„God is not a lot of fun these days“

Am vergangenen Sonntag hat Eric Weiner in der New York Times sich – unter anderem mit dem oben zitierten Satz – stellvertretend für immer mehr Amerikaner geäußert, die sich als konfessionslos bezeichnen und keiner Glaubensgemeinschaft angehören.

Weiner sieht sich als jemanden, der eigentlich gern glauben würde, dem aber der Weg dahin verbaut wird. In der Weihnachtszeit wird diese Kluft besonders schmerzhaft. Von Gott in der Öffentlichkeit zu reden ist fast immer peinlich. Anscheinend hat man nur die Wahl zwischen den „true believers“ und den „wütenden Atheisten“. Abschreckend ist dabei ein unerträglich polarisierender und politisierter Glaube – in dem Sinn, dass sich niemand als Christ „outen“ möchte, weil damit politische Standpunkte assoziiert werden, die man ablehnt.

Auch Weiner war lange der Ansicht, Gott sei bloß etwas für Deppen und Republikaner. Nun fragt er, ob es einen Weg zum Glauben gibt, der kein Weg zurück hinter die Aufklärung ist. Aber dann ist nicht so sehr die Vernunft sein Kriterium, sondern erstaunlicherweise der Humor: Der Dalai Lama lache oft und gern, schreibt er, während die religiösen Führer (und damit dürfte er vor allem die Fernsehprediger meinen) die Leute anbrüllen. Gott, da ist sich Weiner sicher, ist aber kein Ausrufezeichen, sondern ein Strichpunkt. Er trennt weniger als dass er verbindet.

Wiener geht mit einem Zitat von Alfred North Whitehead zurück auf die aufklärerische Definition von Religion als eine Sache der Innerlichkeit. Und dann wünscht er sich einen Messias der Zweifler herbei, eine Ikone, die Entfremdeten das Glauben wieder möglich macht, einen „Steve Jobs der Religion“. Jemanden mit Unternehmergeist, der Glauben wieder intuitiv macht und interaktiv – sagt Weiner, der sich eben noch als Rationalist bezeichnet hat und Religion als Privatsache? – jemand, der einen Raum schafft, wo man fröhlich zweifeln darf, Platz ist für Experimente und wo man über Gott reden kann, ohne dass es peinlich wird.

Ich bin sicher, Rob Bell hat den Artikel auch gelesen. Vielleicht schreibt er Herrn Weiner mal ein paar Zeilen.

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19 Antworten auf „„God is not a lot of fun these days““

  1. BLABLA

    Ich frage mich was uns das sagen soll. Soll ich auch mal meine persönlichen gedankengänge und Gefühle veröffentlichen? Was will der Mensch. Entweder er glaubt oder nicht. Glaube ist kein zusätzlicher Kuschelfaktor fürs Leben. Glaube ist im besten Fall eine absolute Gewissheit und eine komplette Lebensgestaltung die nicht mit der persönlichen Entfaltung, sondern in erster Linie mit einer Unterordnung aus freien Willen zu tun hat. Wer einmal die Herrlichkeit Gottes erfahren hat, der möchte sich gern zurückstellen um dieser großartigen und wunderbaren Sache zu dienen. Akttzeptanz von der Welt kann man nicht erwarten.

    Darum hast euch die Welt, weil ihr nicht von der Welt seid. Denn wäret Ihr von der Welt so würde die Welt das Ihre lieben.

    Entweder Welt oder Gott

  2. @Dada: Tja, das ist genau die Linie der rechtsevangelikalen Lautsprecher mit ihrer Friss-oder-stirb-Logik, die viele Leute so frustriert.

  3. Ich sehe die Forderung nach weniger Ernst durchaus kritisch, denn ich kenne seit Jahren Gemeinden, die „auf lustig“ machen und spaßig daherkommen. Das Problem ist, dass diese Gemeinden höchst instabil sind. Sie bestehen aus einer (vergleichsweise) festen Rumpfmannschaft, die sich den Ar*** aufreißt und einer vergleichsweise großen Zahl fluktuierender Besucher, die es dort im Schnitt ein bis zwei Jahre aushalten.
    Gottesdienst wird dort also zu einer Art Entertainment. Und wenn man die Show oft genug gesehen hat, wird es langweilig und man kommt nicht mehr – warum sollte man auch?

    Ich tue mich deshalb schwer, die Forderung nach mehr Humor im Glauben als den richtigen Weg zu bezeichnen.

  4. @Notizzettel: Ich glaube, es geht nicht um Comedy und Unterhaltung (da gebe ich Dir recht), sondern um Humor, der sich selbst nicht so verbissen sieht. Man kann ja auch Jobs nicht vorwerfen, seine Sache nicht ernst genommen zu haben.

  5. Wenn Gemeinde als Entertainment-Club verstanden wird, dann ist die Konkurrenz hart und es bleibt fraglich, ob das wirklich einen positiven Effekt auf wen auch immer haben würde. Ist das attraktive an Gemeinde nicht, dass hier das Evangelium lebendig wird? Wenn Menschen einen Eindruck davon bekommen, was es heißt Gott zu begegnen, Teil einer Gemeinschaft zu werden, angenommen zu sein, heil werden, usw – dann wird Gemeinde wirklich ein Anziehungspunkt. Und: dann wird Spaß nicht fehlen…

  6. Danke Peter. Guter Beitrag. Schade, dass viele beim Begriff „Christen“ (allein in den USA?) nur an das denken, wogegen diese sind. Aber wahrscheinlich wissen diese „Christen“ selbst nicht, wofür sie eigentlich sind oder eintreten sollen.

  7. @Peter: „Humor, der sich selbst nicht so verbissen sieht.“

    Das ist eine schöne Formulierung, bei der ich Dir auch zustimme. Ich sehe nur ein Problem im Humor selber, bzw. der (deutschen) Humorkultur: Entweder handelt es sich um intelligenten Humor, den aber längst nicht alle verstehen, oder man begibt sich auf ein vulgäres Niveau.
    Wir bräuchten stattdessen eine „neue“ Form von Humor, die von ihrer Art her allen Menschen zugänglich ist, die aber nicht auf (mehrheitlich) versauten Pointen beruht. Solange es daran fehlt, wird eine gewisse Selbstironie nicht Einzug in unsere Gemeinden halten können – jedenfalls nicht als Breitenbewegung.

  8. @Notizzettel: Daher ja die Orientierung an Steve Jobs und nicht an Stefan Raab. Wenn man den Text als Ganzes liest, dann wird das schon klar, wie es gemeint ist.

  9. A propos Humor. Hier mal ein hochinteressanter Beitrag zum Thema, wenn auch vielleicht ein wenig voreingenommen. Viel Spaß 🙂

    „In der neuesten Folge von South Park zeichnet Jimmy, als Initiator der Award Show, die Deutschen als unlustigste Nation der Welt aus. Und so richtig Spaß verstehen sie dann auch nicht – allen voran Angela Merkel.“

    http://www.spiegel.de/video/video-1166902.html

  10. @Peter
    Hast du gerade einen Post gelöscht? Eben war er jedenfalls noch da. Klar, ist dein Blog. Aber so ein Blog lebt doch gerade von kritischem Diskurs, nehme ich an. Oder hatte dieser Post eine – imaginäre – Grenze überschritten?

  11. @Peter: Wirklich interessant. Ich fand es gar nicht so schlimm. Aber ein Beispiel dafür, wie sehr ein und dieselbe Aussage bei unterschiedlichen Menschen völlig unterschiedliche Saiten zum Schwingen bringt. Abhängig von Vorgeschichte und persönlicher Erfahrung und wer-weiß-was. Und in diesem Fall muss der Poster ja an einer sensiblen Saite geradezu gerissen haben.

  12. … und schon ist der Humor wieder flöten gegangen … 😉

    Zum Thema Humor bin ich bei der Predigtvorbereitung für morgen (2. Kor 1,18-22) auf die interessante Frage der Ironie gestoßen. In seinem Buch „Deutschland auf der Couch. Eine Gesellschaft zwischen Stillstand und Leidenschaft“ beschreibt Stephan Grünewald u.a. die „coole Gleichgültigkeit als Lebensprinzip“, ein Phänomen, das seit den 90er Jahren kulturprägend geworden sei. Die hitzigen und natürlich humorlosen Debatten der 68er und ihrer Nachfolger seien von einer „uncoolen Unterdistanz“ geprägt gewesen, und ihre großen Ideale seien letztlich zebrochen. Dagegen haben die 90er eine sehr pragmatisch-lockere Lebenshaltung entwickelt nach dem Motto „Der coole Mensch ist unverwundbar“. Man richtet es sich lieber in einer Art „Überdisanz“ ein, einem „spielerischen und unverbindlichen Multioptionalismus“. „Was unsere Gesellschaft immer noch virtuoser beherrscht als die entschiedene Tat sind die weitsichtigen Relativierungskünste des Problematisierens und des Ironisierens.“ usw. Das Buch aus dem Jahr 2006 ist immer noch lesenswert.

    Ich meine: auf einen beträchtlichen Teil des Humors in unserer Gesellschaft trifft diese Beschreibung zu. Wer mehr Humor in kirchlichen Kreisen fordert (ich bin dabei!), muss daher den Weg etwas präziser beschreiben.

  13. Moin.

    Ich finde, Du hast einen ganz wesentlichen Punkt aus Weiners Ausfuehrungen unter den Tisch fallen lassen:

    „Nones don’t get hung up on whether a religion is “true” or not, and instead subscribe to William James’s maxim that “truth is what works.”“

    Mit dem Lob des Humors und der Gelassenheit ebenso wie der Verweigerung, sich durch ein Glaubensbekenntnis auch automatisch fuer eine politische Richtung oder antiaufklaererische Geisteshaltung vereinnahmen zu lassen, hat Weiner ja prinzipiell erst mal gute Karten. 🙂

    Aber ob das fuer die Haltung „Wahrheit ist, was funktioniert.“ auch gilt (und auch, ob „funktionieren“ einzig mit „makes us more loving, less angry“ uebersetzt werden kann, darf)? Mir persoenlich ist dieser Wahrheitsbegriff jedenfalls bereits zu duenn.

    Evernever

  14. @Evernever: Den Aspekt wollte ich nicht weglassen, ich fand ihn nur nicht so überraschend. Dieser pragmatischen Wahrheitsdefinition muss man ja nicht uneingeschränkt zustimmen. Aber wie soll man religiöse Wahrheitsansprüche überhaupt beurteilen? Sogar Christen untereinander wenden solche Kriterien an: Jemand tritt aus einer Kirche aus und in eine andere ein, weil er dort positive Veränderung erlebt hat.

    Immerhin – schon Lessing redete vom „Erweis des Geistes und der Kraft“, durch die der wahre Glaube sich zu erkennen gibt. Insofern liegt Weiner auch damit auf der aufklärerischen Linie. Aber eben auch nicht so weit weg von Paulus. Oder von Tertullian und Origenes…

  15. … pragmatischer bis spielerischer Multioptionalismus …

    Weinert – auch wenn er einen anderen Kontinent und wohl auch eine andere Zeit vor Augen hat – passt gut in Grünewaldts Analyse der Generation der 90er. Dass er es möglichst unverkrampft und aufgeklärt haben will, ist zunächst einmal in Ordnung und das passt auch recht gut in die Evangelikalismus-kritische Argumentationsweise eines Teils der emergenten Diskussion.

    Dass Weinert vom „fröhlichen Zweifel“ spricht, ist hierbei sicher ein besonders interessanter Teil seiner Gedanken und wirkt auf mich erst einmal sympatisch. Die Wortwahl verrät allerdings auch, worum es ihm in diesem locker-leichten Zweifel offensichtlich geht: um nichts, was dem Zweifler subjektiv eine besondere Not bereiten müsste. Weiß er, was Zweifel ist? Ich finde es gut, wenn die Glaubensthemen nicht mit Düsternis und Schwere behaftet sind, sondern in einem Geist von Freiheit und Offenheit zur Sprache kommen können. Aber wenn dahinter eine elegant verpackte Ablehnung von jeglicher (ver-)bindender Klarheit steckt, dann sollte man vielleicht offen dazu sagen, dass ein solcher Glaube zwar zur lockeren und intelligenten Unterhaltung aber nicht undbedingt zur existentiellen Orientierung dienen soll.

  16. @werner: Deine Begeisterung für den Grünewaldt in allen Ehren – ich will auch Weiner nicht verteidigen, ich fand ihn lediglich interessant – aber ich denke, Deine Analyse liegt daneben.

    Die Aufgeschlossenheit für den Zweifel richtet sich m.E. mehr gegen Arten des Glaubens, die den Anspruch erheben, auf alles eine Antwort zu wissen und das dann unerbittlich gegen alle anderen ins Feld führen wollen. Also genau die „Freiheit und Offenheit“, von der Du schreibst und die „existenzielle Orientierung“ fördert. So lese ich seinen Text zumindest.

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