Evangelisation: bitte mehr – und besser…

Neulich saß ich in einer Gesprächsrunde über christliches Engagement in der Gesellschaft. Mehrere Leute hatten Ideen und Wünsche, und ab und zu kam zwischen den Zeilen oder auch ganz explizit durch, dass man diese oder jene Sache nicht als „Evangelisation“ (meine Worte) verstanden wissen wollte. In dem Kontext dieses Gesprächs war das auch richtig: Freundschaften sind keine Mittel zum missionarischen Zweck, sonst sind sie keine echten Freundschaften. Dasselbe gilt für praktische Nächstenliebe und Diakonie in allen ihren Formen.

Trotzdem war ich am Ende sehr nachdenklich. Hat Evangelisation allgemein (also nicht einfach die peinlichen Karikaturen, die wir auch alle kennen und gerne vermeiden) bei diesen Überlegungen auf der Strecke, weil wir es gar nicht mehr wagen, uns zu wünschen (Karl Valentin lässt grüßen), dass Menschen zum Glauben finden? Keiner aus unserer Runde hat das so verstanden. Aber es ist nötig, dass wir neu bestimmen, was genau wir meinen.

Brian McLaren nennt in Finding Our Way Again vier Ansätze, Gottes Absichten mit uns zu verstehen:

A. Gott geht es darum, die Welt zu heilen. Er sucht dafür Mitarbeiter, die gesund sind (und nicht noch mehr Krankheiten verbreiten) und Krankenpfleger, die ihre Gesundheit nicht als Selbstzweck verstehen. Leider gibt es das nicht in Reinkultur, also fängt Gott mit Kranken an, die allmählich genesen, um dann anderen (und damit der Welt) zu besserer Gesundheit zu verhelfen.

B. Gott geht es primär darum, einzelne zu heilen. Je mehr einzelne sich heilen lassen, desto heiler wird auch die Welt

C. Gott interessiert sich nur für die Welt, einzelne sind ihm egal. Mein „Privatleben“ spielt keine Rolle, so lange ich mich nur für soziale Gerechtigkeit einsetze, je nach System oder Ideologie sieht das anders aus.

D. Gott geht es nur um einzelne, die Welt geht irgendwann bald zugrunde.

Die beiden letzten Standpunkte sind natürlich indiskutabel, kommen aber vor. Die Positionen A und B verbinden die Gegensätze von C und D, allerdings mit verschiedener Akzentuierung. A ist für mein Empfinden die bessere Lösung, weil es deutlich macht, dass Evangelisation und Diakonie, persönliche Transformation und Gesellschaftstransformation von Anfang an zusammen gehören.

Also brauchen wir Evangelisten, die Leute davon überzeugen, dass es auch für sie höchste Zeit ist, ein Teil der Lösung der Probleme unserer Welt zu werden, weil genesende Heiler gesucht werden und mehr als unsere eigene Kraft und unser wankelmütiger guter Wille nötig sein wird, um tatsächlich etwas zu bewegen und damit gute Nachricht zu sein. Dazu fehlt vielen die Hoffnung, dass ihr Beitrag mehr ist als nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Und wäre wir nur isolierte Individuen und hätten wir nicht Gott auf unserer Seite (besser noch: wir auf seiner Seite), dann wäre vielleicht wirklich der Fall. Die gute Nachricht ist also auch die: Du kannst etwas bewegen, zusammen mit Gott und vielen anderen. Lass Dir nichts anderes einreden!

Leute wie Nicky Gumbel und Bill Hybels haben diesen Ansatz längst übernommen. Nun müssen wir alle dafür sorgen, dass er sich auch überall an der Gemeindebasis und in der Verkündigung durchsetzt.

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