Alles im Fluss

Seit dem unerwarteten Wahlausgang werden plötzlich Lösungen diskutiert, die noch Stunden zuvor völlig undenkbar waren. Mal ganz abgesehen davon, wie die Jamaika-Debatte noch endet, finde ich das reizvoll und ein Gewinn für die ramponierte politische Kultur.

Vielleicht ist das ja die Botschaft der Stunde – nicht nur für die Politik: Denkt über ungewöhnliche Koalitionen nach, überwindet alte Frontstellungen und Vorurteile, lasst euch auf ein spannendes und anstrengendes Miteinander ein, denn es geht um die gemeinsame Zukunft und nicht die eigene Bequemlichkeit oder Überlegenheit. Sucht das Gemeinsame und das Verbindende, statt endlos auf den Unterschieden herumzureiten.

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Benebelt?

Meine Tochter kam eben aus der Schule mit interessanten Neuigkeiten: In der Geschichtsstunde haben sie die Wahl und die Berliner Runde besprochen und gerätselt, ob Gerhard Schröder gestern angetrunken war bei seinem Fernsehauftritt. Das wäre eine genial einfache Erklärung für sein seltsames Verhalten – Doris fand es offenbar “krawallig”, andere Kommentatoren peinlich. O-Ton Harald Schmidt: “Es ist erstaunlich, was so ein Mineralwasser auslösen kann!”

Ähnlich benebelte Assoziationen weckt der Ausdruck “Jamaika-Koalition”. Könnte die uns am Ende eine Reggae-ierung bescheren? Passen die Grünen in Angela Merkels Rasta oder steht wieder ein Frisurwechsel an? Warten wirs ab…

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Umkrempelnde Gedanken

Vincent Donovan gibt mir momentan mehr als genug Stoff zum Nachdenken, zum Beispiel mit diesen Gedanken, die vielleicht nicht so neu sind, aber in der Zuspitzung und der Frage der Umsetzung in konkrete Gemeindearbeit eine ganze Menge Fragen aufwerfen:

Nur in der Vermittlung eines nach außen gerichteten Christseins haben wir die Hoffnung, das Christentum zu erreichen. Ein nach innen gekehrtes Christsein ist eine gefährliche Imitation, eine irreführende Maskerade. Es ist gar kein Christentum.

Die Rettung der eigenen Seele, oder Selbst-Heiligung, oder Selbst-Vollendung, oder Selbst-Erfüllung mag sehr wohl das Ziel des Buddhismus oder der griechischen Philosophie oder der modernen Psychologie sein. Aber es ist nicht das Ziel des Christentums. Wenn jemand Christ wird, um Selbsterfüllung und Selbsterlösung zu finden, verrät und missversteht er das Christentum zutiefst.

Ich widerstehe jetzt der Versuchung zu kommentieren. Etwas weiter unten heißt es dann:

Auch jetzt noch ist es nur unser Kontakt zur heidnischen Welt, der Welt die nicht christlich ist, der uns ehrlich und uns selbst treu bleiben lässt.

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Auto-Alarmanlagen

Unweit meines Domizils befindet sich ein Parkhaus. In regelmäßigen Abständen und zu den unmöglichsten Zeiten hupt dort ein Auto (vielleicht auch mehr als eins) eine halbe Minute lang hektisch herum. Nachts (das Fenster im Schlafzimmer ist offen) freut mich das besonders. Heute ist das Vehikel besonders munter – es hupt schon zum vierten Mal.

Ich glaube, niemand in der Nachbarschaft nimmt das Gehupe noch ernst – der bekannte Abnutzungseffekt. Im Gegenteil, die meisten wären wohl recht froh, wenn das betreffende Fahrzeug endlich mal geklaut würde und Ruhe einkehrte. Haben die Hersteller von Auto-Alarmsystemen an diese Wirkung auch mal gedacht?

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Glaube auf Afrikanisch

Die folgende Geschichte von Vincent Donovan zeigt vielleicht etwas von der Schönheit, die ich im vorletzten Post erwähnt hatte. Gleichzeitig ein Anstoß für alle, die Narnia-Bücher wieder auszupacken, bevor im Dezember der Film in die Kinos kommt und uns vielleicht ebenso gute oder noch bessere Anknüpfungspunkte für ein Gespräch mit anderen Leuten bietet wie Mel Gibsons Passion Christi:

Monate später (…) saß ich und sprach mit einem Ältersten der Massai über die Qual von Glauben und Unglauben. (…) Er bedeutete mir, dass das Wort, das ich für ‚Glauben“ verwendet hatte, in ihrer Sprache kein befriedigender Begriff war. Es bedeutete wörtlich ‚zustimmen” Ich wusste selbst, dass dieses Wort ungenügend war. Er sagte, so zu “glauben” sei ähnlich wie ein weißer Jäger, der ein Tier mit seiner Flinte aus großer Entfernung erlegt. Nur seine Augen und Finger waren daran beteiligt. Wir sollten ein anderes Wort finden. Er sagte, wenn ein Mann wirklich glaubt, dann ist das wie ein Löwe, der seiner Beute nachstellt. Seine Nase und Ohren erhaschen die Beute. Seine Beine geben ihm das Tempo, um sie zu fangen. Die ganze Kraft seines Körpers legt er in den tödlichen Sprung und den einen Schlag mit der Vorderpfote ins Genick, der eigentlich zum Tod führt. Und wenn das Tier zusammenbricht, schließt der Löwe es in seine Arme (…), zieht es an sich und verleibt es sich ein. So tötet ein Löwe. So glaubt ein Mann. Das ist Glaube.

„Glaube auf Afrikanisch“ weiterlesen

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Blogs lesen zahlt sich aus

Letzte Woche bekam ich eine Mail, in der ein – kostenpflichtiger – christlicher Nachrichten- und Infodienst angeboten wurde. Ich habe mal in das Testexemplar hineingeschaut und festgestellt, dass man einfach ein paar gute Blogs regelmäßig lesen muss, um mindestens so up to date zu sein wie die Autoren, die vermutlich auch nichts anderes machen. Ich habe wenigstens kaum Neues darin entdeckt, was nicht auch schon (etwas weniger ideologisch frisiert) z.B. bei Andrew Jones stand.

Schon wieder Geld gespart 😉

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“Harter Boden” wird fruchtbar

Eines der Bücher, die mich im Urlaub beschäftigt haben, ist Vincent Donovans “Christianity Rediscovered”. Pater Donovan ging in den 70ern ins heutige Tansania und stellt dort den Bankrott der traditionellen Missionsarbeit fest.

Dann macht er sich auf zu den Massai und spricht mit ihnen ein ganzes Jahr über den christlichen Glauben. Die anderen Missionare hatten alle gesagt, das sei nicht möglich. Als Resultat entsteht eine Kirche unter den Massai, die ihre ganz eigene Schönheit besitzt (mir fällt kein besseres Wort ein, es ist einfach schön zu lesen).

Das andere Wunder ist, dass Donovan das Evangelium selbst neu entdeckt, frei vom kulturellen Ballast westlicher Kirchentümer und frei von der extrem individualistischen Weltsicht unserer Zivilisation.

Donovan spart nicht mit leidenschaftlicher Kritik am katholischen Traditionalismus, Kirchen- und Amtsverständnis, bleibt aber seiner Kirche gegenüber loyal, indem er sich nicht einfach über Regeln und Strukturen hinwegsetzt. Aber auch für Protestanten hat er ein paar kräftige Denkanstöße auf Lager.

Für alle, die heute scheinbar Unmögliches wagen wollen, eine gewinnbringende Lektüre.

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Langweilige Ewigkeit?

Bei einem Spaziergang am äußersten Westzipfel Frankreichs gestern haben wir über die Frage nachgedacht, ob es in der Ewigkeit nicht langweilig werden würde. Ich denke, das wird es sicher nicht, sondern wir haben eine Menge spannender Dinge zu tun. Es beginnt damit, dass die Bibel (wenn man sie nicht durch die neuplatonische Brille liest) glasklar sagt, dass sich “der Himmel” auf der Erde und nicht im Äther abspielt. Ich könnte mir vorstellen, dass Gott uns wieder als Gärtner einstellt und wir alles wieder ins Lot bringen, was die Menschheit in der Schöpfung so zerstört hat über die Jahrhunderte, besonders im letzten. Finistere – das „Ende der Welt“ (in Wirklichkeit nur das Ende Frankreichs…) bietet genug Natur, um sich das vorzustellen: Nachts hörte man ein Käuzchen und der Sternenhimmel war so klar wie er in der Stadt nie ist.

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Aber es geht ja nicht nur um Natur, sondern auch um Kultur:
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Dreht der Wind?

Vielleicht das sinnenfälligste Symbol für einen möglichen Klimawechsel im Land ist das Poster von Benedikt XVI, das ausgerechnet Bravo diese Woche brachte.

Dass der Weltjugendtag und der Papstbesuch so für Furore im Land sorgt, hat sicher vielfältige Ursachen, die in den Medien diskutiert werden. Sogar in den Nürnberger Nachrichten, die generell nur sehr nüchtern, kritisch und distanziert zu Glaubensfragen Stellung nahmen, kommen inzwischen andere Töne: “Angesichts solch bedrohlicher Perspektiven (Anm.: Jobkrise, Terror, Klima, Globalisierung) suchen viele einen Halt, der über bloße Tageswahrheiten hinausgeht. Der christliche Glaube bietet ihn, auch wenn das über lange Zeit bei der Jugend nicht angesagt war. Auch wenn viele lieber die Antworten in östlichen Weisheitslehren, obskuren Sekten oder in der Verleugnung aller Transzendenz suchten.” (Kommentar vom 19.08.2005)

Eins hat mich dabei beschäftigt: Jenseits von euphorischer (Selbst-) Inzenierung, Pop-Kult um den Papst und was noch alles als “Erklärung” ins Feld geführt wird – könnte der Stimmungswandel nicht auch damit zu tun haben, dass auf diesem Weltjugendtag (und nicht nur da…) gebetet wird?

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Lernen von Israel

In der Woche des Papstbesuchs in der Kölner Synagoge veröffentlicht das ZDF ein bemerkenswertes Interview (auch als Podcast!) mit Avi Primor, Israels Botschafter in Deutschland von 1993 bis 1999. Primor hat 1997 ein Buch veröffentlicht, das den Titel “…mit Ausnahme Deutschlands” trägt – ein Passvermerk des frühen jüdischen Staates.

Dass er zu einem ganz anderen Verhältnis zu Deutschland gefunden hat, verrät nun auch das Interview, in dem Primor von und für Deutschland träumt. Den Deutschen fehlt der Glaube an sich selbst und eine feste Hoffnung. Anstatt sich selber zu entwickeln, wollen viele nach Amerika auswandern oder träumen zumindest davon – man blickt weit weg und ergibt sich einer anderen Kultur, oder stolpert über die eigene Nüchternheit:

“Wer nur an Realpolitik glaubt, ist verkrampft. Zu viel Pragmatismus unterdrückt den Erfindungsgeist”, sagt Primor und zitiert David Ben Gurion, den ersten Ministerpräsidenten des Staates Israel: “Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist!”

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Trauer um Frère Roger

Gestern spät abends berichteten die Nachrichten vom Mord an Frère Roger Schutz, dem Prior von Taizé. Es hat mich aus drei Gründen tief bewegt:

Erstens war ich als 14 Jähriger zu Pfingsten in Taizé und habe meine ersten tiefen, bewussten Erfahrungen mit Gott in der Kirche gemacht, in der das Attentat verübt wurde. Dass der Wahnsinn (es war in jedem Fall einer, wenn auch vielleicht kein psychiatrisch relevanter) an diesen Ort dies Friedens vordringen kann, ist schlimm.

Zweitens verliert die Kirche einen großen und eigentlich immer noch dringend benötigten Brückenbauer und drittens verliert der Protestantismus seine wohl größte spirituelle Persönlichkeit, jemand der mit Johannes Paul II. nicht nur auf guten Fuß stand, sondern an Ausstrahlung und Glaubwürdigkeit gleichziehen konnte und so eine ähnliche Wirkung auf die junge Generation entfaltete. Ein “Heiliger”, ohne Zweifel.

Kein guter Tag. Kardinal Meisner hat festgestellt, dass (wieder einmal!) ein Versöhner und Friedensstifter Opfer einer Gewalttat wurde. Wie hatte Chesterton in seiner Orthodoxie geschrieben? “(A)ny man who preaches real love is bound to beget hate. It is as true of democratic fraternity as of divine love; sham love ends in compromise and common philosophy; but real love has always ended in bloodshed.

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Irische Impressionen (3): Bücher und Bildung

Ein bleibender Eindruck der Reise war der Besuch im Trinity College in Dublin, wo das Book of Kells ausgestellt ist. Man muss sich das mal klarmachen: Der größte Kunstschatz dieses Landes ist eine Bibelhandschrift. Keine Kronjuwelen, kein Palast, keine Kathedrale, kein Louvre.

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Wenn man sich durch die engen Räume der Bibliothek schiebt und die Erklärungen liest, bevor man sich an das dicht umlagerte Buch selbst herandrängt (unter Panzerglas mit anderen Werken bei sorgsam gedimmten Licht sieht man zwei Seiten), dann entdeckt man wieder erstaunliche Kleinigkeiten. Etwa, dass die blaue Tinte aus Lapislazuli gemacht wurde und das einzige damals bekannt Vorkommen dieses Steins in Afghanistan lag. Das ist wohl so, als müssten wir uns die Materialien vom Mond holen.

Aber die Bücher waren (neben der Wanderlust und dem Pioniergeist) der entscheidende Grund, warum ein Völkchen vom äußersten Rand des Kontinents das ganze barbarische Europa umkrempelte. Was noch einmal die Frage von letzter Woche aufwirft, ob eine geistliche Erneuerung auch geistig voll auf der Höhe sein muss, wenn sie Erfolg haben will.

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Vergaloppiert

In den Augen vieler denkender Menschen hat unser Ministerpräsident sich in den vergangenen Tagen zunehmend weiter ins Abseits geredet. In Berlin braucht er sich, wenn die Union doch noch gewinnt, jedenfalls nicht mehr sehen lassen. Sicher findet sich der eine oder andere Stammtischbruder, der findet, sowas gehörte schon lange einmal gesagt (da wäre es nur interessant, was derselbe Biertrinker zu anderen Themen denkt…).

Es ist eine Sache, sich zu vergaloppieren. Es ist eine andere, es nicht einzusehen und/oder zuzugeben.
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Summer in the City

Erlangen im August: Eine fast überirdische Ruhe macht sich breit. Die Feste, mit denen die Juliwochenenden verstopft waren, sind vorbei. Alles ist ausgeflogen, in der Stadt gibt es plötzlich Parkplätze und viel weniger Verkehr als sonst. Das Telefon klingelt kaum noch und es kommen so wenig e-mails, dass ich mich schon frage, ob etwas mit meinem Mailserver nicht stimmt.

Nie ist die Stadt so friedlich wie Mitte August. Vielleicht könnten wir noch ein paar Lichte abschalten, um heute nacht wieder nach Sternschnuppen schauen zu können? Eigentlich ist das Urlaub ohne Kosten. Und wenn die ersten wieder kommen, dann fahren wir weg… 🙂

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Irische Impressionen (1): Jugend und Abenteuer

Gestern kam ich von einem kurzen Trip nach Irland zurück. Das Wetter dort war offenbar deutlich besser als hier. Ich bin immer noch dabei, die Eindrücke zu sortieren. Dies hier ist der Beginn, Fotos kommen auch noch.

Gegen Irland wirken wir wie ein großes Seniorenheim. 50% der Leute dort sind unter 30, sagte mir jemand. Und genau so wirkt es, wenn man sich auf der Straße bewegt und die Leute ansieht. Ganz zu schweigen von Dublins “Temple Bar” mit den vielen abgefahrenen Szenekneipen. Aber selbst in der Provinz fühlt es sich anders an.

Straßenverkehr mag ein Indiz dafür sein, dass das Leben mehr als Abenteuer verstanden wird. Selbst als geübter Linksfahrer steht man ständig vor Herausforderungen oder wird zum Selberdenken gezwungen – etwa durch frei laufende Schafe und Hunde, dehnbare Angaben auf Verkehrsschildern wie “Slow” und verschärft “Very Slow”, oder “Dangerous Bridge” und “Acute Bend”. Wer durchkommt, hat es richtig gemacht, wer nicht, ist selber schuld. Wozu Stoßdämpfer da sind, versteht man auch erst richtig nach ein paar Tagen auf den Landsträßchen dort.

Die Iren denken positiv. Der Wetterbericht nannte die zähe Bewölkung, die gelegentlich einzelne Strahlen erahnen ließ, als “hazy sunshine”. Einfach liebenswert und sehr wohltuend für teutonische Grübler. 🙂

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