luther eben auch über Katholiken, Täufer oder Juden. Volf fragt zurück:

Luther is willing to admit that one can have all the right convictions about God – which the devils have – and be damned. But he does not seem ready to grant that one can have partly wrong convictions about God and still be saved. But why not? After all, Luther believes that God is unconditional love and that faith in God is itself a gift of that utterly generous God. (S. 73)

Zwei Dinge hält Volf am Ende fest aus der Beschäftigung mit Luther: Auch bei Luther gibt es nicht den starren Gegensatz zwischen Christen und Muslimen, sondern den Gegensatz zwischen Menschen, die Gott richtig erkannt haben (manche Christen) und denen, die ein verzerrtes Bild von Gott haben (die Mehrheit der Christen und alle Nichtchristen). Zweitens streitet Luther nicht ab, dass es signifikante Überschneidungen gibt, auch wenn dieses nicht primär soteriologische Thema ihn nicht besonders interessiert.

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