Persönliche Wahrheit

Haso hat vor kurzem das Thema Wahrheit in erfrischender Weise aufgegriffen. Mit der Menschwerdung Gottes wird die Wahrheit zur Geschichte. Wo Inkarnation als theologischer Begriff und missionales Prinzip wieder schwer im Kommen ist, muss man das mit bedenken. Indem Gott sich in unsere menschliche Geschichte begeben hat, hat er sich auch der Vieldeutigkeit ausgesetzt.

In der Geschichte gibt es ja keine absolute Wahrheit im Sinne reiner Objektivität. Konkrete Menschen haben konkrete Ereignisse aus einer ganz bestimmten Perspektive erlebt und berichten davon – alle Geschichte wird eben erzählt -, indem sie ihre Erfahrungen in einen bestimmten Zusammenhang stellen und mit den sprachlichen und symbolischen Ausdrucksformen ihrer Kultur wiedergeben. Wahrheit ja, aber keine “reine” Wahrheit im Sinne unmissverständlicher Eindeutigkeit. Deswegen gab es von Anfang an Streit darum, wie diese Geschichte nun zu erzählen sei. Es gab sie daher auch (für Muslime immer noch sehr irritierend!) in vier Evangelien, die sich einfach nicht recht harmonisieren lassen.

Wer nun mit Lessing der Meinung ist, dass zufällige Geschichtswahrheiten keine notwendigen (und damit apriori evidenten, also absoluten und vom geschichtlichen Standpunkt unhabhängigen) Vernunftwahrheiten begründen können, also minderwertig sind, der hat ein Problem – auch als Christ. Ebenso, wer immer noch von “Tatsachen” redet, wo wir doch beim Fußball inzwischen alle sehen, dass es kaum etwas Subjektiveres und Umstritteneres gibt als die berüchtigten “Tatsachenentscheidungen”.

Die entscheidenden Aussagen der Bibel kann man nicht von ihrer Geschichte zu lösen und auf objektiv gültige Prinzipien reduzieren. Liebe ist keine “Tatsache”, sondern ein Verhältnis, aus dem ein konkretes Verhalten folgt. So gut wie alle entscheidenden theologischen Begriffe sind Beziehungsbegriffe. Es geht in allererster Linie um Beziehungswahrheiten, die man nicht messen oder experimentell verifizieren kann. Wenn mir jemand sagt, dass er mich liebt, dann kann ich vielleicht eine Weile sein Verhalten beobachten. Aber er könnte mich ja auch täuschen. Am Ende muss ich es glauben – oder auch nicht…

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Renn dich schlau

Heute las ich dies auf Spiegel Online und empfehle es weiter an alle Couch Potatoes und Büchermuffel:

Wer seine Muskeln trainiert, flutet seine grauen Zellen geradezu mit frischen Nähr- und Wuchsstoffen. Dadurch entstehen neue Nervenzellen. Diese Neulinge sind leicht erregbar und besonders lernfähig. Sie sterben allerdings nach einigen Wochen wieder ab, wenn man sie nicht benutzt. “Körperliche Aktivität ist für die Bildung neuer Nervenzellen notwendig”, erklärt Josef Bischofberger vom Institut für Physiologie der Universität Freiburg. “Geistige Aktivität ist wichtig für das Überleben dieser Zellen.” Denn durch diese Beanspruchung fügen die Neuronen sich dauerhaft in das Denkorgan und erhöhen offenbar dessen Vermögen, Neues zu lernen.

Und wen das nicht überzeugt, dem sei dieser Satz aus selbiger Quelle gesagt: 🙂

Potenzmittel kann man getrost durch moderate Bewegung ersetzen. Eine Langzeituntersuchung an mehr als 1000 Testpersonen hat ergeben: Das einzige Verhalten, das impotenten Männern aufhilft, ist regelmäßige körperliche Aktivität.

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Heute bin ich Buddhist…

Ich weiß schon, dass ich für den Spruch jetzt was zu hören bekomme, aber bevor Ihr loslegt, lest zu Ende: Ich bin heute Buddhist so wie John F. Kennedy damals Berliner war. Ich identifiziere mich mit den friedlichen Revolutionären in Myanmar, wo die Handlanger des Regimes gerade die Klöster stürmen. Als Deutscher und als Jesus-Nachfolger bin ich wenigstens in Gedanken, im Gebet und mit (ohnmächtigen, wohl wahr) Worten in diesem Blog an ihrer Seite.

Viele haben diese Nähe ja auch bei Gandhi so empfunden. Wir sind uns über die religiösen Grenzen nie so nahe, wie wenn wir gemeinsam und gewaltlos gegen Unrecht und Unterdrückung stehen. Dann stehen auch Buddhisten in den Fußstapfen Jesu und es schimmert etwas von Gottes Reich durch, wenn den Despoten die Maske herunter gerissen wird und die Welt sieht, dass ihnen außer Gewalt nichts, aber auch gar nichts einfällt.

Sicher sind damit nicht alle Unterschiede aufgehoben. Und natürlich geht im im Evangelium noch um mehr. Aber heute geht es darum, zu beten, dass die Gerechtigkeit siegt und möglichst wenig Blut vergossen wird.

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“Pass auf, dass du deinen Glauben nicht verlierst”

Gestern erzählte ein Freund, wie vor Jahren ein junger Mann seine Heimatgemeinde und Kleinstadt verließ, um zu studieren. Seine Heimatbesuche versetzten die halbe Gemeinde in Aufruhr, weil er alle möglichen Fragen und Zweifel äußerte. Vor lauter Angst, er könne “ die Jugend verderben”, wurde er ziemlich unter Druck gesetzt. Das ging natürlich nicht lange gut.

Ich kenne aus eigener Erfahrung den stereotypen Reflex frommer Individuen, wenn sie hören dass jemand Theologie studiert: Pass auf, dass du deinen Glauben nicht verlierst. Ob Theologie oder nicht: Es ist völlig normal, dass man einen Glauben verliert, der davon gelebt hat, dass man sich manche Fragen nicht stellt. Das geht in der subkulturellen Blase der Heimatgemeinde vielleicht eine Weile gut, aber aufgrund der massiven religiösen Pluralisierung unserer Welt auch nicht mehr lange.

Natürlich ist die Kritik in der Theologie hier und da zersetzend über ihr Ziel hinausgeschossen. Aber es waren weniger die Extreme der Ansichten als ihre Vielfalt und die Entdeckung, dass man zu jedem beliebigen Thema ganz unterschiedliche Positionen und Meinungen findet, die neu waren. Und auf genau dasselbe Phänomen unterschiedlichster Auffassungen und Lebensweisen traf wohl auch der eingangs erwähnte Freund meines Freundes in seinem Studium – was immer es war.

Das Thema beschäftigt mich nun schon eine Weile. In einer immer noch pluralistischer werdenden globalen Welt (Peter L. Berger hat das in dem gestern erwähnten Interview schön herausgestellt) “verliert” man seinen Glauben ständig (in dem Sinne, dass er sich wandelt aufgrund der Lebenserfahrung und der Beschäftigung mit anderen Glaubensrichtungen. Man findet ihn aber auch wieder neu, wie viele Theologiestudenten. Traurig ist dann nur die Tatsache, dass der neue Glaube vom “alten” Umfeld nicht mehr als der eigene anerkannt oder gar als Gefahr und Verführung abgewiesen wird. Als wäre jede Form von Zweifel erstens böse und zweitens ansteckend.

Es gibt bei Berger den Begriff des “häretischen Imperativs”. Etwas tiefer gehängt: die vorhandene Pluralität macht im Vorfeld jeder Entscheidung kritisches Denken unausweichlich. Jemand, der mit diesen Veränderungen seines Gottesbildes ringt und dabei auch selbst das beängstigende Gefühl hat, in Glaubensfragen den Boden unter den Füßen zu verlieren, findet in einem zur Selbstkritik unfähigen und zwanghaft homogenen Umfeld keine Hilfe – im Gegenteil, seine Ängste werden verstärkt und bestätigt, so dass am Ende tatsächlich nur ein Bruch möglich erscheint. Denn zurück zu gehen in eine verlorene Naivität würde bedeuten, die eigene Integrität zu opfern – ein hoher Preis.

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Vorbildliche Pfingstler

Über einen Mangel an Kritik von außen hat die Pfingstbewegung in den 101 Jahren ihrer Geschichte nicht klagen müssen – zumal nicht in Deutschland. Anlässe dazu gibt es immer wieder, aber an vielen Punkten muss man auch einmal den Hut ziehen vor diesem Flügel der Christenheit. Zwei Beispiele:

Tony Campolo macht in seinem aktuellen Podcast eine interessante Beobachtung: Kein anderer Zweig des Protestantismus hat es geschafft, Arme, Reiche, und die Mittelschicht dazwischen so gut zu integrieren. Die Ausstrahlung des Aufbruchs in der Azusa Street habe ganz wesentlich damit zu tun gehabt, gar nicht so sehr mit den spektakulären “charismatischen” Phänomenen.

Tobias hatte mich vor ein paar Tagen auf ein spannendes Interview mit Peter Berger aufmerksam gemacht, der die Pfingstbewegung (neben dem Islam) global gesehen als die explosivste religiöse Bewegung in jüngerer Zeit betrachtet. Sie ist inzwischen (anders als viele andere protestantische Kirchen, die sich auf ihre Kultur beschränken lassen) zu einem wesentlichen Faktor der Globalisierung geworden und hat (ohne das zu beabsichtigen) an manchen Stellen die sozialen Verhältnisse tiefgreifend verändert – zum Beispiel was die Frauenrechte und Demokratisierung in Lateinamerika angeht!

Also: Chapeau!

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Die Hollandisierung der Welt

Ich habe mich schon lange gefragt, warum niemand dieses Szenario mal durchspielt, aber nun ist es überall zu lesen: Bei einem Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter wäre in 100 oder vielleicht sogar 50 Jahren ein riesiges Stück Florida versunken und auf der Wall Street bekäme man auch nasse Füße.

Deiche und Flutbarrieren müssen also her – die Niederländer könnten ihr Fachwissen gewinnbringend exportieren. Nachdem New York mal als Nieuw Amsterdam angefangen hat, schließt sich der Kreis dann also wieder…

 Wikipedia Commons 1 17 Allard -Totius Neobelgii Nova Et Accuratissima Tabula (Detail)

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20 years ago today…

Die im letzten Post genannte AfeM Tagung findet in Bad Liebenzell statt. Das letzte Mal war ich im Herbst 1987 dort, als Teil eines missionswissenschaftlichen Seminars der Uni Tübingen unter Leitung von – ach, ist ja egal, wer das war. Es war jedenfalls ein eindrückliches Erlebnis: Ich war einer der wenigen Nicht-Evangelikalen in der Runde und fing mir damit ziemlich intensive Diskussionen ein.

Das Seminar befasste sich mit Rockmusik, die in bewährter fromm-inquisitorischer Kausalkettenlogik von den Zaubertrommeln afrikanischer Schamanen abgeleitet wurde. Dabei sorgten angeblich die (bösen!) Geister für minimale Variationen des Beats, um mit dieser Art spirituellem Morsecode arglose Seelen in ihre Gewalt zu bringen. Meine Frage, wie das im Zeitalter von Drumcomputern noch gehen solle und ob nicht die Vermittlung afrikanischer Musik durch Gospel und Spirituals zu berücksichtigen sei, fielen auf taube Ohren. Rückblickend würde ich sagen, das war eine Form von astreinem theologischem Rassismus.

Zwanzig Jahre später sind solche Ansichten nur noch bei einer krassen Minderheit anzutreffen. Übrigens hatte damals gerade die Postmoderne begonnen, über die wir nun – 20 Jahre später – am gleichen Ort diskutieren. Was mich daran ermutigt, ist die konstruktive Ausrichtung – es wird eben nicht alles in Bausch und Bogen verurteilt. Was mich immer noch nachdenklich stimmt ist die Tatsache, dass wir diese Diskussion erst jetzt führen.

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Aus der Werkstatt: “Sünde, Kreuz und Bekehrung im Horizont der Postmoderne”

Zu diesem Thema habe ich eine Einladung des Arbeitskreises für evangelikale Missiologie (AfeM) in Januar 2008 bekommen, der über “Mission im postmodernen Europa” tagt. Ein weiteres Zeichen dafür, dass diese Diskussion nun auch in Deutschland angekommen ist. Am Tag darauf referiert Reinhold Scharnowski über Gemeindeformen.

Der Untertitel meines Referats lautet: “Zu den theologischen Inhalten missionarischer Verkündigung im postmodernen Europa”. Es sind ja noch ein paar Monate hin, aber ich habe schon einmal mein Bücherregal durchforstet und noch ein paar neue Titel bestellt. Heute aber geht erst einmal die Frage an Euch:

  • Was sollte in so einem Referat (60 Minuten) unbedingt angesprochen werden?
  • Welche Gedanken haltet ihr für besonders wichtig und relevant?
  • Wo habt Ihr dazu selbst schon referiert und/oder gebloggt?
  • Wo sollte ich nach- und weiterlesen?

Es geht ja um mehr als nur meine persönliche Perspektive. Vorab schon mal vielen Dank an alle! Ein Zwischenergebnis werde ich auf dem Emergent Forum in Erlangen am 1. Dezember vorstellen.

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Kill Bill?

Am Wochenende habe ich auf 3Sat via ZDF Mediathek den Song PCdenzfall von Bodo Wartke gehört (hier das Video einzeln). Nicht nur MacUser könnten das amüsant finden.

Vielleicht erklärt das auch, warum die SZ heute meldet, Vista sei ein Ladenhüter?

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Selber doof

Heute beim Einkaufen habe ich – aus der Entfernung im Vorbeigehen – eine ehemalige Klassenkameradin gesehen. Sie kam erst in der Oberstufe in die Klasse und ich fand sie aus irgendeinem Grund doof, den ich heute nicht mehr weiß. Folglich habe ich mich nicht besonders für sie interessiert oder mich mit ihr beschäftigt. Vielleicht verstand sie sich einfach auch nur mit den falschen Leuten gut – also denen, über die ich auch ein negatives Urteil gefällt hatte. Nicht unbedingt bewusst, eher so aus dem Bauch heraus.

Rückblickend denke ich, sie war wohl wirklich in Ordnung. Mir ist es einfach nie aufgefallen, weil ich mir gar nicht die Mühe gemacht habe, richtig hinzusehen. Das ist nun auch nicht mehr zu ändern. Was ich ändern kann, ist meine Haltung heute. Mich daran erinnern, dass ich erste Eindrücke vor allem dann noch einmal überprüfe, wenn sie nicht so positiv ausgefallen sind. Genauer hinzusehen, offener zu sein, besser zuzuhören. Damals war ich der eigentlich doofe.

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Scharfe Bilder

Gestern bin ich über Ehrensenf auf diesen Blogpost gestoßen, der den sonst oft so unsichtbaren (oder vertuschten bzw. weichgezeichneten) Kontrast von Armut und Wohlstand ganz scharf abbildet. Das muss man sich einfach mal ein paar Minuten ansehen.

Auf derselben Website ist via Flickr eine Skulptur von Dennis Oppenheim zu sehen, deren Titel Device to root out evil lautet. Es zeigt eine Kirche, die auf dem Kopf steht und mit der Turmspitze in den Boden gerammt ist. Sie wurde anscheinend aus Stanford nach Vancouver verlegt, weil sie bei manchen Betrachtern aneckte:

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Ich kann dem Werk eine Menge abgewinnen. Der Kommentar des Künstlers dazu hat mir gut gefallen:

Turning the church upside down makes it more aggressive, but not blasphemous.

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Wenn der Vater mit dem Sohne…

Dass der Andrang derart riesig sein würde, hatte mein in Messedingen unerfahrener Sohnemann sich so wohl nicht ausgemalt. Wir haben die IAA am Samstag eine Stunde früher als geplant verlassen – beide müde und mit Kopfschmerzen. Aber vorher haben wir noch ein paar Sitzproben hinter uns gebracht, die Neuheiten bestaunt und uns amüsiert, wie die Exponate ständig poliert und gewienert wurden.

Gute Luft und weitgehend freie Sicht hatte man in Halle 8, und die Studien wie der C-Cactus von Citroen oder der 308rcz von Peugeot haben schon einen Esprit, den man anderen Herstellern auch wünschen würde. Hoffentlich gehen sie in Serie…

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Kardinal(s)fehler

Ein einziges Wort ließ die Bombe platzen. Der Erzbischof von Köln hatte die Sache mit Eva Herman letzte Woche vielleicht nicht mitbekommen und hat seinerseits eine – zwar implizite, doch bei seinem Bildungsstand kaum zufällige – Nazi-Parallele gewagt. Feuern wird ihn dafür aber niemand.

Doch er steht heftig in der Kritik. Denn genau die Bindung von Kultur an den Kult(us) hatten die Nazis (auf ihre Weise, die Kardinal Meißner sicher nicht unterstüzt) ja auch im Programm. Mal ganz abgesehen davon, wie man sich diesen sakralen Imperativ in Köln nun konkret vorstellen soll, weckt das doch keine guten Assoziationen, wenn beispielsweise der vage Eindruck entsteht, die braune Inquisition hätte hier und da vielleicht doch die richtigen getroffen…?

Wie ist das also mit der Kunst? Kaum jemand will eine künstliche Trennung von Kunst und Glaube. Braucht sie aber umgekehrt in jedem Fall einen religiösen Bezug, und wie hätte der wohl auszusehen? Woran sollte man ihren Wert messen und wer ist dazu befugt? Es klagen ja auch viele christliche Künstler über die stereotype Erwartung, dass Kunst immer predigen müsse. Muss sie das – und was genau?

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Die Türe offen halten

Ein Gedanke aus Transforming Spirituality ist mir die letzten Tage noch nachgegangen. Steven Sandage schreibt dort über die Bedingungen für geistliches Wachsen und Reifen. Grundsätzlich spielen Beziehungen darin eine Schlüsselrolle: Das Eingebettetsein in eine Gemeinschaft und der Kontakt zu Vorbildern und Mentoren.

Da spirituelle Reifeprozesse in vielem analog zu den allgemeinen, natürlichen Reifeprozessen verlaufen (alles andere wäre ja auch seltsam…), geschieht es auch hier, dass man sich aus einer Gemeinschaft löst und vieles, was diese Gemeinschaft kennzeichnet, in Frage stellt und über Bord wirft, um sich nach einer Weile vielleicht oder hoffentlich wieder einen neuen Zugang zu finden.

Um Menschen beim Wachsen zu helfen, müssen geistliche Gemeinschaften also lernen, Leute auf Distanz gehen zu lassen. Natürlich ist das manchmal auch schmerzhaft und anstrengend. Die beiden Fehler, die es zu vermeiden gilt, sind Kontrolle auf der einen Seite und es jedem immer Recht machen zu wollen auf der anderen Seite. Der größte Gefallen, den man Menschen tun kann, ist entspannt den Kurs zu halten und ihnen die Distanz zu gönnen, die sie (tatsächlich oder vermeintlich – wer will das beurteilen?) brauchen. Dann entsteht auch die eher seltene Freiheit, eines Tages als ein anderer wieder zurückzukehren.

Ich denke, in unserer Gemeinde haben wir eine ganze Reihe Leute, die sich aus einem kirchlichen Kontext gelöst hatten, der irgendwie nicht mehr passte und vielleicht auch problematisch war. Aber es war Ihnen nicht möglich, dorthin wieder zurückzukehren. Wir haben auch Leute, die sich bei uns einige Zeit ausgeklinkt und verabschiedet hatten, und jetzt wieder dabei sind – gereift und verändert, und in der Regel stabiler als zuvor.

Und natürlich sind ein paar Leute gegangen und nicht wieder gekommen. In dem Fall hoffen wir natürlich auch, dass es ihr Wachstum beflügelt hat und sie anderswo kräftige Wurzeln schlagen. Aber vor allem wünsche ich mir, dass es uns gelingt, die Türen in jeder Richtung offen zu halten, Leute kommen und gehen und wieder kommen zu lassen, und gelassen zu bleiben ohne dabei gleichgültig zu werden.

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