Wie viel entspannter man sich der Sache auch nähern kann, zeigt ein Bibeltext, über den ich diese Woch eher zufällig gestolpert bin: Im ersten Kapitel des Danielbuchs wird von jungen judäischen Exulanten erzählt, die auf den Dienst am babylonischen Königshof vorbereitet werden. Das Essen, das dort gereicht wird, erhalten sie auch selbst. Doch leider ist der Fleischanteil (und der Wein) nicht mit ihren jüdischen Reinheitsvorschriften in Einklang zu bringen. Sie bitten darum, auf das Fleisch verzichten zu dürfen:
Versuch’s doch mit deinen Knechten zehn Tage und lass uns Gemüse zu essen und Wasser zu trinken geben.
Daniel 1,12
Der Kämmerer ist besorgt, dass seine Schützlinge verwahrlost und abgemagert erscheinen könnten. Aber auf ein Experiment über zehn Tage lässt er sich ein. Am Ende schauen die Probanden besser und gesünder aus als alle anderen. So gut, dass sie dem König auffallen und sein Vertrauen gewinnen.
Die Botschaft damals war: Gott beschützt die Gerechten, die sein Gesetz halten. Treue zahlt sich aus. Wir heute können daraus lernen:
Fleisch (egal welches) zu essen ist kein Bestandteil göttlicher Schöpfungsordnung (wenn man mit dem Begriff überhaupt arbeiten will).
Wenn jemand aus Glaubens- und Gewissensgründen auf bestimmte Nahrungsmittel verzichtet, dann ist das zu respektieren und zu ermöglichen. Egal, ob es sich um Juden, Muslime oder konfessionslose Veganer handelt.
Bevor wir mit Kriegsgeschrei auf die prinzipielle Ebene gehen und dort unauflösliche Konflikte herbeiphantasieren, die nur durch Sieg der einen Partei und Niederlage der anderen zu lösen sind, könnten wir einfach mal pragmatisch experimentieren und schauen, was für Win-win-Lösungen möglich sind.
Was sagt die Bibel eigentlich über Bäume und Wald? Ist das eher so ein germanisches Ding, Gott, Geist und Bäume zusammenzubringen, oder wussten auch die Hebräer dazu schon etwas zu sagen?
Die Frage stellte sich mir im Blick auf den letzten Waldgottesdienst in Zabo. Zugleich ist eine ArboTheologie vielleicht auch ein Baustein für eine christliche Haltung zu all den ökologischen Aufgaben, vor denen unsere Zivilisation steht. Ich versuche mich mal an ein paar Thesen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und umfassende Geltung. Vielleicht wird ja irgendwann eine veritable Feld-Wald-und-Wiesen-Theologie draus. 🙂
Mitgeschöpfe
In der Alten Welt wussten die Menschen noch nicht, dass wir den Sauerstoff in der Luft den Pflanzen verdanken. Aber in Genesis 1,29 sagt der Schöpfer zu den Menschen: „Hiermit übergebe ich euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten. Euch sollen sie zur Nahrung dienen.“ In der Idealvorstellung, die dort beschrieben wird, leben Menschen von den Früchten, die auf Feldern und Bäumen wachsen: Getreide, Oliven, Datteln, Granatäpfel, Wein, Hülsenfrüchte und einiges mehr. Fleischkonsum ist da überhaupt nicht vorgesehen.
Insofern könnte man sogar sagen, dass das Verhältnis zu den Tieren (die bekommen alles „Kraut“ als Nahrung, obwohl die Schreiber natürlich wussten, dass ein Löwe kein Gras frisst) weniger wichtig und innig ist. Und prompt spielt ein (freilich ganz besonderer) Baum auch eine wichtige Rolle in der Begegnung mit der Stimme der Versuchung ein paar Kapitel später.
Bäume als Mitgeschöpfe sind dazu aufgerufen, in das Lob Gottes einzustimmen („Jubeln sollen alle Bäume des Waldes“- Ps 96,12). Auch das spricht dafür, dass sie mehr sind als nur ein Rohstoff.
Platzhalter
Der Unterschied zu den Germanen dürfte darin liegen, dass Bäume in der Bibel nie als Chiffre für Gott und das Göttliche dienen. Sie sind fest verwurzelt in der Sphäre des Geschöpflichen.
Immer wieder werden Menschen und menschliche Verhältnisse im Bild von Bäumen beschrieben: Der Gerechte aus Psalm 1 ist ein immergrüner Baum am Wasserlauf, beständig und voller Lebenskraft. Die jungen Männer etwa werden mit aufstrebenden Bäumen verglichen (Sirach 39,13; Psalm 144,12).
Das funktioniert auch im Negativen: In Richter 9 wählen die Bäume einen Herrscher aus ihren Reihen – die Karikatur des Königtums in Israel. Und bei Ezechiel (vgl. Kapitel 31) und Daniel (4,7ff) können Bäume zur Chiffre für Großkönige und ihre Reiche werden, beziehungsweise für deren drohenden Sturz. Dieses Motiv des Gerichts reicht bis in die Passionsgeschichte – da lässt Jesus als Zeichen desselben einen Feigenbaum verdorren.
Leidensgenossen
Menschen und Bäume leiden unter denselben Dingen: Dürre und Hitze, Sturm und Hagel, Krieg und Plünderung. Für letztere sind die Menschen verantwortlich.
Dass den Menschen, wie es in Psalm 8 heißt, „alles zu Füßen gelegt“ ist, bedeutet freilich nicht, dass es mit Füßen getreten werden darf. Das spiegelt sich auch in anderen, für uns freilich befremdlichen, Zusammenhängen wider. Deuteronomium 20,19 legt fest, dass sich Belagerungstruppen nicht am Baumbestand der belagerten Stadt vergreifen dürfen. Gegen Bäume soll kein Krieg geführt werden. Eine Strategie der verbrannten Erde wäre also ein Kriegsverbrechen. Ich denke unwillkürlich an Bolsonaros Plünderungsfeldzug gegen den Regenwald im Amazonasbecken. Seine pentekostalen Anhänger nehmen die Bibel offenbar nur sehr selektiv zur Kenntnis.
Freilich kam es auch damals regelmäßig vor, dass Wälder von Kriegs- oder Bautrupps gerodet wurden. Jesaja 10,34 spielt darauf an: „Und der dichte Wald wird mit dem Eisen umgehauen werden“. Wenn es den Bäumen ans Leder (oder besser: an die Rinde) geht, dann ist das auch für die Menschen bedrohlich.
Hoffnungsverstärker – die pfingstliche Dimension
In den Texten über die Rückkehr aus dem Exil taucht das Motiv der Neuschöpfung immer wieder auf. Und wieder spielen Bäume eine Rolle darin. Wenn die Verbannten zurückkehren, dann jubeln auch Bäume und Wälder:
Jauchzet, ihr Himmel, denn der Herr hat’s getan! Jubelt, ihr Tiefen der Erde! Ihr Berge, frohlocket mit Jauchzen, der Wald und alle Bäume darin! Denn der Herr hat Jakob erlöst und ist herrlich in Israel.
Berge und Hügel brechen bei eurem Anblick in Jubel aus, alle Bäume auf dem Feld klatschen Beifall.
Jes 44,23 und 55,12
Ausgesprochen pfingstlichen Charakter hat unter all diesen Aussagen Jesaja 32,15: „Wenn aber der Geist aus der Höhe über uns ausgegossen wird, dann wird die Wüste zum Garten und der Garten wird zu einem Wald.“ Mit anderen Worten: Gottes Geist hebt das Leben insgesamt auf ein neues Niveau: Aus Ödland wird Ackerland und aus Ackerland Wald. Der Wald ist höchste Stufe dieses künftigen „Upgrades“ an Fruchtbarkeit und Reichtum. Ein Reichtum, der allen zugute kommt und nicht, wie im Landgrabbing des Plünderungskapitalismus, nur wenigen Superreichen und deren Günstlingen.
An der Heilung der Welt haben die Bäume auch einen aktiven Anteil. In der großen Tempel-Vision des Ezechiel wachsen entlang des stetig anschwellenden Stromes aus Gottes Tempel Bäume, deren Blätter Heilkraft besitzen:
An beiden Ufern des Flusses wachsen alle Arten von Obstbäumen. Ihr Laub wird nicht welken und sie werden nie ohne Frucht sein. Jeden Monat tragen sie frische Früchte; denn das Wasser des Flusses kommt aus dem Heiligtum. Die Früchte werden als Speise und die Blätter als Heilmittel dienen.
Ezechiel 47,12
Ein Fazit
Das theologische Waldbaden ergibt also:
In der Bibel gibt es so etwas wie eine Solidarität der Geschöpfe. Und darin eine Verbundenheit zwischen Bäumen und Menschen, in denen die einen auf die anderen angewiesen sind: Die Menschen auf Bäume als Nahrungsquelle (und Holz als Werkstoff); die Bäume auf Menschen, die maßvoll und nachhaltig wirtschaften. Bäume sind ein Zeichen der Fürsorge des Schöpfers – man könnte womöglich von „Realsysmbolen“ sprechen, denn Gottes Fürsorge vermittelt sich durch die Atemluft und Nahrung, die sie spenden.
Wenn die Welt aus den Fugen gerät, leiden die Wälder ganz ähnlich wie die Menschen. An ihrem Zustand lässt sich also etwas ablesen über den Zustand der Welt ingesamt. Damit sind sie – als seufzende Kreatur, wie Paulus in Römer 8,22 sagt – ein Spiegel unserer Verhältnisse: Von Mensch und in Mitleidenschaft gezogener Natur und des sozialen Gleichgewichts unter den Menschen.
Bäume sind einbezogen in die Erlösung der Welt. Wir teilen mit ihnen auch Gottes Zukunft. In ihnen schlummert ein Potenzial, das noch nicht geweckt wurde. So wie in uns und der übrigen Schöpfung. Wenn Gott die Welt heilt, werden viele Bäume sprießen.
Insofern ist jeder Baum auch eine lebende Verheißung. Die Farbe der Hoffnung ist grün.
Angesichts des drohenden Klimakollaps und der anhaltenden Tatenlosigkeit und Selbstblockade der nationalen und globalen Politik steht für viele von uns auch die Frage im Raum, was wir als Kirchen und Christen beitragen.
Bei einer lokalen Aktion kam jüngst die Frage nach der Symbolik auf. Sollte man sich in der Gestaltung von Plakaten und Bannern an Motive von Fridays for Future oder Extinction Rebellion anlehnen, oder lieber auf biblische Motive wie die Arche oder den Regenbogen zurückgreifen? Letzteres war die Rückmeldung aus einem kirchlichen Gremium, die auf der Seite der (kirchlichen!) Aktivisten dann auch eher Befremden als Begeisterung hervorrief.
Ich finde das auch aus theologischer Perspektive völlig unpassend. Denn der Knackpunkt der aktuellen Misere ist ja genau der, dass wir die beruhigende Verheißung aus Genesis 8,22 im Anthropozän nicht mehr unbefangen und uneingeschränkt predigen können: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.
Für die Menschen der alten Welt war das Klima etwas Gottgegebenes, Unbeeinflussbares und Schicksalhaftes. Das hielt lange an, aber nun haben wir einfach zu massiv ins die Kreisläufe eingegriffen, als dass sie sich davon noch ohne unser aktives Zutun erholen könnten. Der ehemals so beständige Permafrost etwa zieht sich viel schneller als erwartet aus seinen Stammregionen zurück. Wenn es also eine Geschichte gibt, die wir nicht zitieren sollten, wenn wir von unserer Verantwortung für den Planeten reden, dann die vom Regenbogen.
Die Arche Noah zielt in der herkömmlichen kirchlichen Bildersprache meistens auf Kinder, die sich für den schwimmenden Zoo und Gottes Tierliebe begeistern. Oder sie steht für Kirche als etwas Schützendes und Bergendes. Ein Signal der Harmlosigkeit, um es mal zugespitzt zu sagen. In dieser verniedlichenen Funktion ist das Bild der Arche weit verbreitet und irgendwie auch verbraucht.
Immer schon hat es mich in den Wald gezogen. Grünkraft habe ich gespürt noch lange, bevor ich den Begriff der Hildegard von Bingen kannte. Wenn die Geräusche der Stadt und der Straßen in die Ferne rücken, nur noch die Vögel singen und der Wind rauscht, kommen mir die besten Gedanken. Und manchmal lehne ich mich ganz still an eine der großen Eichen oder Buchen und schließe die Augen. Ich gehe betrübt hinein und komme getröstet heraus. Oder besser: ich ging.
Dieses Jahr funktioniert das nicht mehr so richtig. Ich komme meist mit schwerem Herzen aus dem Wald zurück.
Im Herbst konnte man schon sehen, dass die Dürre ihren Tribut gefordert hat. Im Winter warfen ein paar Tage stürmisches Wetter hundert Jahre alte Fichten einfach um. Die Wurzeln konnten sie nicht mehr im Boden halten. Ein paar hundert Meter von unserem Haus klafft seither ein Loch im Wald, das größer ist als ein Fußballplatz. Als nach dem Winter wieder alles Grün wurde, war das auch längst nicht mehr alles. Ich kann mich nicht erinnern, jemals in meinem Leben so viele kranke und tote Bäume gesehen zu haben. Überall in der Region: Die Erlanger ereiferten sich im Frühjahr über die kranken Bäume an den Kellern. Und ganz Zabo redete sich die Köpfe heiß über den mächtig ramponierten Siedlerwald.
Der Waldzustandsbericht sollte doch besser wieder in „Waldschadensbericht“ umbenannt werden. In der aktuellsten Fassung sind die Schäden der letzten Monate noch gar nicht verzeichnet. Aber schon im vergangenen Jahr waren nur 28% der Waldbäume frei von sichtbaren Schäden, im Zeit-Bericht aus Thüringen lese ich von aktuell 19%. Buchen und Eschen sterben von den vertrockneten Wurzeln her.
Die Fieberkurve auf der Website von Robin Wood wird weiter ansteigen. Die Folgen liegen auf der Hand: „Je labiler die Wälder werden, desto geringer ist auch ihr Beitrag, die Klimaerwärmung zu begrenzen.“ Es geht ja nicht um ein bisschen grüne Kulisse zum Relaxen.
Geh aus mein Herz und suche Freud – das fällt schwer im Sommer 2019. Die reine Freude ist es nur noch sehr punktuell.
Ich gehe trotzdem in den Wald und denke an Joana Macys Active Hope. Dort spricht sie davon, dass auch der Schmerz über die Zerstörung einen Raum bekommen muss (Martin Horstmann hat das hier zusammengefasst). Es gibt die Verbindung zu unseren Mitgeschöpfen nicht nur über Empfindungen wie Schönheit, Freude und Dankbarkeit, sondern auch darüber, dem Schaden ins Auge zu sehen und den Kummer mitfühlend auszuhalten. Ohne dieses Aushalten gibt es keine rechte Transformation.
Und dann gehen mir biblische Aussagen über Bäume durch den Kopf: Die stolzen Zedern des Libanon, die „Bäume der Gerechtigkeit“. Wenn Gott seinen Geist ausgießt, sagt Jesaja, dann wird Wüste zu Ackerland und Ackerland zum Wald. Was für ein Upgrade der Botanik: Ein Wald, der jubelt und Bäume auf dem Feld, die in die Hände klatschen.
Aber das liegt in der Zukunft. Stoff für einen neuen Blogeintrag vielleicht. Und für Hoffnungsbilder, die ich dem neuen Waldsterben entgegenhalte, um die schmerzliche Gegenwart aushalten zu können.
Vor ein paar Wochen wollte ich eine alte Dame zum 90. Geburtstag besuchen. Ich suchte ihre Telefonnummer heraus und rief an, um einen Termin auszumachen. Kurz darauf klingelte mein Telefon. Die Jubilarin war dran. Ihr Tochter hatte sie gebeten, doch noch einmal zu überprüfen, ob das wirklich der Pfarrer war, der da angerufen hatte.
Zum Glück geben sich die Trickdiebe (noch?) nicht als Pfarrer aus. Aber die Frage bleibt, wie man sich vor solchen gerissenen, skrupellosen Betrügern schützen kann. Im Fall der Polizei ist es einfach: Die echten Beamten rufen nie mit der „110“ im Display an und sie holen nie Geld und Wertsachen ab.
Original oder Fälschung?
Die Frage, ob der „echt“ ist oder ein Betrüger, stellt sich auch im Blick auf Jesus. Die Meinungen der Zeitgenossen gingen erheblich auseinander. Eine Gruppe stand ihm ganz besonders kritisch gegenüber: die Schriftgelehrten. Sie verstanden sich als eine Art Aufsicht in religiösen Fragen – und damals war alles eine religiöse Frage, von den Speisen bis zu den Steuern. Immer wieder verlangten sie von Jesus, sich irgendwie auszuweisen – als einer von ihnen, als rechtgläubig (oder „bibeltreu“), als „echter“ Messias.
Fakt ist, dass es damals tatsächlich auch „falsche“ Messiasse gab: Judas der Galiläer, Menahem, Theudas zettelten im Namen Gottes Aufstände gegen die Besatzer an. Die Römer schlugen hart zurück. Wie Assad in Syrien, wie das Militär im sudanesischen Khartoum oder die Polizei in Moskau, die kürzlich 400 Demonstranten verhaftete.
Es stand also eine Menge auf dem Spiel. Jesus hat die Anfragen und Zweifel der Schriftgelehrten trotzdem ziemlich ungehalten kommentiert:
Ihr erforscht die Heiligen Schriften, weil ihr meint, durch sie das ewige Leben zu erhalten. Auch die sind meine Zeugen. Aber ihr wollt euch mir nicht anschließen, um das ewige Leben zu erhalten. Ich bin nicht darauf aus, dass Menschen mir Herrlichkeit zugestehen. Außerdem habe ich euch durchschaut: Ihr habt keine Liebe zu Gott in euch. Ich bin im Namen meines Vaters gekommen, und ihr lehnt mich ab. Wenn aber irgendjemand anderes in seinem eigenen Namen kommt – den nehmt ihr auf. Wie könnt ihr denn zum Glauben kommen? Es geht euch doch nur darum, dass einer dem anderen Herrlichkeit zugesteht! Aber nach der Herrlichkeit, die der einzige Gott schenkt, strebt ihr nicht. Ihr braucht nicht zu denken, dass ich euch vor dem Vater anklagen werde. Es ist vielmehr Mose, der euch anklagt – Mose, auf den ihr eure Hoffnung gesetzt habt. Denn wenn ihr Mose wirklich glauben würdet, dann würdet ihr auch mir glauben. Denn er weist in der Heiligen Schrift auf mich hin. Wenn ihr schon seinen Schriften nicht glaubt, wie wollt ihr dann meinen Worten glauben?«
Wie kam das wohl an? Ich stelle mir vor, dass ein paar Tage später ein offener Brief in der Jerusalem Post erschien. So ähnlich könnte er gelautet haben:
Sehr geehrter „Kollege“ Jeschua Ben Josef,
mit Befremden haben wir Ihre jüngsten Anschuldigungen und Unterstellungen aus der Mitschrift eines gewissen Johannes zur Kenntnis genommen. Sie konfrontieren uns darin mit dem schwerwiegenden Vorwurf des Unglaubens und unterstellen uns ein defizitäres Verständnis der Heiligen Schriften. Wir weisen das mit aller Entschiedenheit zurück. Desgleichen weisen wir Ihren Anspruch zurück, über uns Schriftgelehrte ein solches Urteil aussprechen zu können. So lassen wir uns als anerkannte Fachleute nicht abkanzeln. Ihre eigenwillige Interpretation des göttlichen Willens fällt dadurch auf, dass Sie sich selbst stets in dem Mittelpunkt rücken. Diese Verengung und Personalisierung erscheint uns unangemessen. Niemand kann sich heute ernsthaft mit dem unvergleichlichen Mose auf eine Stufe stellen wollen. Die Dreistigkeit, mit der Sie sich als Sprachrohr Gottes ausgeben, erscheint uns überzogen und hochgradig manipulativ. Möglicherweise liegt der Grund dafür in ihrer unzureichenden theologischen Ausbildung: Ihr letzter längerer Aufenthalt im Tempel liegt schon Jahre zurück. Sie waren damals erst Zwölf. Über eine längere Lehrzeit bei einem anerkannten Rabbi ist nichts bekannt. Auch an einschlägigen Auffrischungs- und Fortbildungsmodulen haben Sie nicht teilgenommen. Dabei fanden etliche davon sogar in ihrer galiläischen Heimat statt. Um das Gespräch auf einem sachlich angemessenen Niveau zu führen, sind aus unserer Sicht zwei Bedingungen zu erfüllen: Legen Sie erstens einen anerkannten Studienabschluss vor und machen Sie zweitens deutlich, dass Ihre Ausführungen auch nur eine Lehrmeinung unter und neben anderen enthalten. Bis dahin bitten wir Sie höflichst, die Fragen nach Gottes Reich in der Welt und der Zukunft der Menschen bewährten und fachkundigen Personen zu überlassen.
Hochachtungsvoll, die Innung der Schriftgelehrten
Die Situation erinnert ein bisschen an die unbeholfenen, pikierten Reaktionen aus den Reihen von CDU/CSU auf das Youtube-Video von Rezo: Wer ist der? Darf der sowas sagen? Da könnte ja jeder…! Der soll doch erst mal…!
Wenn Gott seinen Leuten entwischt
Jesus verweist auf die Heiligen Schriften, seine Kritiker auch. Eben dort gibt es allerdings zwei unterschiedliche Traditionen, die in erheblicher Spannung zu einander stehen: Die prophetisch-machtkritische mit dem freien Gott auf der Seite der Leidenden – und die königlich-priesterliche Tradition, die Gott auf der Seite der Hierarchie sieht und ihn schnell mal für die eigenen Interessen vereinnahmt.
Der Konflikt zwischen beiden begegnet uns bei Jeremia, der sich als einzelner Mahner und Warner gegen Macht und Mehrheit stellt. Jeremia prangert in der heutigen Lesung aus dem Ersten Testament trügerische Beschwichtigungen an, die jegliches Umdenken blockieren: Falsche Propheten predigen nichts als Wunschdenken und egozentrische Träume. Das priesterliche Lager verkleidet sich als prophetisch. Gott bleibt weiterhin das Maskottchen eigener Pläne. Mit anderen Worten: Er wird zum Götzen.
Gott wäre aber nicht Gott, wenn er nicht Wege hätte, diesem Käfig der Monopolisierung zu entkommen. Er ist nicht nur der Nahe, Zahme und Vertraute, sondern manchmal eben auch der Fremde, Ferne und Verstörende. Nun läuft er frei auf der Straße herum und heilt einen Kranken. Wir lesen davon am Beginn des 5. Kapitels des Johannesevangeliums – ich komme gleich darauf zurück. Und er sagt dabei auch noch unpopuläre Sachen.
Profis unter sich?
Wir würden alle gern weitermachen wie bisher: In der Kirche, in der Politik, in der Wirtschaft, in der Gesellschaft. Wir tun uns alle schwer, auf Stimmen zu hören, die uns das Gegenteil sagen. Das ist einfach nicht sehr sympathisch. Wir würden uns gern gegen ungebetene Kritik isolieren. Und genau damit laufen wir Gefahr, Gottes aktuelles Reden zu verpassen, wenn wir ihn nur noch drinnen bei uns sehen und nicht mehr draußen bei den anderen.
Wo wir allerdings immer schon „wissen“, dass wir alles richtig machen, hören wir auch nur auf die, die uns das bestätigen. Bei allen anderen suchen wir, auch mit Hilfe der Bibel, nach Fehlern, um ihnen nicht zuhören zu müssen. Und wir bestätigen uns gegenseitig darin, dass wir im Recht sind. Das ist das, was Jesus meint, wenn er sagt, dass da Leute „Ehre von einander“ annehmen. Mit der Zeit wird es in solchen Gruppen, die sich ständig selbst rechtfertigen, undenkbar, noch einen anderen Standpunkt einzunehmen.
Solche Organsationen gibt es ja, in denen ein geschlossener Zirkel alles dominiert und nur seinesgleichen duldet. Aufsichtsräte, Machtkartelle, Seilschaften, und Hierarchien, die sich gegenseitig legitimieren und Störungen verhindern: „Überlasst das den Profis“. Dann reicht zur Beglaubigung auch der eigene Name oder Titel. Den erwirbt man sich durch Anpassung an die etablierte Ordnung. Und man bekommt die Achtung, so lange man nicht aus der Reihe tanzt. Der unvermeidliche Preis: wachsende Betriebsblindheit.
Hierarchien hacken
Der ganze Streit entbrennt, weil Jesus einen Kranken heilt, der keine Chance hatte, den Wettlauf um Heilung am Teich Bethesda zu gewinnen. Wenn sich das Wasser kräuselte, wurde (so sagte man) derjenige von Engelhand geheilt, der als erster im Wasser war. Aber die Schwachen und Langsamen, die besonders Bedürftigen also, hatten keine Chance. Was für eine Ungerechtigkeit! Und da soll Gott dahinter stecken?
Jesus ignoriert die Hausordnung an diesem heiligen Ort einfach. Er hilft dem Kranken nicht ins Wasser, sondern heilt ihn vom Fleck weg: „Nimm deine Matte und geh!“ Und dann trägt der Mann seine Matte nach Hause – freilich am Sabbat. In den Augen der Glaubenswächter ist das verbotene Arbeit. Und Jesus der Anstifter zum Gesetzesbruch. Wer sowas tut, kann auf gar keinen Fall ein Prophet sein…
Original oder Fälschung? Biblische Kriterien in der Frage, wo Gott am Werk ist, wären, wie die Heilung am Teich Bethesda zeigt, zum Beispiel solche eminent theologischen Fragen:
Wo regt sich neues Leben?
Wo kommen Menschen wieder auf die Beine?
Wo stehen sie auf für Veränderung?
Wo wird Ausweglosigkeit, Abstumpfung und Resignation überwunden?
Was bringt Menschen zum Staunen, Jubeln und Danken?
Der Evangelist Johannes zeichnet Jesus schon im Licht der Auferstehung. Nirgendwo zeigt sich deutlicher als an Ostern, dass Gott sich zu hundert Prozent zu Jesus stellt. Aber diese enge Verbindung blitzt schon vorösterlich immer wieder einmal auf. Insofern sehen wir nachösterlichen Betrachter leichter als die Schriftgelehrten damals, was jene übersehen. Wenn es nämlich Gott ist, der da mit und durch Jesus handelt, dann darf er auch die Regeln verändern. Zumal menschliche Regeln wie die Ausführungsbestimmungen zum Sabbat. Oder Kirchenordnungen, die sich überlebt haben. Oder die traditionellen Geschlechterverhältnisse. Oder Dogmatismus und Kontrollbedürfnisse.
Neu sehen lernen
Die Schriftgelehrten in dieser Episode sind nicht mehr empfänglich für andere Sichtweisen. Die Botschaft Jesu prallt förmlich an ihnen ab. Das ist weniger ein theologisches als vielmehr ein spirituelles Problem.
Rowan Williams, der frühere Erzbischof von Canterbury, sagte jüngst: „Unser Problem ist, dass wir in einem gesellschaftlichen und kulturellem Umfeld leben, in dem ein falsches Verhältnis zur Wirklichkeit systematisch verbreitet und belohnt wird. Am extremsten ist das Ausmaß dieser Verleugnung der Realität da, wo wir uns weigern, uns der Krise unserer Umwelt zu stellen.“ Und er fährt fort:
Spirituelles Wohlbefinden dreht sich, wie andere Arten von Gesundheit, um lebensfördernde Beziehungen (…) Spirituelles Wohlbefinden hat damit zu tun, jene Kontexte zu finden, jene Disziplinen, die in der Lage sind, es mit den Phantasien und Mythen aufzunehmen, die uns aufgedrückt werden. (…) Das geistliche Leben hat mit einem Bildersturm zu tun – darauf zu achten, dass wir unseren Phantasien gegenüber kritisch bleiben, damit unser Sehen letztlich frei bleibt von Zwang, Machthunger oder Gier.
Rowan Williams
Immer wieder machen uns Menschen auf diese Verleugnung der Wirklichkeit und unsere persönliche wie gemeinschaftliche Verantwortung aufmerksam. Letzte Woche hat der Kirchentag erneut eindringlich an die Krise der Seenotrettung im Mittelmeer erinnert. Gleich um die Ecke in Aachen haben „Fridays For Future“ und „Ende Gelände“ zusammen demonstriert. Da ist einerseits Hartnäckigkeit gefragt, andererseits reagieren viele erst einmal ärgerlich und genervt. Sind das Feinde der hergebrachten Ordnung, wie manche behaupten? Oder Vorboten einer anderen, menschenfreundlichen Ordnung?
Auf welcher Seite würde der Jesus vom Teich Bethesda wohl stehen? Diese Frage zu beantworten heißt freilich, sich im nächsten Schritt zu fragen: Und wo stehe ich? Wo stehen wir? Wie halten wir einander diesen Raum des Umdenkens und der Neuorientierung offen, den Jesus in diese Welt gebracht hat?
Beitrag zum Lorenzer Kommentargottesdienst vom 26. Mai 2019
(Die Wahl lief noch, als der Kommentargottesdienst mit OB Dr. Maly gestern stattfand. Die Ergebnisse sind hier also nicht berücksichtigt. Die Grundentscheidungen haben sich allerdings auch nicht geändert über Nacht. Hier also mein Text zum Nachlesen)
Der frühere britische Großrabbiner Rabbi Sacks erzählte vor einigen Monaten davon, wie er einen amerikanischen Freund fragte: „Wie ging es dir am Tag der Wahl von Donald Trump?“ Der antwortete sarkastisch: „Wie dem Mann, der an Bord der Titanic in sein Whiskyglas starrt und sagt: »Ich hatte zwar um Eis gebeten, aber das…«“
Was bringt uns diese Wahl: Europe on the Rocks? Bleiben wir noch einen Augenblick bei den Briten: Jener Nation, die seit gut zwei Jahren für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt hat und seither Zaungast ist – mit einer Hinterbacke schon draußen und der anderen noch drin. Nirgendwo sonst ist das Thema der EU-Mitgliedschaft so schrill diskutiert worden wie auf der Insel. Noch immer kann niemand sagen, wie die Entscheidung endgültig ausfällt. Der Blick vom Rand der EU (und womöglich des Abgrundes der Isolation) eröffnet vielleicht eine Perspektive, die manches klarer hervortreten lässt. Der Historiker Timothy Garton Ash hat kürzlich im „Guardian“ erklärt, wie „Europa“ (gemeint ist die EU) an den Punkt gekommen ist, an dem wir heute stehen.
Das ist die List der Geschichte: Die Saat des Triumphes wurde im Augenblick der größten Katastrophe ausgestreut, 1939, aber die Saat der Krise im Augenblick des Triumphes, 1989. Im Rückblick können wir erkennen, dass viele der Probleme, die Europa heute heimsuchen, ihren Ursprung in der anscheinend triumphalen Wende nach dem Fall der Berliner Mauer haben. Ein paar Menschen mit Weitblick warnten damals. Der französische politische Philosoph Pierre Hassner schrieb, dass wir uns just in dem Augenblick, in dem wir den Triumph der Freiheit feiern, daran erinnern sollten, dass „die Menschheit nicht von Freiheit [„liberty“!] und Universalität allein lebt, dass das Bestreben, das zu Nationalismus und Sozialismus führte, die Sehnsucht nach Gemeinschaft und Identität und die Sehnsucht nach Solidarität und Gleichheit, zurückkehren werden, so wie sie das immer getan haben“. Und genauso kam es.
Achtzig Jahre nach Kriegsbeginn und dreißig Jahre nach dem Ende des kalten Krieges steht Europa 2019 wieder am Scheideweg. Das Gefälle zwischen Nord und Süd, West und Ost droht zur Kluft zu werden. Der Rechtspopulismus profitiert von diesem Riss und hat an vielen Orten gefährliche Ausmaße erreicht. Das Eigene wird überhöht und verklärt, das Fremde dämonisiert, Dialog durch Propaganda erstickt. Ihre Wortführer sind Unschuldslämmer und Racheengel in einer Person. Die Mächtigen in Washington, Moskau und Peking nutzen indes die Schwäche und Uneinigkeit aus, um in Europa eigene Interessen durchzusetzen. Welche gute Nachricht haben Christen in dieser schwierigen Lage anzubieten?
„Komm herüber und hilf uns“
Mit diesem Satz wird Europa in der Bibel eingeführt, ohne dass der Begriff jemals fällt. Es ist der „mazedonische Ruf“, der den Apostel Paulus in der Apostelgeschichte durch eine nächtliche Vision ereilt. Er kommt aus einer Region Europas, in der sich heute viele Krisensymptome zeigen: Die Balkanroute mit ihren Grenzzäunen und Elendslagern, wo Frontex patroulliert, wo seit der Finanzkrise verarmte Griechen und noch viel ärmere Nordmazedonier sich mit ihrem Nationalstolz überbieten. Am anderen Ende der EU, von Britannien aus betrachtet.
Damals, Mitte des ersten Jahrhunderts, landeten dort keine Flüchtlingsboote. Aber in Philippi, einer römischen Militärkolonie, entstand die erste christliche Gemeinde in Europa. Ihre Patronin war – auch das ein Novum – eine Frau. Der neue Glaube kam – wie die Europa der griechischen Mythologie – aus Vorderasien, und nun war er dem Machtzentrum des Imperiums einen Schritt näher gekommen.
Vielleicht ist es daher kein Zufall, dass Paulus im Brief an die Philipper gerade die Demut, Gewaltfreiheit und Niedrigkeit Christi, des designierten Weltenherrschers, so in den Mittelpunkt stellt. Es war keine Invasion, sondern ein sanftes Einsickern. Eine alternative Gemeinschaft war entstanden. Und nach dem Prinzip des Sauerteigs breitete sie sich aus. Unter den Augen der misstrauischen Obrigkeit, die schon den Gründer beim ersten Anlass ins Gefängnis geworfen hatte. Man kann hier durchaus eine Gegenerzählung zum Imperialismus der Römer entdecken. Oder zur „Imperialen Lebensweise“ des globalen Kapitalismus, der Ausbeutung von Mensch und Natur durch den globalen Norden zu Lasten des Südens, die uns das Zeitalter des „Kapitalozän“ beschert hat.
„Komm herüber und hilf uns!“ – lässt sich daran im Jahr 2019 noch irgendwie anknüpfen im weithin postchristlichen Europa?
Nach 1939 (und erst recht nach 1945) waren es die Amerikaner, die herüber kamen und halfen: Entnazifizierung, Marshallplan, liberale Demokratie, militärische und politische Kooperation in Nato und UN. Das öffnete die Tür für die Aussöhnung mit Frankreich und die Gründung der EU.
1989 kam die Hilfe aus Moskau, das seine Satellitenstaaten aufgab und sich friedlich aus Mitteleuropa zurückzog, statt auf Demonstranten in Danzig oder Leipzig einprügeln und schießen zu lassen.
2019 regieren Donald Trump und Wladimir Putin. Beide haben hinreichend unter Beweis gestellt, dass von ihnen keine Hilfe zu erwarten ist. Woher dann? Von innen? Von außen? Von oben?
Hilfe ist unterwegs
Nun, vielleicht kommt die Hilfe gerade von unten. Von der Erde. Aus dem Boden, der Atmosphäre, der dünnen „kritischen Zone“ auf der Oberfläche unseres Planeten. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit greift die Erde in unsere Pläne und Diskussionen ein. Sie ist nicht nur duldsames Material und passive Kulisse, sondern ein eigenständiger Akteur. Bühne und Kulissen erweisen sich als unerwartet lebendig und mischen sich ein in das Stück, das wir aufführen. Unsere objektivierenden Vorstellungen von „Natur“ und „Umwelt“ geben das nicht angemessen wieder. So hat es Bruno Latour, Winzersohn aus dem burgundischen Beaune und leidenschaftlicher Europäer, in seinem „Terrestrischen Manifest“ formuliert.
In religiöse Sprache übersetzt lautet die Botschaft der Erde: „Tut Buße. Ändert eure Lebensweise. Ihr könnt nicht weitermachen wie bisher.“ Alle gemeinsam leben wir über die Verhältnisse unseres Planeten. Die Reichen und Mächtigen entziehen den Armen dabei inzwischen buchstäblich die Luft zum Atmen und den Boden unter den Füßen. So kann es nicht weitergehen. Greta Thunberg und die Jugendlichen von „Fridays for Future“, unterstützt von Eltern und Wissenschaftler*innen, haben daraus die Konsequenzen gezogen. Aber es ist nicht einfach nur so, dass wir den Planeten retten müssen, er hat auch das Potenzial, uns zu retten aus unseren Sackgassen und internen Konflikten. Ulrich Beck hat das kurz vor seinem Tod ganz ähnlich beschrieben: Es geht um eine Metamorphose der Welt.
Schon die Urchristenheit konnte sich der Erde als Verbündete vorstellen. Warum dann nicht wir, bei allem, was wir heute über unsere Verbundenheit mit unseren Mitgeschöpfen wissen? Die von Paulus gepriesene Demut heißt im Lateinischen humilitas. Da steckt humus, Erdboden, drin.
Den Umbruch meistern
Wenn Europa sich neu finden und erfinden will, dann wäre das die Achse, an der alles andere auszurichten ist. All die anderen Gegensätze und Polaritäten sind von da aus neu zu bedenken und zu bewerten: Links und Rechts in der Politik, das Globale und das Lokale in Kultur und Identität, das Progressive und das Reaktionäre in der Gesellschaft.
So wie Europa seit dem 19. Jahrhundert Antworten auf die soziale Frage gegeben hat, wie es im 20. Jahrhundert totalitäre Systeme und Nationalismen überwunden hat, so hat wird ihm jetzt die Bewältigung der geosozialen Probleme der Klimakrise und des Artensterbens zugemutet.
Europa hat die Chance, der Welt ein Beispiel zu geben, wie dieser epochale Umbau in Kooperation geschehen kann statt in Konkurrenz. Wie Erdverbundenheit ohne Abschottung oder Zerschlagung der Weltordnung möglich ist, Fortschritt und Wandel ohne Entwurzelung und Entwertung des Gewachsenen. Dabei nutzen ihm auch seine vermeintlichen Schwächen. Latour schreibt:
Durch eine unglaubliche Bastelarbeit ist es der Europäischen Union gelungen, auf vielfache Weise die Überlappung, Überlagerung, den overlap der verschiedenen nationalen Interessen zu materialisieren. Mit ihrem vielfältig verzahnten Regelwerk, das die Komplexität eines Ökosystems erreicht, weist sie den Weg. Genau diese Art Erfahrung ist gefragt, wenn wir den alle Grenzen überwindenden Klimawandel in Angriff nehmen wollen.
Das terrestrische Manifest S. 116
Zurück zur Seefahrt. Vielleicht kennen Sie den Witz über einen Offizier der kanadischen Küstenwache, der einen herannahenden US-Marineverband über Funk aufforderte, den Kurs 15 Grad nach Süden zu ändern.
Der Kapitän der Amerikaner lehnte ab und forderte seinerseits das Gegenüber auf, 15 Grad nördlich abzudrehen. Der Kanadier blieb unbeirrt und forderte erneut 15 Grad Kurskorrektur.
Dem Kapitän des US-Flugzeugträgers platzte der Kragen. Er verwies auf Größe und Anzahl seiner Schiffe und deren Feuerkraft und drohte mit Konsequenzen.
Der Kanadier antwortete nur: „Dies ist ein Leuchtturm. Sie sind dran.“
Die Erde ist unser Leuchtturm. Sie weist uns den Weg, aber sie beugt sich nicht unseren Wünschen und Befehlen. Man muss kein Christ sein, um dieses Zeichen zu verstehen. Aber viele Christen würden sagen: Der Turm steht nicht zufällig da. Gott hat das so eingerichtet, weil er das Leben und die Menschen liebt.
Und diesen ebenso wunderlichen wie wunderbaren, kriselnden Kontinent.
Mitten in der Offenbarung des Johannes erscheint eine namenlose Frauengestalt, die unter Gefahren ein Kind zu Welt bringt und schließlich vor dem Drachen fliehen muss, der dort wütet. Es ist eine surreale Szene. Der Drache speit ihr einen Wasserschwall hinterher, aber dann schluckt die Erde das Wasser einfach weg und rettet so die Frau.
Dagegen steht der Drache für alles, was aktuell unter „toxischer Männlichkeit“ thematisiert wird: Aggression, Ausbeutung, Dominanz, Dogmatismus, Unterwerfung. Der Drache erbricht eine Flut von Hass gegen die Frau. Ich finde, es trifft die Situation hier und heute wirklich gut, wenn man betrachtet, wie junge Frauen wie Greta Thunberg von den Alpha-Fachmännern entweder mundtot gemacht oder gleich mit Vernichtung bedroht werden. Auf der re;publica wurde letzte Woche in vielen Foren diskutiert, wie diese Flut zu stoppen wäre.
Es sind sicher nicht ausschließlich Männer, die das betreiben, aber eben vorwiegend. Und die Wurzeln der Klimakatastrophe liegen in einer typisch „männlichen“ Lebensweise, die Fleischverzehr und Verbrennungsmotoren für identitätsstiftend hält. Das haben ja auch Ulrich Brand und Markus Wissen in „Imperiale Lebensweise“ deutlich gemacht. Diese Lebenseinstellung hinterlässt überall verbrannte Erde. Und Eltern, die mit ihren Kindern vor steigendem Meeresspiegel und sich stetig verschärfenden Naturkatastrophen fliehen müssen.
Die Allianz zwischen der Frau und der Erde ist ein schönes Bild für eine solidarische Lebenweise – das Gegenstück zum imperialen Modus der Existenz.
Wenn wir also heute als Christ*innen und Kirchen fragen, wo unser Platz in diesen Auseinandersetzungen ist, dann legt uns diese Vision nahe, ihn an der Seite all der Frauen (und Kinder) zu finden, die den Großteil der Kosten für die imperiale Lebensweise tragen. Und an der Seite der Erde, die sich gegen den patriarchalen Kapitalismus aufbäumt.
Solche Bündnisse gilt es zu schmieden und zu stärken, zum Beispiel beim Earth Day, der 2020 zum 50. Mal stattfindet. Überall, wo Männerbünde in Politik, Wirtschaft und Kirche dominieren, ist – um Himmels willen – Wachsamkeit und Widerstand angesagt.
Ich habe kürzlich in kleiner Runde den Vorschlag gemacht, etwas Ähnliches in Nürnberg auszuprobieren. Zu meiner Überraschung bekam ich zu hören: Fahrräder können wir nicht segnen, nur Fahrradfahrer*innen. Dinge zu segnen sei doch unevangelisch. Am Ende würde jemand auch wieder Fahnen und Waffen segnen wollen.
Klar, ich kenne das Argument: Wir segnen nicht die Sparkassenfiliale, die eingeweiht (!) wird, sondern die Mitarbeiter*innen dort. Und so weiter.
Andererseits geht für mein Empfinden etwas Entscheidendes verloren, wenn ich einfach nur die Leute segne. Und zwar deshalb, weil ich sie nicht aufspalten kann in ihre unterschiedlichen Rollen. „Radfahrer“ ist ja nur ein Aspekt unter vielen, wenn es um die ganze Person geht. Und in der Regel nicht einmal der Entscheidende.
In der Segnung der Fahrräder aber geht es aber genau darum, eine bestimmte Art der Fortbewegung zu fördern und zu stärken. Eine bestimmte Haltung gegenüber der Mitwelt und den Mitmenschen. Wer sich mit Muskelkraft fortbewegt statt mit dem SUV durch die Gegend zu brettern, schont einerseits die Ressourcen. Andererseits macht man sich damit auch verletzbar: Es besteht die Gefahr, von anderen über den Haufen gefahren zu werden. Das Symbol für all diese Zusammenhänge ist der Helm, das Rad, der Roller, Rollator, Rollstuhl, Skateboard, oder was sonst noch Räder hat.
Dualismus oder Symbol?
Unser neuzeitlicher Dualismus von Geist und Materie kommt uns hier leicht in die Quere. Entweder segne ich einen Gegenstand oder eine Person, das Rad oder die Fahrerin.
Aber wie im Abendmahl auch ist ein Gegenstand nicht immer einfach nur ein Gegenstand. Er kann auch Symbol sein. Brot und Wein sind Symbole der Tischgemeinschaft unter Menschen und der Gastmahle Jesu. Im Abschiedspassa vergegenwärtigt Jesus den Auszug aus Ägypten, seinen Tod am folgenden Tag und das Mahl der Erlösten auf dem Zion aus Jesaja 25. Und damit gibt er diesem Abschied (und unserer Erinnerung daran) seine spezifische Bedeutung.
Ich bemühe die lutherischen Formel „in, mit und unter“ nicht so oft. Aber so stelle ich mir die Segnung der Fahrräder vor: Menschen kommen zusammen, verbunden in ihrer Verwundbarkeit als Verkehrsteilnehmer und ihrer Absicht, achtsam mit den Mitgeschöpfen umzugehen. Dazu bringen sie ihren fahrbaren Untersatz mit. „Drahtesel“ können zwar nicht sprechen wie Bileams Eselin, aber natürlich ist das eine Geste, eine stumme Aussage, wenn ich mit Rad und Helm erscheine. In, mit und unter Menschen, Helmen, Rädern, guten Vorsätzen und mitunter traumatischen Erfahrungen suchen wir Gott. Und wenn dabei symbolisch (und das heißt: nicht magisch) auch die Räder gesegnet werden, haftet an ihnen die Erinnerung an Gott, dessen Schutz wir suchen und dessen Liebe uns verpflichtet.
Zeichen setzen
Ein sakraler Raum ist seltsamerweise für die meisten von uns kein befremdlicher Gedanke. Manchmal gehen wir auch an symbolträchtige Orte und feiern dort einen Gottesdienst. Oft wollen wir damit auch atmosphärisch etwas bewirken, indem wir Zeichen setzen. Das Fahrrad und der Helm (und in verschärfter Form das Ghostbike) sind nichts anderes als mobile Zeichen – Mahnmale und Mutmacher. Wir kleben keine Christophorusplaketten drauf, aber wir machen ein Kreuz aus ein paar Tropfen Öl. Obwohl das bald wieder verschwunden ist – eine flüchtige Angelegenheit.
Nennt mich meinetwegen katholisch – ich würde es gern machen. Ich würde (in dem hier beschriebenen Sinne) auch Rettungswagen segnen, Seenotkreuzer und Blauhelme. Um Gottes und der Menschen willen. Das sind nicht einfach nur irgendwelche Dinge.
Die Begeisterung für Männergruppen und Männerarbeit hat bei mir nie gezündet. Ich fühle mich unter Männern wohl, aber ich bin da auch nicht mehr ich selbst als sonst. Ich bin recht gut ohne Initiationsriten durchs Leben gekommen (auch wenn mir jetzt vermutlich gleich ein paar Leser beweisen wollen, dass mir Substanzielles für meine Identität entgangen ist und ich das bloß nicht erkenne oder wahrhaben will). Macho-Christen wie Mark Driscoll und klischeeverhaftete Bücher wie die von John Eldredge fand ich immer ausgesprochen peinlich.
Diese Woche habe ich zum ersten Mal begriffen, warum wir uns tatsächlich dringend um Männer kümmern müssen. Ulrich Brand und Markus Wissen beschreiben in ihrem Buch „Imperiale Lebensweise“ sehr zutreffend, dass sich unser aktuelles Krisen-Konglomerat aus Klimawandel, Ressourcenextraktion, Externaliserung der ökologischen und sozialen Kosten, und einer Tendenz zu autoritären und hierarchischen Formen der Machtausübung tief in die Geschlechterverhältnisse eingeschrieben hat. Immer noch verrichten Frauen weit mehr unbezahlte Sorgearbeit oder schlecht bezahlte ungelernte Tätigkeiten. Und Männer haben im Schnitt nicht nur marginal größere Füße, sondern mit ihrer Liebe zu Verbrennungsmotoren oder ihrem deutlich höheren Fleischkonsum einen wesentlich höheren ökologischen Fußabdruck als Frauen: „Der andro- und eurozentrische Lebensentwurf einer hegemonialen Männlichkeit ist integraler Bestandteil der imperialen Lebensweise.“ (S. 54)
Also lasst uns all die Sachen machen, die Männer toll finden…
… Moment, stop, nein:
Lasst uns Sachen finden, die Männer gern tun, ohne dabei gleichzeitig anderen die Folgekosten für den Spaß aufzubürden. Ohne Diesel und Dry Aged Beef. Und währenddessen reden wir dann von Mann zu Mann darüber, wie wir die Verantwortung dafür übernehmen können, dass künftige Generationen auf dieser Erde in Frieden leben. Über den Mut zu anderen Lebensentwürfen als dem androzentrischen und imperialen.
So könnte ein Schuh draus werden. Und wenn Frauen gelegentlich dabei wären, wäre das kein Problem.
Wir begegnen Tom (in Wirklichkeit heißt er anders) und seinem Freund Bill. Sie waren bis spät in der Nacht fischen – ohne Erfolg. Die Müdigkeit sieht man ihnen noch an. Dennoch ist es für beide ein willkommener Ausgleich zum stressigen Beruf. Tom sagt das immer wieder, wie gut die relative Ruhe der Highlands ihm tut und wie verrückt unser Lebensstil doch ist.
Wir erzählen von unseren jeweiligen Lieblingsorten, dann von unseren Berufen. Tom arbeitet in einem landwirtschaftlichen Großbetrieb in Osteuropa. Investoren haben dort vor Jahren riesige Flächen billig aufgekauft und wirtschaften nun mit Hightech-Methoden. Die einheimischen Arbeitskräfte verdienen gut. Trotzdem denkt Tom darüber nach, aufzuhören. Er träumt davon, in seiner Heimatregion einen Hof zu kaufen und ihn ökologisch zu führen. Die beiden haben beim Angeln lange darüber geredet. „Wir haben so lange so viel von dem Land genommen“, meint Tom. „Jetzt möchte ich etwas zurückgeben.“
Seine Geschäftspartner haben wenig Verständnis dafür. Aber mir geht sein Satz nicht mehr aus dem Kopf. Egal, was wir für Berufe haben: Unsere Gesellschaft hat der Erde (und allen, die auf ihr leben) mehr genommen, als uns fairerweise zusteht. Es geht darum, etwas zurückzugeben. Oder vielleicht auch weiter- und „vorauszugeben“ (im Englischen gibt es ja den Ausdruck „giving forward“).
Ökobauer werde ich wohl nicht mehr. Aber ich halte die Augen offen nach anderen Wegen.
Diesmal schützt der Minister nicht den Audi-Vorstand, sondern sich selbst. Vielleicht wusste er schon von dieser Nachricht: Deutschland wird seine Verpflichtungen in der Klimapolitik krachend verfehlen, und die Hauptursache dafür ist der Autoverkehr. Der Sprit ist billig, die Verbrauchswerte immer noch zu hoch, auch weil die Autos immer schwerer und die Motoren immer stärker werden. Blendend verdient haben dabei deutsche Autobauer. Untätig zugesehen hat Verkehrsminister Dobrindt und seine CSU-Vorgänger. Also wird kurzerhand Tatkraft simuliert und etwas enthüllt, was demnächst so oder so durchgesickert wäre: Auch Audi gehört zu den Trickbetrügern in Sachen Sauberkeit.
Trump macht es unseren Politikern unverschämt leicht, gut auszusehen. Darin liegt seine größte Gefahr: Alle reden über die Mauer nach Mexiko, niemand mehr über die Grenzzäune der EU.
Jesus erzählt einmal von zwei Brüdern, die von ihrem Vater einen Auftrag bekommen. Der eine weigert sich erst, aber dann tut er es doch. Der andere sagt Ja und macht keinen Finger krumm. Die Frage am Ende, mit wem der Vater wohl zufrieden ist, beantwortet sich von selbst. Die Frage, was das heute bedeutet, auch.
Die Frage, wie wir das bewerten, beantworten wir bei der Bundestagswahl im September. So oder so.
Im Garten draußen blüht wieder der Sommerflieder. Als er jung war, war er immer voller Schmetterlinge. Heute verirrt sich nur noch gelegentlich ein Falter hierher auf der Suche nach Nektar. Alle Arten von Schmetterlinge sind in den letzten zehn Jahren immer seltener geworden.
Deutschland hat in Sachen Klimaschutz ja ein paar positive Dinge zu vermelden. Gegenläufig waren allerdings die Emissionen im Straßenverkehr. Die Ursache dafür sind die immer schwereren Fahrzeuge und die immer leistungsstärkeren Motoren, die unsere Autoindustrie verkauft. Und die Tatsache, dass über den tatsächlichen Spritverbrauch und Schadstoffausstoß gelogen wird, dass sich die Balken biegen. Die Bundesregierung hat das Greenwashing bekanntlich nicht etwa bekämpft, sondern aktiv gefördert und allen einen Bärendienst erweisen. Daran hat uns der VW-Skandal eindringlich erinnert.
Die Industrie hat sich an Mogeleien gewöhnt und, wie es derzeit aussieht, noch ein paar neue erfunden, anstatt sich ernsthaft darum zu bemühen, sparsame Autos zu bauen. Ein Kommentator schrieb diese Woche treffend, VW habe den Autos das Lügen beigebracht. Wertvolle Zeit und Energie, um sich für den überfälligen technologischen Wandel zu rüsten, wurde vertan. Aus einem Vorsprung durch Technik wurde ein Rückstand durch Täuschung.
Deutschland ist in Sachen Autos ungefähr so rational wie die Amerikaner bei Schusswaffen. Der Autokauf ist eine emotionale Sache und, abgesehen von der Finanzierung, keine Frage der Vernunft: Unsere Hersteller verkaufen Gefühle statt Transportmittel, sie werben mit grenzenloser Freiheit und ungetrübtem Fahrspaß und setzen das gekonnt ins Bild, die Autotester der großen Verlage begeistern sich in ihren Kolumnen für die schnellen und schnittigen Modelle mit besonders üppiger Ausstattung. Sparsamkeit und Effizienz taugen allenfalls für Fußnoten. Die (emotionale) Wirkung auf den Fahrer steht im Zentrum, die Wirkung auf Umwelt und Mitmenschen ist seltener von Interesse.
Der Papst hingegen fährt im Kleinwagen durch die Staaten. Auch er weiß, dass sein Weckruf an die Welt Bilder braucht. Es ist Zeit, seinem Beispiel zu folgen. Vielleicht fährt er dann eines Tages auch mal einen VW.
Liebe Leidensgenossen, die öfter emissionsfrei auf zwei als abgasend auf vier Rädern unterwegs sind,
die Verkehrspolitik (vor allem da, wo sie Politik ist und von der schwerreichen KFZ-Lobby „mitgestaltet“ wird) betrachtet uns immer noch als Stiefkinder. Die KFZ-Nutzer sehen uns als lästige Konkurrenz, die ihren ungebremsten Vorwärtsdrang hemmt. Also werden wir, wenn wir die Straße nutzen, mit 30 cm (statt 1,50 m) Abstand überholt und, wenn auf dem Radweg fahren, beim Rechtsabbiegen gefährlich geschnitten. Verkehrsminister wollen uns gern mal pauschal als Rüpel darstellen – Autofahrer halten sich ja, wie wir alle wissen, sämtlich tadellos an die StVO. Schließlich gibt es noch meine besonderen Freunde: Hundehalter und ihre Vierbeiner, die uns mit Teleskopleinen (ein klares Indiz für (a) schlecht erzogene Tiere und (b) faule, unaufmerksame Halter) auflauern, die sich blitzschnell quer über jeden Radweg spannen lassen. Dass uns oft der Wind ins Gesicht bläst — gut, das gehört eben dazu.
Wir haben also einen schweren Stand. Und daher brauchen wir einander.
Ich rede jetzt nicht davon, einen neuen Verband zu gründen oder Online-Petitionen anzuklicken. Einiges könnte durch ein paar Kleinigkeiten verbessert werden, die wir selbst in der Hand haben. Zwei davon fallen mir täglich auf – man kann keine Viertelstunde durch die Stadt radeln, ohne dass man sie antrifft:
LICHT: Die Zeit quietschender und bei Nässe streikender Reifendynamos nebst gelblich funzelnder Birnchen, die ständig kaputt gehen, ist längst vorbei. LED-Lampen, ob mit Batterie oder Nabendynamo gespeist, sind erschwinglich und hell, es gibt heute keine Ausrede mehr dafür, unbeleuchtet herumzufahren. Es doch zu tun, ist verdammt gefährlich, und zwar nicht nur für Euch selbst, sondern auch für alle anderen.
GEISTERRADLER: Auch der deppertste Autofahrer schafft es noch, rechts zu fahren oder die Fahrtrichtung einzuhalten. Warum können das so wenige von uns? Egal ob auf dem Radweg oder auf einem dieser markierten Fahrradstreifen am Fahrbahnrand, oder in Einbahnstraßen, die nicht ausdrücklich für Räder in beiden Richtungen freigegeben sind, gegen die Fahrtrichtung ist man verdammt gefährlich unterwegs. Neulich habe ich gelesen, dass es das Unfallrisiko verfünffacht. Frontalzusammenstöße unter Radfahrern sind enorm verletzungsträchtig.
Neulich kam ich auf dem Radweg um eine Rechtskurve und da schoss mir – gegen die Fahrtrichtung – eines dieser schnellen e-Bikes eines örtlichen Pizzalieferdienstes entgegen. Die Dinger sind fast 40 km/h schnell und schwer, die Reaktionszeit war also minimal. Wir haben einander nur deshalb knapp verfehlt, weil ich eine Vollbremsung hingelegt habe. Ich habe ihm dann freundlich, aber unmissverständlich die Meinung gesagt. Es wäre allen geholfen, wenn wir das öfter täten.
Und dann machen wir alle zusammen dasselbe (Meinung sagen) mit den Autofahrern, auch wenn die sich gern hinter getöntem Glas und lauter Musik verschanzen.
Wenn wir uns der Natur und der Umwelt ohne diese Offenheit für das Staunen und das Wunder nähern, wenn wir in unserer Beziehung zur Welt nicht mehr die Sprache der Brüderlichkeit und der Schönheit sprechen, wird unser Verhalten das des Herrschers, des Konsumenten oder des bloßen Ausbeuters der Ressourcen sein, der unfähig ist, seinen unmittelbaren Interessen eine Grenze zu setzen.
Wenn wir uns hingegen allem, was existiert, innerlich verbunden fühlen, werden Genügsamkeit und Fürsorge von selbst aufkommen.
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