Abendmahl (3): Was das Zeichen zeigt

Im Alten Testament treffen wir immer wieder auf prophetische Zeichenhandlungen. Das waren keine lustigen Pantomimen, mit denen eine Botschaft „veranschaulicht“ werden sollte, sondern eher eine zeichenhafte Vorwegnahme zukünftiger Ereignisse, man kann auch sagen, sie waren effektive Zeichen. So wahr Jeremia einen Tonkrug im Hinnom-Tal zerschlägt (Jer. 19), so wahr wird Jerusalem belagert und zerstört werden. Jesu „Tempelreinigung“ war ein Schlag in genau dieselbe Kerbe.

Wenn Jesus vor seiner Festnahme und im Blick auf seinen bevorstehenden Tod mit seinen Jüngern ein eigenwillig abgewandeltes Passamahl feierte, dann muss das auch als ein prophetisches Zeichen verstanden werden. So wie das Passa den Auszug aus der Sklaverei in Ägypten eröffnete, deutet er an, so beginnt mit seinem Tod der Exodus aus der Zwangsherrschaft von Sünde, Gewalt, Tod und Zerstörung. Und zugleich spielt Jesus auf Jesaja 25,6ff an, das überschäumend fröhliche Gelage der Erlösten in einer geheilten Schöpfung unter Gottes ungetrübter Herrschaft. So wahr wir jetzt trinken, so wahr werden wir es wieder tun am Ende aller Dinge. So real wie das Brot in meiner Hand wird auch die Erlösung von allem sein, was mich jetzt zerstören will, selbst wenn es im Augenblick noch tief in meinem Herzen schlummern sollte.

Leib und Blut stehen für die Gesamtheit der Person. Das Blut für die Lebenskraft und über den Leib treten wir zu einander in Beziehung – Blick, Worte, Gesten, Berührungen. In Brot und Wein begegnet uns der ganze Jesus, macht uns zum Teil der ganzen Geschichte des Gottesvolkes – von Abraham bis zum Abwischen aller Tränen – und ruft uns ganz in die Nachfolge, mit Haut und Haaren. Er selbst ist unsere Wegzehrung (mir fällt dazu immer das Lembas-Brot aus Tolkiens „Herr der Ringe“ ein). Der mit Zöllnern und Sündern gegessen hat, mit Pharisäern und Verrätern, mit perplexen Jüngern als Auferstandener das Brot brach, der stellt sich zu uns und schart uns um seinen Tisch.

Einer für alle – alle für einen
Das Abendmahl ist ein Beziehungsgeschehen. Es besteht eben darin, dass eine glaubende Gemeinschaft von Jesusnachfolgern, Gottes Geist, das Wort der Verheißung und eben Brot und Wein an einem konkreten Ort zusammenkommen. Und das Zusammenkommen ist “das Eigentliche” – so unendlich viel mehr als nur die Summe der Teile. Sie werden nicht addiert, sondern potenzieren einander. In dieser Beziehung aktualisiert sich ein Verhältnis, das von Jesus gestiftet und durch seinen Tod und seine Auferstehung begründet wurde. Diese Auffrischung (das weiß jeder, der eine Zeckenimpfung hinter sich hat) ist mehr als nur eine Erinnerung. Es wird eine Dynamik in Kraft gesetzt, ein Grundmuster kommt zum Vorschein, wenn wir die Worte sprechen, das Brot brechen und aus diesem Kelch trinken. Ein Muster, das verbindet: Menschen untereinander und Gott mit den Menschen. Ein Muster der Selbsthingabe und der vorbehaltslosen Gastfreundschaft, das in Gott selbst schon angelegt ist, in dem er sich uns mitteilt, und das er durch uns der ganzen Welt mitteilen möchte.

Brot und Wein – das ist auch sehr erdverbunden: Es ist weder das Wasser und Brot der Verurteilten und Inhaftierten, sondern das Mahl der Befreiten und Begnadeten. Noch ist es„Kaviar und Sekt“ der Schicken und Hippen, die den armen Lazarus vor ihrer Tür ignorieren. Es ist ein revolutionäres Mahl, das uns durch Raum und Zeit und über alle Unterschiede hinweg verbindet.

Würdig und unwürdig
Der Begriff der „Würde des Amtes“ wurde in letzter Zeit ziemlich traktiert im Blick auf politische und kirchliche Ämter und die Frage, ob sie durch das Verhalten der Amtsträger beschädigt werden kann. Die Würde des Aktes beim Abendmahl ist dagegen untrennbar verbunden mit der Würde des anderen. Paulus tadelt die Korinther nicht dafür, dass sie vergessen hatten, vor dem Abendmahl ihre Sünden minutiös zu beichten, sondern konkret dafür, dass die Reichen sich rücksichtslos verhielten und die Armen (die länger arbeiteten und später kamen, wenn nichts mehr übrig war) durch ihr Verhalten ausgrenzten. Damit untergruben sie genau das, was Jesus mit seinen barrierefreien Mahlfeiern erreicht hatte, nämlich alle Gräben und Konventionen zu überwinden, die Menschen trennten. Für Paulus war dieses Benehmen buchstäblich krank. Es widerspricht einer Kultur der Gastfreundschaft, die für Christen unverzichtbar ist. Das wäre im Übrigen auch der richtige Ausgangspunkt für den ökumenischen Dialog…

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