Nochmal Mafia: Spammer und Internet-Erpresser

Heute wurde mein Blog urplötzlich mit hunderten von Spam-Kommentaren bzw. Trackbacks regelrecht überfallen. Es hat mich ein Weilchen gekostet, die Sachen zu löschen und die Blacklist anzupassen. Aber ich war wohl nicht der einzige, den es erwischt hat (vgl. Daniels Kommentar unten).

Dazu passte recht gut die Meldung über den Untergang von Blue Security und den Hintergrund von Erpressung durch die russische Mafia. 75 bis 90 Prozent des weltweiten Mailverkehrs ist angeblich inzwischen Spam, und dahinter steht ein Milliardengeschäft. Mal sehen, ob sich jemand da heran wagt. Die CIA vielleicht oder der BND – das wäre mal ein sinnvoller Job für unsere Lauscherchen…

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Außenseiter

Heute hatte ich ein nettes Gespräch am Telefon mit einem evangelischen Pfarrer, der ein Jahr als “Pioniermissionar” (seine Worte) auf einer griechischen Insel tätig war und dort als Ausländer und Lutheraner mindestens so exotisch wie hier ein amerikanischer Pfingstler (auch der Vergleich stammt von ihm).

Als protestantischer Nord- bzw. Westeuropäer wurde er misstrauisch und kritisch beäugt und fand seinerseits eine etwas fremde, orientalische Art des Christseins, die in manchem schon an den Islam erinnerte (Ritualismus, Rolle der Frau etc.). Die Minderheitensituation, theologisch würden wir sagen: das Exil, hat einiges an neuen Gedanken angestoßen und alte vielleicht vertieft. Kein Wunder: Diese Erfahrung war ja auch schon zu Jeremias und Hesekiels Zeiten theologisch höchst fruchtbar.

Hinterher dachte ich mir: Vielleicht sollte so etwas Teil der Ausbildung des Pfarrernachwuchses sein, Leute mal eine Weile in eine solche Situation zu schicken? Solche Lernerfahrungen könnten doch ein Gewinn für alle sein.

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Verschwörungen

Eine nette Auflistung der Top Ten unter den Verschwörungstheorien gibt es anlässlich des Kinostarts von “Sakrileg” in der SZ (Wenn man den ersten Kritiken glauben kann, wird der Film hinter der Werbekampagne zurückbleiben. Zumindest in Cannes hat er offenbar nicht gerade eingeschlagen).

Meine Lieblingsverschwörung ist : Bielefeld gibt es gar nicht 😉 Oder war jemand schon mal da? Und wenn ja – war das wirklich Bielefeld?

Eine andere Quelle von Verschörungstheorien ist derzeit der Fußball. Wenn ein Spieler nicht mir zur WM darf, wird von irgendwem behauptet, den Ausschlag hätten gar keine sportlichen Gründe gegeben. Das wird aber doch inzwischen langweilig. Jemand sollte mal ein paar neue Ideen ins Spiel bringen – fragen wir mal in Hollywood 🙂

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Immer in Beziehung

Lesslie Newbigins “The Gospel in a Pluralist Society” ist anspruchsvolle und vor allem ansprechende Lektüre. Nach ein paar Seiten muss ich das Buch immer wieder weglegen und eine Weile drüber brüten. Hier zum Beispiel stellt er den abstrakten Konstruktionen des neuzeitlichen Individualismus die geschichtlich-sozialen Konkretionen des hebräischen Denkens entgegen. Es geht also um mehr als um “Gott und die Seele”:

Im Unterschied zu sowohl der indischen als auch der westlichen Ansicht gibt es hier keinen Versuch, die menschliche Person als autonomes Individuum zu sehen, und die menschliche Beziehung zu Gott als Beziehung eines einzelnen zu einem einzelnen. Von Anfang an sieht die Bibel das menschliche Leben unter dem Gesichtspunkt von Beziehungen. Es gibt keinen Versuch, die Zufälligkeiten der Geschichte abzustreifen, um so die Essenz des Menschseins zu finden. Menschliches Leben wird im Sinne wechselseitiger Beziehungen gesehen: Erstens, die grundlegendste Beziehung zwischen Mann und Frau, dann zwischen Eltern und Kindern, dann zwischen Familien, Sippen und Völkern. Die Bibel spricht nicht über die “Menschheit”, sondern über “alle Familien der Erde” oder “alle Völker der Erde”. Daraus folgt, dass die wechselseitige Beziehung, diese Abhängigkeit des einen vom anderen, nicht nur ein Teil des Weges zum Ziel der Erlösung, sondern im Ziel selbst begründet ist.

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“Mach doch, was du willst”?

Hin und wieder stolpere ich über eigenartige Formulierungen beim Beten und frage mich, was da an unausgesprochenen Gedanken dahinter steht. Ich hatte in Berlin (nett: Bundespressestrand) ein interessantes Gespräch mit Bernd Oettinghaus zu dem Thema. Ein Beispiel sind die super-allgemeinen Pauschal-Gebete: Segne alle Kranken, tröste alle die traurig sind, lass überall Frieden kommen, löse alle Probleme, mach alles gut. Einerseits will man niemanden ausschließen, andererseits macht man sich nicht mehr die Mühe, noch irgendwo konkret zu werden. Es erinnert eher an das obligatorische “Ich bin für den Weltfrieden” aus Miss Undercover. Politisch korrektes Beten halt. Aber es rechnet ja auch niemand damit, dass diese Art von Gebet tatsächlich erhört wird.

Das andere, was mich immer wieder wundert, ist die Annahme, dass Gottes Wille von allein geschieht. Oder umgekehrt: Das alles, was geschieht, Gottes Wille ist, nur weil es eben “passiert” (das ist ein besserer Begriff: Gott lässt es durchgehen, aber will er es wirklich…?).
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mafiöses Christentum?

Am Sonntag habe ich mich mit der Geschichte Jesu über die Winzer-Mafia beschäftigt. Die sizilianische Mafia ist ein brutales System von Ausbeutung und Schattenwirtschaft, ein von Seilschaften beherrschter Staat im Staate, der nicht vom Volk, sondern vom autoritären Paten kontrolliert wird, die ihre eigenen Gesetze machen. Und in Markus 12 steht der Missbrauch von Vertrauen und Privilegien in Zentrum. Die Jerusalemer Priester- und Schriftgelehrtenmafia reagiert auf die Kampfansage sofort und mit drastischen Mitteln.

Natürlich ist der Bezug in Jesu unmittelbare Situation vorherrschend. Und doch geht es um mehr als um einen historischen Rückblick. Paulus schreibt ja in 1.Korinther 10 davon, dass Israels Irrwege uns als Beispiel dienen sollten, aus dem wir lernen. Vielleicht kann man es daher so sagen: Mafiöses “Christentum”…
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Das Ende der Kontrolle

Ich bin in Berlin, zum “Runden Tisch Evangelisation”. Eric Célérier hat gestern das Internet-Projekt Connaitre Dieu vorgestellt, sehr erfrischend und beeindruckend. Zwischendrin konnten wir über Google Earth in Echtzeit verfolgen, wo überall auf der Welt Leute das Angebot wahrnehmen und ein einfaches Gebet als ersten Glaubensschritt beten. E-Coaches helfen dann weiter und ermöglichen auch den Kontakt zu einer Ortsgemeinde, wenn der Betreffende es wünscht.

Natürlich gab es viele interessierte bis kritische Rückfragen: Wie ernst kann man solche Klicks nehmen, bleibt das alles vielleicht im Virtuellen stecken, und so weiter. Dabei ist mir aufgefallen, wie schwer sich viele von uns damit tun, dass man im Internet nur etwas anbieten kann, ohne kontrollieren zu können, was Leute damit machen.
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und noch ein ketzerischer Spruch…

Als Christus in einem bedeutungsvollen Augenblick seine große Gemeinschaft stiftete, erwählte er zum Grundstein nicht den brillanten Paulus und nicht den tiefsinnigen Johannes, sondern einen Drückeberger, einen Snob, einen Feigling – kurz, einen Menschen. Und auf diesen Fels baute er seine Kirche, gegen die der Hölle Macht nichts hat ausrichten können. Alle Weltreiche und Königreiche sind an dieser eigentümlichen, wiederkehrenden Schwäche gescheitert, dass sie von starken Männern und auf den Schultern starker Männer errichtet wurden. Einzig und allein diese epochale Einrichtung, die katholische Kirche, fand ihr Fundament in einem schwachen Mann, und deshalb ist sie unzerstörbar.

Ketzer, S. 60 – der Gedanke macht doch richtig Mut 😉

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Anspruchsdenken

Wer gesagt hat “Gesegnet der Mensch, der keine Ansprüche stellt, denn er kann nicht enttäuscht werden”, hat einen ganz unangemessenen und geradezu falschen Lobpreis ausgesprochen. In Wahrheit muss es heißen: “Gesegnet der Mensch, der keine Ansprüche stellt, denn er wird wunderbar überrascht werden.” Wer anspruchslos ist, sieht rötere Rosen, als der gewöhnliche Mensch zu sehen vermag, und grüneres Gras und eine hellere Sonne. Selig sind die Anspruchslosen, denn ihrer sein die Städte und Berge; selig sind die Bescheidenen, denn sie werden das Erdreich besitzen.

Chesterton, Ketzer, 58.

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Effizienz und Weltbild

Wenn ein Volk dabei ist, in allen Dingen schwach und untüchtig zu werden, dann fängt es an, von Effizienz zu reden. So fängt auch ein Mensch zum ersten Mal an, sich mit seiner Gesundheit zu beschäftigen, wenn sein Körper kaputt ist. Lebenskräftige Organismen reden nicht über ihren Stoffwechsel, sondern über das, was sie vorhaben. Es gibt keinen besseren Beweis dafür, dass ein Mensch im Vollbesitz seiner Kräfte ist, als wenn er frohen Mutes von einer Reise ans andere Ende der Welt spricht. Und der beste Beweis für die praktische Tatkraft eines Volkes ist es, wenn dieses Volk immerzu von einer Reise ans Ende der Welt, von einer Reise zum Tag des Gerichts und zum Himmlischen Jerusalem spricht.

(G.K. Chesterton, Ketzer, S. 20f. – das wäre den Peregrinati aus dem Herzen gesprochen)

Unserer Meinung nach ist die Frage nicht, ob das Weltbild Einfluss auf den Gang der Ereignisse hat, sondern ob auf lange Sicht außer dem Weltbild irgend etwas sonst den Weltlauf beeinflusst.

(ebd., S. 15)

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Zweidrittelmond

Am Sonntag Abend bin ich noch ganz spät eine Runde am Wasserturm von Marloffstein spazieren gegangen. Der Mond war schon etwa zwei Drittel voll und hat den Weg über die Wiesen silbern ausgeleuchtet; nach beiden Seiten des Buckels konnte man weit ins Tal hinabsehen. Eine Fledermaus kam vorbei, in der Ferne bellte ab und zu ein Hund, aber es war ganz still und friedlich.

Diese Art von in die Ferne sehen ist viel besser als Fernsehen. Die Woche konnte ausklingen, die schönen und schwierigen Eindrücke zogen noch einmal vorbei und dann legte sich die Stille über alles. Und der Wald stand schwarz und schwieg – auch ohne den weißen Neger Wumbaba…

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Anfragen an Alan Hirsch: Institution und Amt

Ich denke immer noch über Alans spannende Impulse nach. Hier sind noch ein paar Fragen:

Anti-institutionelle Thesen, wie sie ab und zu in der Debatte um überschaubare, einfache oder “organische” Gemeindestrukturen vorkommen, hier in der Kritik zum Stichwort “Christendom”, also dem Zeitalter institutionellen (Staats-)Kirchentums seit Konstantin, passen gar nicht so übel zum Zeitgeist. Und gegen Konstantin zu schießen ist seit Gottfried Arnolds Unparteiischer Kirchen- und Ketzerhistorie (1699) nicht unbedingt originell. Angriffsfläche bietet das Thema Kirche und Staat genug. Aber ab einem bestimmten Punkt, wenn Kirche ein Faktor des öffentlichen Lebens wird, muss man es wohl einfach mal regeln.
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Keltische Gebete

Der erste Teil der berühmten Sammlung Carmina Gadelica (1899 herausgegeben von Alexander Carmichael) ist online abrufbar. Zweisprachig! Das nützt den meisten von uns zwar nicht viel, aber trotzdem. Wer also auf der Suche nach Inspiration und bewährter Tradition ist, wird hier seine Freude haben. Hier eine Kostprobe:

DESIRES

May I speak each day according to Thy justice
Each day may I show Thy chastening, O God;
May I speak each day according to Thy wisdom,
Each day and night may I be at peace with Thee.

Each day may I count the causes of Thy mercy,
May I each day give heed to Thy laws;
Each day may I compose to Thee a song,
May I harp each day Thy praise, O God.

May I each day give love to Thee, Jesu,
Each night may I do the same;
Each day and night, dark and light,
May I laud Thy goodness to me, O God.

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Kongress Gemeindeinnovation

Donnerstag und Freitag war ich in Romanshorn zum Kongress Gemeindeinnovation. Alan Hirsch hatte ich ja schon gehört und zum Teil kommentiert, und werde das in Kürze noch fortsetzen. Mike Bischoff hat auf seinem Blog die wichtigsten Thesen zusammengefasst und ein paar Bilder sind auch dabei.

Besonders spannend waren die Gespräche und Begegnungen am Rande. Einen Mitschnitt der Podiumsdiskussion mit etlichen kontroversen Thesen hat Christoph Schalk online gestellt. Der Donnerstag Abend wurde von Kubik gestaltet und war ein willkommener Kontrast zum ganzen “strategischen” Denken zuvor (Daniel hat Bilder).

Ich habe einen Workshop über die Kelten gemacht und mich mal wieder gewundert, wie eine Bewegung so einschlagen konnte, die gar nicht richtig strategisch dachte, aber sich von der Liebe zu Gott und Gottes Liebe zur Welt einfach treiben ließ. Nicht dass ich jetzt eines gegen das andere ausspielen wollte. Vielleicht ist nur die Frage: Wessen Strategie?

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Nochmal: Betest du noch oder proklamierst du schon?

Mein Problem mit vielem, was da praktiziert wird, ist ein doppeltes: Selbst wenn man “Wort Gottes” und Bibel (bzw. Heilige Schrift) mal etwas simpel in eins setzt, ist es ja doch immer nur ein relativ willkürlicher Ausschnitt, der da in der Regel proklamiert wird. Weil es ein selektiver Ausschnitt ist, geht die Geschichte, die alles verbindet, dabei schnell verloren. “Wort Gottes” wird eklektisch atomisiert. Mit dem Kontext geht auch viel der eigentlichen Bedeutung und tieferer Inhalt verloren. Alan Hirsch sagte heute, die ersten Christen waren “people of the story, not people of the book”.

Zweitens, und das wiegt noch schwerer, wird hier Schrift und Wirklichkeit oft falsch bzw. überhaupt nicht verknüpft. Es ist ja Gottes Wirklichkeit und Gottes Welt, in der wir leben; Gottes Wort sollte uns diese Welt tiefer aufschließen und eine Sehhilfe sein, sein Wirken um uns her wahrzunehmen – auch und gerade in den schweren Zeiten. So aber entsteht eine Überlagerung und eine Verleugnung der Wirklichkeit. Leute bringen ihr tatsächliches Leben und Gottes Wort nicht zusammen, sondern es entsteht eine Spaltung der Realität, die sicher hier und da Auswirkungen hat (irgendwas wirkt und passiert also schon), aber die sind oft sehr gemischt.

Dallas Willard hat in Divine Conspiracy eine tolle Art entwickelt, Gott und unser Leben oder Himmel und Erde zusammen zu sehen und zu denken. Dann erklärt er auch, warum und wie beten die Wirklichkeit beeinflusst und warum Bitten und Antworten statt fordern und beanspruchen der Weg zur Veränderung sind.


“The Divine Conspiracy : Rediscovering Our Hidden Life In God” (Dallas Willard)

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