Altes Lied, neue Strophen

Das Thema wird offenbar nie langweilig: Die Klage der Frauen über die Männer und die Klage der Männer über die Klage der Frauen. Der Feuilleton-Beitrag „Schmerzensmänner“ von Nina Pauer in der Zeit hat zahlreiche Antworten erhalten, unter anderem von Ina Deter und Johan Korndner in der taz und Christoph Scheuermann vom Spiegel. Persönlich fand ich aber die Replik aus Pauers eigenen „Stall“ am interessantesten. Sie stammt von Meli Kiyak, die zur Qual der Wahl im Zeitalter des totalen Konsums kritisch bemerkt:

In der Generation der 30- bis 40-Jährigen findet sich doch wirklich jeder, jede und alles, je nach Milieu, Bildung, Herkunft, Wohnort. Wer es nicht glaubt, schaue sich um. Es gibt Musikklubs, die nach Musikrichtungen unterteilt sind, es gibt Restaurants, die nur Knoblauchgerichte oder milchfreie Speisen anbieten, es gibt Boutiquen, die für schwangere Frauen ausgerichtet sind, und Kaufhäuser, die ausschließlich Geringverdiener im Blick haben, es gibt Spartenfernsehen, Spartenradio, Spartenbuchhandlungen, Spartenkontaktbörsen […]

Das Überangebot führt allerdings dazu, dass man mit seiner persönlichen Checkliste loszieht: »Wie soll er aussehen, passt er zu meinen Lebensmittelunverträglichkeiten und den Haustieren, wie viele Kinder und Ehefrauen darf er höchstens alimentieren? Wie präsentiert er sich bei Facebook, wie groß, wie dick ist er? Nein, nicht schon wieder einer mit Schuppenflechte, mit dem Letzten musste man auch schon auf gemeinsame Schaumbäder verzichten, und wenn man etwas liebt, dann Schaumbäder…« Allzu verständlich, dass der durch Überfluss verwöhnt Suchende seine Kriterien nicht ausgerechnet bei der Partnerwahl einschränken wird. Also macht man sich auf die Suche nach dem Richtigen, der zum richtigen Zeitpunkt alles richtig macht. Wenn Männer alles prima können, Geld verdienen, renovieren, sich um die Verhütung kümmern, Parfum benutzen, kann es nur noch an Details scheitern. Dann geht es nur um Melancholie, Ratlosigkeit, Nervosität und so. Wer Herrn Optimal und Fräulein Perfekt nicht findet, der schraubt nicht etwa seine Kriterien herunter, sondern verzweifelt gleich grundsätzlich. Wer so tickt, ist kein Mensch, sondern eine Suchmaschine.

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Natürlich bereichert

Mit den hilfreichen Anregungen einiger Kommentatoren ausgestattet bin ich am Mittwoch beim Treffen der NGE-Berater in Fulda gewesen. Klaus Schönberg vom Paradies-Projekt und Stefan Lingott von Novavox waren ebenfalls mit Kurzreferaten am Start und Oliver Schippers moderierte das ganze souverän, locker und launig.

Im Vorfeld hatte ich mir ja noch über modernistische Aspekte im Naturverständnis Gedanken gemacht. In den Gesprächen und Begegnungen während dieses interaktiv gestalteten Tages bin ich einer bunten Vielfalt von sehr aufgeschlossenen Leuten begegnet, die so gar nicht an fertigen Konzepten zu kleben schienen, sondern sich bereitwillig und neugierig auf die verschiedenen Impulse einließen und engagiert mitdiskutierten. So engagiert und aufgeschlossen, wie ich es tatsächlich schon eine ganze Weile nicht erlebt habe.

Es ist ja nicht alltäglich, unter so vielen Menschen zu sein, die sich ernsthaft Gedanken über Zukunft und Veränderung manchen und dabei nicht in starren Schablonen, denken, sondern offene Fragen stellen, und die bereit sind, sich auf einen Weg zu machen, auch wenn die Route noch nicht vollständig berechnet ist. Das war hier der Fall, und zwar auf ziemlich hohem Niveau.

Eine neue Frage, die ich aus der Diskussion mitgenommen habe: Ist Matthäus 28,18-20 eigentlich die einzige (bzw. alles entscheidende) Formulierung des Auftrags der christlichen Kirche? Und wenn ja, ist sie dann vor allem so zu verstehen, dass es jedem einzelnen Christen aufgetragen ist, andere „zu Jüngern zu machen“, oder deutet die Plural-Formuiierung an, dass es sich hier um einen Mannschaftssport handelt?

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