K(r)imi Räikkönen: Die Welt sieht rot

Ich bin ja kein großer Motorsportfan, aber das war nun wirklich ein Saisonfinale voller Dramatik: Wer hätte gedacht, dass die Roten am Ende dieser Skandalsaison die Nase doch noch vorn haben würden?

Glückwunsch an den Iceman und den ganzen Formel 1-Zirkus für gelungene Unterhaltung und eine Entscheidung auf der Piste statt am grünen Tisch.

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Greifswald-Nachlese: Braucht die Kirche das Picardiat?

Den Abschluss des Symposiums “Kirche in der Postmoderne” bildete Michael Herbsts Referat “Führung und Leitung in der Kirche der Postmoderne”. Den Inhalt hat der emsig tippende DoSi protokolliert. Ich habe weiter über transformationale Führung nachgedacht, die im Gegensatz zur transaktionalen Führung (der simple Tauschhandel Leistung gegen Lohn) darauf gerichtet ist, einen hohen Einsatz (“beyond expectations”) anderer zu bewirken.

Das Paradebeispiel für diese Art zu führen ist Bill Hybels: Er ist Meister des Vision Casting, er bringt seinen Mitarbeitern hohe Wertschätzung entgegen, ermutigt sie durch sein Vorbild, ihre Begabungen einzubringen; er weckt in anderen Anerkennung und Bewunderung, erwartet umgekehrt nicht nur Pflichterfüllung, sondern Exzellenz – und bietet im Gegenzug eine enge persönliche Beziehung, die von anderen als Aufwertung erlebt wird .

Potenziell ist dieser Ansatz jedoch manipulativ, je nach Inhalt der Vision, für die der charismatische Führer (Max Weber – Richard Sennett hat dazu auch einiges zu sagen und ich werde das bei Gelegenheit posten) andere begeistert. Er kann eben auch zu einer kollektiven Infantilisierung führen, weil die Anhänger von ihrem Führer und seiner fremden Wahrheit und Vision (in dem Sinne, dass man sie sich nicht selbständig angeeignet oder sie gar mit gestaltet hat) abhängig werden. Man “kauft” sich sozusagen in die fertige Vision ein. Das kommt vielen natürlich auch sehr entgegen, weil es manches erleichtert. Wir müssen auch so noch genug selbst entscheiden und verantworten.

Auf der Suche nach einer Lösung stellt Michael Herbst im Rückgriff auf Dan Kimball die Captains Kirk und Picard aus Star Trek gegenüber und fragt, wo man (meine, bzw. Kimballs Worte) emerging leadership lernen kann. Ich habe dann angeregt, ein Picardiat (laut lesen, sonst funktioniert der Kalauer nicht) einzurichten. Ob man dazu nach Santa Cruz muss oder demnächst auch nach Greifswald? Es war nicht das einzige Mal, dass bei diesem Symposium auf emerging church Bezug genommen wurde, und der Bezug war in aller Regel positiv.

Zurück zu mir: Picard zu sein ist aber nicht so leicht, wenn man an Kirks Elle gemessen wird. Mir sind spontan ein paar Gespräche aus den letzten Monaten eingefallen, wo ich auf oder zwischen den Zeilen die Erwartung gelesen habe, ich müsse in die Hybels-Rolle schlüpfen (wobei weder Herbst noch Kimball, noch ich selbst Bill Hybels und Captain Kirk in einen Topf werfen würden). Und ich spürte die ganze Zeit, dass ich das aus verschiedenen Gründen nicht konnte: große strahlende Visionen ausspucken, für die andere sich rückhaltlos einsetzen würden und mit mir eine verschworene Gemeinschaft bilden. Zu groß diese Aufgabe, ich wäre dabei nicht authentisch, und der Gedanke, andere könnten sich am Ende manipuliert fühlen, ist schon irgendwie beängstigend. Wenn es also auch anders geht, dann müssen wir das eben nun gemeinsam lernen.

(Apropos Kirk: Heute beim Kaffee mit unseren Freunden Regina und Martin hatten wir es dann aus einem anderen Anlass von der christlichen Sehnsucht nach Helden. Von der Psycho-logik her sind manche geschickt vermarkteten christlichen Stars, deren Bücher und CDs wie warme Semmeln gehen, irgendwie wohl auch das, was für Tante Emma das goldene Blatt mit den Reichen und Schönen ist, nämlich “Auferbauung” – in dem Sinne, dass der fremde Glanz vielleicht irgendwie auf die Konsumenten abfärbt, oder wenigstens ablenkt und die Stimmung hebt.)

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Greifswald, zweiter Tag: Neues von der Ostmoderne

Der zweite Tag gehörte den Soziologen – zumindest in der ersten Hälfte. Linda Woodhead aus Lancaster sprach über die Verschiebung vom obrigkeitlich und hierarchisch organisierten “Christendom” zu “Christianity”.

Unter den drei Sozialgestalten des Christentums, die Ernst Troeltsch nennt (Kirche, Sekte und Mystik) sind post- oder spätmodern vor allem die beiden letzten Typen bzw. deren Mischformen interessant, wie das starke Wachstum unabhängiger charismatischer Gemeinden in Großbritannien zeigt (deren Anteil an der Christenheit – ganz anders als bei uns -den der Katholiken und Anglikaner nun übertrifft).

Allerdings könnte das Wachstumspotenzial in diesem Bereich inzwischen ausgeschöpft sein, das Wachstum hat sich verlangsamt.

Dsc00668Danach Karl Gabriel aus Münster (sie sind alle Professoren, also lasse ich die Titel weg), der sich mit Säkularisierung befasst und der Kirche als intermediäre Organisation in der Zivilgesellschaft. Sie ziehen sich nicht aus der Öffentlichkeit zurück, die sie nicht mehr kontrollieren, und lassen den Glauben nicht im rein Privaten (und damit letztlich Beliebigen stecken).

Die letzte Reihe hat sich zur Mac- und Blogger-Ecke entwickelt. Neben mir hat DoSi minutiös einiges protokolliert, daher kann ich mir das nun schenken. Immer wieder gibt es eher nervige Fragerunden, es bessert sich nur langsam: Zu viele Prediger, die (als rhetorische Fragen schlecht getarnte) kleine Koreferate vom Stapel lassen, und Kirchenleute, die auf jede Statistik fliegen und manchmal den Eindruck entstehen lassen, dass das Überleben der Institution doch wichtiger sein könnte als die Frage, wie Kirche ihrem universalen Auftrag gerecht wird, alle zu erreichen.

Am Nachmittag dann Johannes Zimmermann über Individualität und Sozialität, und dann der Knaller des Tages aus der Schweiz: Ralph Kunz aus Zürich über Kirchen- und Taufreform. In der gängigen Praxis alternativloser Säuglingstaufe, so seine Kritik, die sich auf Moltmann und Bonhoeffer gründet, spricht die Kirche Menschen “das Christsein zu, verpflichtet aber nicht zum Christwerden”. Hier sein provokatives Schlussstatement:

Automatische Säuglingstaufe ist theologisches Feigenblatt einer geistlich entblößten Kirche geworden, in der Konfirmation deformiert wurde. Eine automatische Erwachsenentaufe wäre aber genauso falsch. Wo der Taufakt von der Gemeinschaft erzwungen wird, wird Konversion pervertiert.


Am Ende sprach Matthias Clausen über Evangelisation (endlich ein MacUser da vorn, nicht nur hier hinten, wahrhaft emergent also). Mir schwirrt der Kopf, ich breche hier ab. Den Rest gibt es vielleicht irgendwann etwas besser verdaut…

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Greifswald – der erste Tag

Fast pünktlich sind wir im Alfried Krupp Wissenschaftskolleg eingetroffen und haben den ersten Tag des Symposiums erlebt – in stilvoller Atmosphäre, aber auch etwas beengt, so dass wir auf dem Boden sitzen mussten.

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Der erste Vortrag kam von Prof. Lamin Sanneh – geboren in Ghana, Studium in England, Professor in Yale. Er erklärte, wie sich der Schwerpunkt der Weltchristenheit innerhalb der letzten 100 Jahre vom Westen weg bewegt hat. Die Missionsbewegung, die generell als Aspekt den europäischen Kolonialismus verstanden wurde, hatte revolutionäre Konsequenzen für die kulturelle Vielfalt in der Welt, weil sie das Evangelium in die jeweilige Sprache und Kultur übersetzte. Einmal in den Händen der Einheimischen, begann das Christentum an vielen Orten schnell zu wachsen – und kommt nun nach Europa zurück durch Einwanderer.

Prof. Andreas Feldtkeller aus Berlin widmete sich vor allem dem Thema Religionsfreiheit, die er durch die missionarischen Religionen gefördert sieht. Genau dadurch, dass sie Menschen vor eine Wahl stellen bzw. dazu einladen, können diese von ihrer Freiheit Gebrauch machen. Die anschließende Diskussion widmete sich für meinen Geschmack zu viel den Statistiken von Kirchenaus- und eintritten (es sind eben viele Pfarrer hier). Und auf die Frage, ob die Säuglingstaufe kompatibel sei mit der Forderung nach Wahlfreiheit “antwortete” Feldtkeller in bester Charismatikermanier mit einer Heilungsgeschichte aus der eigenen Familie.

Das Highlight des Abends war der Vortrag von Heinzpeter Hempelmann über “kenotische Partizipation”. Anhand einiger Texte von Nietzsche, einem der maßgeblichen Vordenker der Postmoderne, förderte er überraschende und auch bewegende Einsichten zutage, wie das Evangelium angesichts einer “Hermeneutik des Verdachts”, die jeden Wahrheitsanspruch von vornherein zum bedrohlichen Machtanspruch erklärt, ausgesagt werden kann.

Doch davon dann demnächst mehr.

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Auf nach Greifswald

Im Morgengrauen werde ich zu Daniel und DoSi ins Auto steigen (ein Glück, denn die Bahn streikt morgen wieder mal…) und wir fahren ins schöne Greifswald zum ausgebuchten Symposium Kirche in der Postmoderne.

Ich bin schon schwer gespannt und mit geeinter Blogpower werden wir bis Samstag – WLAN vorausgesetzt – sicher den einen oder anderen Kommentar posten können. Simon kommt noch nach und sicher treffen wir noch weitere Bekannte.

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Irgendwie leiser beten

In den letzten Tagen habe ich eine ganze Reihe sehr intensiver Gespräche geführt mit Menschen die mir allesamt richtig gute Fragen gestellt haben. Eine davon war, wie sich meine Art zu beten verändert hat.

Mir sind dazu beim ersten Überlegen drei Dinge eingefallen:

Mein Beten ist stiller und leiser geworden. Informationen braucht Gott sowieso nicht von mir. Eher bin ich der, der aufmerksam werden muss für das, was in mir und um mich herum vorgeht. Gott mein Herz auszuschütten finde ich immer noch eine gute und befreiende Sache.

Mein Beten ist offener geworden. Wenn ich für mich und andere bete, geht es mir nicht so sehr um ein bestimmtes Resultat. Schon um positive Veränderung, aber lieber segne ich einen anderen als Gott (im redlichen Bemühen “konkret” zu sein) en detail erklären zu wollen, was genau wie zu tun ist.

Nachdem ich immer wieder mal Phasen hatte, wo ich bemüht war, kämpferisch zu beten (charismatisch, dynamisch und engagiert, eben irgendwie aggressiv). Dafür motiviert mich Ungerechtigkeit viel mehr zum Beten als früher, und Klagen können dann doch mal laut und deutlich werden.

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Lektor gesucht

Die Zeit ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Fredi Bobic schreibt über die Nationalelf, und da lese ich den folgenden Satz:

Aber ohne Krassimir Balakov, Giovane Elber oder mir wäre das “magisches Dreieck”, wie man uns damals nannte, nicht möglich gewesen.

Ne Zeitung, wo solche Klöpse durchgehen lässt, mag entweder Fredi B. nicht oder hat den Lektor durch die Rechtschreibprüfung von Word ersetzt. Aber Rechtschreibung ist eben nicht Grammatik…

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Kindesmissbrauch

Bei der inzwischen schon wieder ausgesetzten Diskussion am Wochenende habe ich nicht verstanden, wie man von Kindesmissbrauch reden kann, wenn jugendliche Testkäufer helfen, schwarze Schafe im Handel mit Alkohol etc. zu überführen, oder inwiefern das mit der Würde der Kinder kollidiert.

Im Kanton Zürich, las ich heute in den NN, hat das dazu beigetragen, solche Delikte um satte 70 Prozent zu vermindern (interessanterweise hieß es in dem Text “auf 30 Prozent” – die Zahl sollte wohl nicht so groß aussehen!). Ist ja auch klar – wenn jeder Jugendliche ein potenzieller Informant der Behörden sein könnte, dann lässt man doch lieber die Finger von solchen Geschäften.

Nein, die Empörung war mir viel zu theatralisch und ich hätte mir ein paar pragmatische Alternativvorschläge gewünscht; gerade der Kinderschutzbund müsste doch ein echtes Interesse daran haben, wirksame (statt bloß öffentlichkeitswirksame) Wege zu finden, Minderjährigen den Schnapshahn zuzudrehen. Suchen wir nun besonders jugendlich wirkende Polizisten für den Job, oder gleich Rentner, die haben ja Zeit? Und wenn in anderen Bereichen verdeckt ermittelt werden darf, warum sollte das hier denn nicht gehen – es ist doch auch eine Form von Drogenhandel, oder?

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Bibel-Show

Ben Becker, eben noch unter viel diskutierten Umständen dem Tod von der Schippe gesprungen, hat im Berliner Tempodrom mit musikalischer Unterstützung aus der Bibel vorgelesen.

Zwei Jahre Vorbereitung hat das Projekt gekostet und ganz ohne Kommerz geht es natürlich nicht ab. Das Hörbuch ist schon auf dem Markt und im Frühjahr geht es auf Tournee. Interessant dabei ist seine Motivation:

Missionieren wolle er niemanden, sagte Becker. Religiös im “klassischen Sinn” sei er auch nicht. Vielmehr habe er sich einfach einen Traum erfüllen wollen. In der Bibel sei “einfach alles drin, in jeder Geschichte. Es ist auch ein sehr blutiges Buch, ein sehr reales Buch, was unsere Geschichte angeht. Auch sehr real, mit dem was momentan passiert im Sinne von Globalisierung.”

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Well done, Al

Aus dem Land von zwei Nobelpreisträgern herzlichen Glückwunsch an Al Gore und den Weltklimarat. George Bush wird das nicht begeistert haben. Schon wieder ein Fall von latentem Antiamerikanismus in Europa? 🙂

Auch bei diesem Thema gibt es Glaubende (“es ist ernst, aber wir können etwas ändern”) und Skeptiker (“alles nur eine Verschwörung von wem auch immer” bzw. “es kommt eben, wie es kommt”). Es gibt eine Menge Indizien, dass sich alles in eine bestimmte Richtung bewegt. Aber wer Recht hat, wird man auch hier erst am Ende der Geschichte (bzw. wenn es zu spät ist?) sicher wissen.

Und nein, Gore ist weder Heiland noch Lichtgestalt, aber in eine gute Richtung unterwegs, der man sich getrost anschließen darf. Wie Jimmy Carter ja auch, der von DVD auf den nächsten Willow-Kongress flimmern soll.

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Hörkunst

Daniel hat, angeregt von Dan Kimball in einem Post gefragt, ob wir statt sie mit Predigten zu “versorgen” Leuten nicht viel mehr beibringen sollten, selbst mit Gewinn die Bibel zu lesen. In der Diskussion dort wurde auch klar, dass das ja nicht unbedingt ein entweder/oder sein muss. Und dass man methodisch vielleicht bessere Wege finden kann, Leuten das Arbeiten mit der Bibel beizubringen, als eine “Frontalpredigt”. Gemeinde ist ja mehr als der Sonntagmorgen.

Wenn das also keine Gegensätze sind (etwa nach dem Motto: “Wer noch Predigten hört, ist nur zu dumm zum Bibellesen”), dann ist meine Frage heute die, ob wir nicht auch das Hören auf eine Predigt wieder lernen müssen. Tipps für Prediger gibt es ja genug, aber dass auch das Zuhören eine Kunst sein kann (und eine nützliche oder gewinnbringende noch dazu), ist noch eine andere Sache.

Ich kenne viele Leute, die viel wissen und selbst gut predigen, aber trotzdem gerne andere Predigten hören. Sie sind nach beiden Richtungen kritischer – den Stärken wie den Schwächen. Sie können aus einer Predigt mehr Anregungen heraushören als andere und gleichzeitig viel präziser sagen, wo sie Mängel hatte. Andere sind so lange zufrieden, wie sie mit einem guten – und sei es auch diffusen und kurzlebigen – Gefühl nach Hause gehen.

Manchmal ist das beste Kompliment auf eine Predigt eine gute Frage – sie zeugt jedenfalls von mehr Verständnis als ein pauschales “schön war’s, Herr Pfarrer” oder “genau das sage ich auch immer”. Dasselbe gilt ja auch bei Büchern: Viele Autoren lesen gerne und manche sind sogar gute Literaturkritiker (zu diesem Thema hat Dan Reid von IVP ein paar treffende Zeilen geschrieben).

Hier also die Frage: Wenn wir schon alle eifrig dabei sind, Schriftgelehrte zu werden – wie werden wir gute Hörer und wie können wir andere dazu inspirieren? Und für die Humorfraktion: Auf welches Lob kann man getrost verzichten?

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Henry Nouwen, Reaching Out (4): Platz für Fremde

Nouwen kommt zum zweiten Teil, in dem es um das Verhältnis zum Mitmenschen – dem anderen – geht:

Wir leben in einer Welt voller Fremder – nicht nur in dem Sinne, dass wir die meisten Menschen nicht kennen, die uns täglich begegnen, sondern auch in dem Sinn, dass sich viele als entwurzelt erleben. Die Unsicherheit macht Menschen ängstlich und aggressiv. Gastfreundschaft – die Liebe zum Fremden – ist in dieser Umgebung ein Schlüsselmerkmal christlicher Spiritualität. Denn in den biblischen Geschichten sind es oft die Fremden, die Gottes Verheißung mit sich tragen: Die Männer, die Abraham besuchen, Elia als Gast der Witwe, Jesus selbst mit den beiden auf dem Weg nach Emmaus. Eine Grundhaltung der Gastfreundschaft – der Zuwendung zum Fremden – macht heilende Gemeinschaft (“recreative community”) aus.

Von Natur aus stehen wir Fremden zwiespältig gegenüber. Gerade Menschen, die offensichtlich einen anderen sozialen und ethnischen Hintergrund haben, misstrauen wir in der Regel so lange, bis sie den Beweis erbracht haben, dass sie unbedenklich sind. Wir würden uns gern mehr um andere kümmern, instinktiv aber weichen wir ihnen aus. Selbst Kollegen und Kommilitonen betrachten (und erleben!) wir immer wieder als Konkurrenten. Der Friede und die Harmonie, die wir nach außen hin darstellen und propagieren, ist manchmal hinter den Kulissen vor lauter Konflikten nicht mehr anzutreffen. Der erste Schritt zur Veränderung ist, dass wir uns das eingestehen.

Dann kann Gastfreundschaft wachsen: Ein Ort, den ein Fremder in aller Freiheit betreten und wo er zum Freund werden kann. Wir versuchen Menschen nicht zu verändern oder auf unsere Seite zu ziehen. Wir treiben niemanden in die Enge, sondern eröffnen ihnen die Weite. Wir versuchen nicht sie zu beeindrucken und geben ihnen die Möglichkeit, sich selbst und Gott auf ihre ganz eigene Weise zu finden.

Das Paradox der Gastfreundschaft ist, dass sie eine Leere schaffen will, keine beängstigende Leere, sondern eine freundliche Leere, die Fremde betreten können und entdecken, dass sie als Freie geschaffen wurden; frei, ihre eigenen Lieder zu singen, ihre eigenen Sprachen zu sprechen, ihren eigenen Tanz zu tanzen; frei, auch wieder zu gehen und ihrer Berufung zu folgen. (S. 49)

Ein solcher Freiraum muss manchmal mühsam erkämpft werden, so wie man bei einem größeren Unglück Rettungswege durch in Panik geratene Menschenmengen bahnen muss. Und der leere Raum weckt alle möglichen Ängste, die wir gern durch Gerede und Hektik zerstreuen. Wir sind von so vielen Dingen, die wir für wichtig halten, eingenommen (occupied: “beschäftigt”/“besetzt”) und daher so oft auch vor-eingenommen (preoccupied), weil wir viele Fragen nicht offen lassen können und lieber nach der erstbesten Lösung greifen, die sich uns bietet.

Unsere Vorurteile sorgen in beruhigender Weise dafür, dass alles bleibt, wie es ist. Sie sind Mauern, die uns vor der beängstigenden Weite schützen. Dem Anthropologen Carlos Castaneda sagte der Indianer Don Juan, er müsse aufhören, sich ständig einzureden, dass alles in Ordnung sei. Ganz ähnlich spricht Jesus davon, dass unsere Sorgen verhindern, Gottes neue Welt zu sehen und in sie einzutreten. Dann erst können wir ein neues Verhältnis zu einander finden:

Wir können die Welt nicht durch einen neuen Plan, ein neues Projekt oder eine Idee verändern. Wir können nicht einmal andere Menschen verändern durch unsere Überzeugungen, Geschichten, Tipps und Vorschläge, aber wir können einen Freiraum schaffen, der Menschen ermutigt, ihre Waffen abzulegen, ihr Eingenommensein und ihre Voreingenommenheit abzulegen und dann aufmerksam und sorgfältig auf die Stimmen aus ihrem Innersten zu hören. (S. 53)

(Wer nachlesen möchte: hier geht es zu Teil 1, 2 und 3)

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Zeitgeist

Heute morgen in der Allianzsitzung sprach einer der Anwesenden darüber, dass der Atheismus wieder an Boden gewinne. Ernstes Nicken kam aus der Runde. Uuups – schon vorbei, die Respiritualisierung der Gesellschaft? Auch wenn der Spiegel sich mit Richard Dawkins befasste, kann ich das derzeit nicht sehen. Eher schart sich eine schwindende Minderheit um ihn, die dankbar ist für seine streitbare Stimme.

Manch einem wäre das vielleicht aber lieber, sich wieder mit atheistischem Unglauben als vertrautem Gegenüber zu beharken als sich der verwirrenden religiösen Vielfalt zu stellen, die nicht mehr anti-, aber weitgehend unkirchlich daherkommt und wo sich viel weniger um die rationalen Argumente dreht, die uns noch so schön vertraut sind.

Gestern kam auch bei mir ZeitGeist. Kultur und Evangelium in der Postmoderne an. Gerade im Blick auf diese Entwicklungen lohnt es sich, dieses Buch in die Hand zu nehmen (bzw. zu natürlich zu kaufen). Dann muss man vielleicht Dawkins auch nicht mehr insgeheim dankbar dafür sein, dass wir noch ein paar Jahre so tun dürfen, als hätte die Moderne noch die ungebrochene Lufthoheit.

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Simons Fußball-Stöckchen

Dosi wurde von Simon getroffen und ich hab’s abgekriegt. Nachdem ich schon durch ein unbedachtes Bekenntnis angeeckt bin, müssen die Karten hier auf den Tisch. Bringen wir es also hinter uns… 😉

1. Mein Verein ist und bleibt …
Bayern. Ich war zu klein, um die Konsequenzen dieser unbewussten Lebensentscheidung abzusehen, aber es war Anfang/Mitte der 70er und da waren sie eine Klasse für sich, auch international. Man musste sie einfach toll finden.

Und, wie die Champions League nur zu deutlich zeigt, bei aller Sympathie für Werder & Co reißen die übrigen Vertreter der Bundesliga seit Jahrzehnten dort keine Bäume aus. In Europa können nur die Bayern mithalten – und das mit einem lächerlich kleinen Etat, wenn man Chelsea, Milan und Real zum Maßstab nimmt.

2. Ein (ehemaliger) Bundesligaspieler, den ich als Persönlichkeit achte, ist …
Lucio. Ein Freund berichtete, er finanzierte eine Drogenreha seiner Heimatgemeinde in Brasilien, als er nach Europa ging.

3. Mein Lieblingsspruch eines Spielers lautet:
Loddamaddäus: I hope we have a little bit lucky

4. Lieblingsspruch eines Trainers:
Nichts übertrifft Giovanni Trappatonis legendäre Pressekonferenz, die auf “ich habe fertig” endete.

Klaus Augenthaler eiferte ihm kürzlich nach:

5. Falls die Bayern diese Saison nicht Meister werden, dann wird es …
traurig, denn sie sind (anders als letztes Jahr) richtig gut gestartet, haben schlau eingekauft. Es macht Spaß, Ribery & Co zuzusehen. Ich hoffe, das hält noch eine Weile.

6. Als Traditionsclub würde ich gerne wieder in der ersten Liga sehen …
Den Club, denn so wie es derzeit aussieht, könnte der im nächsten Jahr auch ganz offiziell zweitklassig spielen.

7. Die Bundesliga verfolge ich am liebsten via …
ARD Liveticker und (Web-) Radio, die Kommentare sind so lebendig. PayTV finde ich doof.

8. Ein denkwürdiges Bundesligaspiel, das ich besonders in Erinnerung habe, ist …
Als die Bayern 2001 in letzter Sekunde in Hamburg durch einen indirekten Freistoß Meister wurden. Abgesehen davon hat sich die tragische Niederlage gegen ManU im CL-Finale von Barcelona tief ins Gedächtnis eingegraben…

9. Eine Regel, die ich am liebsten sofort abschaffen würde, wäre …
… dass Videobeweise nicht anerkannt werden. Absolut unzeitgemäß, und bei Unsportlichkeiten zählen sie sehr wohl im Nachhinein.

10. Sportschau oder Sportstudio?
Sportstudio – keine Werbung zwischendrin! In der Sportschau sagen sie immer das Topspiel an (Bayern…), dann kommt Werbung und erst noch zwei andere Berichte. Einfach nur nervig. Und ich ziehe Kathrin Müller-Hohenstein und Wolf-Dieter Poschmann Monica Lierhaus und Reinhold Beckmann vor.

Ach ja, der Steilpass geht an Stephan, Björn, und Will

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“Unnatürlicher” Glaube

Peter L. Berger ist beim Thema Schöpfung angekommen und betrachtet den Unterschied zwischen (mono-)theistischem Glauben und dem, was er “mythische Matrix” nennt. Zuvor hat er schon bei der Theodizeefrage ganz vehement Stellung bezogen gegen jegliche Stiliserung des Todes (und damit zwangsläufig auch des Leidens) als einer guten und natürlichen Sache.

Nun legt er nach, und nachdem mir der allzu unkritische Gebrauch organischer Metaphern – oft werden diese in der Ekklesiologie ja gar nicht mehr als Metaphern verstanden – schon immer suspekt war (als sei alles “Natürliche” per se gut), hier ein prägnantes Zitat seines (und meines) Standpunktes:

Die biblische Wirklichkeitssicht stellt uns einen Gott vor, der jenseits der Natur ist, und der Mensch ist insofern “zum Bilde Gottes” geschaffen, als er eben dieses unnatürliche Wesen teilt. Anders ausgedrückt – die Natur ist in keiner Weise normativ. Beziehungsweise: Wenn etwas natürlich ist, bedeutet dies keineswegs, dass es Anspruch auf moralische Zustimmung hätte (…). Die Menschen sind selbstverständlich Teil der Natur, insofern sie biologische Organismen und Ergebnisse biologischer Evolution sind. Doch es gibt im Menschen ein wesentliches Element, man nenne es, wie man will, das die Natur transzendiert.

(Erlösender Glaube? S. 55)

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