Paradoxe Heimat

Inzwischen wirbt sogar die Piratenpartei mit dem Thema Heimat. Eine weitgehend grüne Landschaft von oben ist zu sehen. Wahrscheinlich ist das piratentypische daran, dass es von einer Drohne fotografiert wurde.

Soll man das als Signal der Verzweiflung verstehen, oder als Aufhänger für einen eigenständigen Diskussionsbeitrag? Es scheint, dass auch die Piraten um dieses Thema nicht herumkommen. Beispiellos unpopulär indes: Heimatminister Seehofer. Irgendwas ist faul mit dieser Heimat. Nicht nur im Wahlkampf.

Mehrfach habe ich in den letzten Wochen gehört: Christen haben ihre Heimat „im Himmel“. So weit, so korrekt. Die Tageslosung vom 13. September wirft ein interessantes Licht darauf: „Siehe, ich sende einen Engel vor dir her, der dich behüte auf dem Wege und dich bringe an den Ort, den ich bestimmt habe.“ (2.Mose 23,20) Sie ist eine Art Pendant zu dieser Aussage aus dem Pentateuch.

Für Israel zur Zeit des Exodus galt das, was für Christen heute noch gilt: Die eigentliche Heimat haben wir noch gar nicht gesehen. Sie kann also gar nicht in einer verklärten Vergangenheit bestehen. Sondern in einer Zukunft, die sich erst in der Begegnung mit Gott klärt. Heimat ist nicht das Bekannte, sondern das Unbekannte. Nicht das Erwartbare, sondern das Überraschende. Und so wie beim Geburtsort suche ich mir die endgültige, ultimative Heimat nicht selber aus. Nur die Zwischenstationen.


Sweet Ice Cream Photography

Immer noch suchen (und finden) Menschen Heimat in den Kirchen. Wenn wir das falsch anpacken, nämlich reaktionär, werden unsere Gemeinden zum Heimatmuseum. Wenn wir es richtig verstehen, dann werden aus ihnen Weggemeinschaften, die miteinander unterwegs sind. In unwegsamem Gebiet, hin zu einem Ziel, das sie noch gar nicht richtig kennen. Aber mit einem Vorgeschmack in der Nase und auf den Lippen: Frisches Brot und neuer Wein, das Salz getrockneter Tränen und abgewischten Schweißes, oder ein gebratener Fisch.

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3 Antworten auf „Paradoxe Heimat“

  1. Hallo Peter,
    „Heimat ist nicht das Bekannte, sondern das Unbekannte.“ => Volle Zustimmung. Ich habe mich für mein Buch „Heimat finden“ (Neufeld, 2018) intensiver mit dem Buch Rut auseinandergesetzt unter genau dieser Fragestellung: Wo und wie finden Menschen Heimat? Dabei ist mir deutlich geworden, dass Heimatsuche (oft? immer?) ohne Aufbruch gar nicht geht. Heimat steht in der Rut-Geschichte nämlich klar für die Zukunft, nicht für die Herkunft. Die gebürtige Moabiterin Rut fühlt sich angezogen von diesem Gott Noomis, vom Gott Israels. Sie lässt für ihre Heimatsuche einiges zurück – und sie geht sehr zielstrebig vor. (Deswegen teile ich übrigens auch nicht ganz den Satz „Und so wie beim Geburtsort suche ich mir die endgültige, ultimative Heimat nicht selber aus. Nur die Zwischenstationen.“ Ich glaube eher, dass Heimat klar zielorientiert definiert ist!)
    Und genau, das sehe ich auch so: Kirche / Gemeinde ist im Kern Weggemeinschaft. Sie ist aber auch mehr: Sie kann – denke ich – zur temporären „Heimat“ werden, zum provisorischen irdischen Zuhause, wenn in besonderen Momenten die himmlische Heimat bereits andeutungsweise in unsere irdische hineinscheint (sozusagen als kleiner Appetizer), wenn das gemeinsame Ziel schon die Weggemeinschaft prägt, wenn die zukünftige, ewige Heimat bereits in der Gegenwart Auswirkungen hat. Mir hat immer gut gefallen, wie die Einheitsübersetzung bis zur Revision 2016 in Psalm 119,54 vom „Haus meiner Pilgerschaft“ redet. Vielleicht ist die Übersetzung ein wenig zu frei, aber mir kommt dabei sofort das Bild eines Wohnmobils vor das innere Auge: „Schon Haus und noch Weg“ (Corona Bamberg). Genau so sind Kirchen / Gemeinden meiner Meinung nach. Das Bild des Wohnwagens passt, oder?

    Herzliche Grüße

    Ulrich

  2. Hallo Ulrich, vielen Dank für den Kommentar. Die Metapher vom Wohnmobil passt wirklich gut. Ich stelle gerade fest, dass da viele Bücher erscheinen im Augenblick. War mir gar nicht so richtig bewusst…

  3. „Heimat ist der Debattenbegriff der Zeit“, schreibt Jan Heidtmann in der Süddeutschen Zeitung vom 29. April 2018. Da ist es natürlich reizvoll, diese Zeitfrage mit dem Glauben zusammenzubringen…

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