mafiöses Christentum?

Am Sonntag habe ich mich mit der Geschichte Jesu über die Winzer-Mafia beschäftigt. Die sizilianische Mafia ist ein brutales System von Ausbeutung und Schattenwirtschaft, ein von Seilschaften beherrschter Staat im Staate, der nicht vom Volk, sondern vom autoritären Paten kontrolliert wird, die ihre eigenen Gesetze machen. Und in Markus 12 steht der Missbrauch von Vertrauen und Privilegien in Zentrum. Die Jerusalemer Priester- und Schriftgelehrtenmafia reagiert auf die Kampfansage sofort und mit drastischen Mitteln.

Natürlich ist der Bezug in Jesu unmittelbare Situation vorherrschend. Und doch geht es um mehr als um einen historischen Rückblick. Paulus schreibt ja in 1.Korinther 10 davon, dass Israels Irrwege uns als Beispiel dienen sollten, aus dem wir lernen. Vielleicht kann man es daher so sagen: Mafiöses “Christentum”…

  • macht aus dem Evangelium ein Machtinstrument, das die eigene moralische, kulturelle oder geistliche Überlegenheit demonstriert.
    • hängt an seinen historischen Privilegien und ist primär darauf bedacht, sie zu sichern und zu verteidigen – Machterhalt wird zum mühsam verbrämten Selbstzweck.
    • fährt in Diskussionen und bei kritischen Auseinandersetzungen gern schwere Geschütze auf – macht also Druck, statt zu überzeugen und zu gewinnen.
    • sieht sich nicht auf einem Weg (wie die Boten im Gleichnis und alle echten Jesus-Nachfolger), sondern praktisch schon am Ziel.
    • ist gleichgültig gegenüber den Nöten und legitimen Ansprüchen anderer (un-barmherzig und un-gerecht).
    • dreht sich folglich auf der indivduellen und gemeinschaftlichen Ebene um die eigenen Bedürfnisse, das “Überleben”, oder besser: die Wahrung des Besitzstandes.
    • hat nichts zu verschenken: Kein Geld, keine Zeit, keine Aufmerksamkeit, kein Mitgefühl, keine Anerkennung.
    • ist damit der Versuch, im Reich Gottes einen “Staat im Staat” zu bilden – und damit noch ärgerlicher, als wenn man unsere unvollkommenen (aber notwendigen) staatlichen Strukturen umgeht.
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