Baumtheologie – die Hoffnung ist grün

Was sagt die Bibel eigentlich über Bäume und Wald? Ist das eher so ein germanisches Ding, Gott, Geist und Bäume zusammenzubringen, oder wussten auch die Hebräer dazu schon etwas zu sagen?

Die Frage stellte sich mir im Blick auf den letzten Waldgottesdienst in Zabo. Zugleich ist eine ArboTheologie vielleicht auch ein Baustein für eine christliche Haltung zu all den ökologischen Aufgaben, vor denen unsere Zivilisation steht. Ich versuche mich mal an ein paar Thesen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und umfassende Geltung. Vielleicht wird ja irgendwann eine veritable Feld-Wald-und-Wiesen-Theologie draus. 🙂

Mitgeschöpfe

In der Alten Welt wussten die Menschen noch nicht, dass wir den Sauerstoff in der Luft den Pflanzen verdanken. Aber in Genesis 1,29 sagt der Schöpfer zu den Menschen: „Hiermit übergebe ich euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten. Euch sollen sie zur Nahrung dienen.“ In der Idealvorstellung, die dort beschrieben wird, leben Menschen von den Früchten, die auf Feldern und Bäumen wachsen: Getreide, Oliven, Datteln, Granatäpfel, Wein, Hülsenfrüchte und einiges mehr. Fleischkonsum ist da überhaupt nicht vorgesehen.

Insofern könnte man sogar sagen, dass das Verhältnis zu den Tieren (die bekommen alles „Kraut“ als Nahrung, obwohl die Schreiber natürlich wussten, dass ein Löwe kein Gras frisst) weniger wichtig und innig ist. Und prompt spielt ein (freilich ganz besonderer) Baum auch eine wichtige Rolle in der Begegnung mit der Stimme der Versuchung ein paar Kapitel später.

Bäume als Mitgeschöpfe sind dazu aufgerufen, in das Lob Gottes einzustimmen („Jubeln sollen alle Bäume des Waldes“- Ps 96,12). Auch das spricht dafür, dass sie mehr sind als nur ein Rohstoff.

Platzhalter

Der Unterschied zu den Germanen dürfte darin liegen, dass Bäume in der Bibel nie als Chiffre für Gott und das Göttliche dienen. Sie sind fest verwurzelt in der Sphäre des Geschöpflichen.

Immer wieder werden Menschen und menschliche Verhältnisse im Bild von Bäumen beschrieben: Der Gerechte aus Psalm 1 ist ein immergrüner Baum am Wasserlauf, beständig und voller Lebenskraft. Die jungen Männer etwa werden mit aufstrebenden Bäumen verglichen (Sirach 39,13; Psalm 144,12).

Das funktioniert auch im Negativen: In Richter 9 wählen die Bäume einen Herrscher aus ihren Reihen – die Karikatur des Königtums in Israel. Und bei Ezechiel (vgl. Kapitel 31) und Daniel (4,7ff) können Bäume zur Chiffre für Großkönige und ihre Reiche werden, beziehungsweise für deren drohenden Sturz. Dieses Motiv des Gerichts reicht bis in die Passionsgeschichte – da lässt Jesus als Zeichen desselben einen Feigenbaum verdorren.

Leidensgenossen

Menschen und Bäume leiden unter denselben Dingen: Dürre und Hitze, Sturm und Hagel, Krieg und Plünderung. Für letztere sind die Menschen verantwortlich.

Dass den Menschen, wie es in Psalm 8 heißt, „alles zu Füßen gelegt“ ist, bedeutet freilich nicht, dass es mit Füßen getreten werden darf. Das spiegelt sich auch in anderen, für uns freilich befremdlichen, Zusammenhängen wider. Deuteronomium 20,19 legt fest, dass sich Belagerungstruppen nicht am Baumbestand der belagerten Stadt vergreifen dürfen. Gegen Bäume soll kein Krieg geführt werden. Eine Strategie der verbrannten Erde wäre also ein Kriegsverbrechen. Ich denke unwillkürlich an Bolsonaros Plünderungsfeldzug gegen den Regenwald im Amazonasbecken. Seine pentekostalen Anhänger nehmen die Bibel offenbar nur sehr selektiv zur Kenntnis.

Freilich kam es auch damals regelmäßig vor, dass Wälder von Kriegs- oder Bautrupps gerodet wurden. Jesaja 10,34 spielt darauf an: „Und der dichte Wald wird mit dem Eisen umgehauen werden“. Wenn es den Bäumen ans Leder (oder besser: an die Rinde) geht, dann ist das auch für die Menschen bedrohlich.

Hoffnungsverstärker – die pfingstliche Dimension

In den Texten über die Rückkehr aus dem Exil taucht das Motiv der Neuschöpfung immer wieder auf. Und wieder spielen Bäume eine Rolle darin. Wenn die Verbannten zurückkehren, dann jubeln auch Bäume und Wälder:

Jauchzet, ihr Himmel, denn der Herr hat’s getan! Jubelt, ihr Tiefen der Erde! Ihr Berge, frohlocket mit Jauchzen, der Wald und alle Bäume darin! Denn der Herr hat Jakob erlöst und ist herrlich in Israel.

Berge und Hügel brechen bei eurem Anblick in Jubel aus, alle Bäume auf dem Feld klatschen Beifall.

Jes 44,23 und 55,12

Ausgesprochen pfingstlichen Charakter hat unter all diesen Aussagen Jesaja 32,15: „Wenn aber der Geist aus der Höhe über uns ausgegossen wird, dann wird die Wüste zum Garten und der Garten wird zu einem Wald.“ Mit anderen Worten: Gottes Geist hebt das Leben insgesamt auf ein neues Niveau: Aus Ödland wird Ackerland und aus Ackerland Wald. Der Wald ist höchste Stufe dieses künftigen „Upgrades“ an Fruchtbarkeit und Reichtum. Ein Reichtum, der allen zugute kommt und nicht, wie im Landgrabbing des Plünderungskapitalismus, nur wenigen Superreichen und deren Günstlingen.

An der Heilung der Welt haben die Bäume auch einen aktiven Anteil. In der großen Tempel-Vision des Ezechiel wachsen entlang des stetig anschwellenden Stromes aus Gottes Tempel Bäume, deren Blätter Heilkraft besitzen:

An beiden Ufern des Flusses wachsen alle Arten von Obstbäumen. Ihr Laub wird nicht welken und sie werden nie ohne Frucht sein. Jeden Monat tragen sie frische Früchte; denn das Wasser des Flusses kommt aus dem Heiligtum. Die Früchte werden als Speise und die Blätter als Heilmittel dienen. 

Ezechiel 47,12

Ein Fazit

Das theologische Waldbaden ergibt also:

  1. In der Bibel gibt es so etwas wie eine Solidarität der Geschöpfe. Und darin eine Verbundenheit zwischen Bäumen und Menschen, in denen die einen auf die anderen angewiesen sind: Die Menschen auf Bäume als Nahrungsquelle (und Holz als Werkstoff); die Bäume auf Menschen, die maßvoll und nachhaltig wirtschaften. Bäume sind ein Zeichen der Fürsorge des Schöpfers – man könnte womöglich von „Realsysmbolen“ sprechen, denn Gottes Fürsorge vermittelt sich durch die Atemluft und Nahrung, die sie spenden.
  2. Wenn die Welt aus den Fugen gerät, leiden die Wälder ganz ähnlich wie die Menschen. An ihrem Zustand lässt sich also etwas ablesen über den Zustand der Welt ingesamt. Damit sind sie – als seufzende Kreatur, wie Paulus in Römer 8,22 sagt – ein Spiegel unserer Verhältnisse: Von Mensch und in Mitleidenschaft gezogener Natur und des sozialen Gleichgewichts unter den Menschen.
  3. Bäume sind einbezogen in die Erlösung der Welt. Wir teilen mit ihnen auch Gottes Zukunft. In ihnen schlummert ein Potenzial, das noch nicht geweckt wurde. So wie in uns und der übrigen Schöpfung. Wenn Gott die Welt heilt, werden viele Bäume sprießen.

Insofern ist jeder Baum auch eine lebende Verheißung. Die Farbe der Hoffnung ist grün.

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