Mehr Fehler, bitte!

Ich hatte diese Woche ein Telefoninterview mit idea, das irgendwann demnächst im Druck erscheint. Eine Frage war, wie ich zu der Kritik an „der“ emerging church (die es selbstverständlich als einheitliche Größe gar nicht gibt) stehe, man könne den herkömmlichen Formen von Kirche kein schlüssiges neues Konzept entgegensetzen und stelle viele Fragen, ohne Antworten zu wissen.

Ich halte das für einen wichtigen Punkt in der Diskussion: Fragen kommen vor Antworten, gute Antworten findet nur der, der gute Fragen stellt, und oft genug braucht man Zeit und eine ganze Reihe von Fehlversuchen, um Lösungen zu finden. Wer versucht, diesen Prozess abzukürzen und meint, er könne es sich und anderen nicht zumuten, eine Weile lang auf wichtige Fragen keine Antworten mehr zu wissen (oder nur Bruchstücke zu haben), wird sich in der gegenwärtigen Situation schwer tun.

Google spuckt ganz unterschiedliche Zahlen aus, wenn es um Edisons Fehlversuche bei der Erfindung der Glühbirne geht – zwischen 250 und 9.000 auf den ersten drei Trefferseiten. Die Legendenbildung treibt offenbar ihre Blüten, es waren eben ziemlich viele. Natürlich verkraftet keine Gemeinde so viel Scheitern, aber es wäre ja schon ein Gewinn, wenn wir die Fehlertoleranz moderat anheben könnten. Was mir an der emerging conversation gefällt, ist die Freiheit, Sachen mal ins Unreine zu sagen, unkonventionelle Dinge möglichst unvoreingenommen zu betrachten und schließlich auf die Fähigkeit zur Selbstkritik, die man in dieser Intensität nicht in vielen Bewegungen findet. In diesem Netzwerk von Entwicklern lernt also einer aus den Fehlern des anderen, und zwar doppelt: Er vermeidet ähnliche Fehler – oder er entdeckt, dass Dinge, die an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit nicht passen, in einem anderen Kontext zum Renner werden können.

Natürlich kann man auf Nummer sicher gehen und die Microsoft-Strategie fahren: Lass andere riskante Innovationen entwickeln (Apple, Netscape, Sony, Google) und warte ab, um dann den Markt mit Imitaten zu fluten. Keine Frage, das kann auch funktionieren. Vielleicht aber hat Gerhard Scheucher doch Recht, wenn er im Spiegel sagt, und wir tun nicht nur unseren Gemeinden, sondern auch den Christen allgemein einen Gefallen, wenn wir etwas riskofreudiger werden:

… es sollte viel hemmungsloser gescheitert werden! Wir müssen es immer wieder zum Thema machen, eine kleine Scheiterrevolution vom Zaun brechen! Rückschläge sind doch Teil der Erfolgsgeschichte. Es gibt nicht nur den geraden Weg. In allen Lebenssituationen ist es so, dass der Weg zum Erfolg ein mühevoller mit vielen Rückschlägen ist. Der gelassene Umgang mit Unebenheiten im beruflichen Werdegang gehört eindeutig zu den Kompetenzen, die man im 21. Jahrhundert besitzen muss.

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Eine Antwort auf „Mehr Fehler, bitte!“

  1. Helmut Thielicke hat mal gesagt: „Was von einem Theologen bleibt sind die Fragen, die er gestellt hat, nicht die Antworten, die er gegeben hat.!“ Fragen zwingen zum Nachdenken Antworten laden zum Abschalten ein!

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