Himmlische Alpha-Männchen?

Wenn man die Bibel mit einer patriarchalischen Brille liest, bekommt man patriarchalische Ansichten bestätigt. Das hat in diesen Tagen John Piper wieder einmal bilderbuchmäßig vorexerziert.

Statt zu fragen, inwiefern die Begrifflichkeiten „Vater“ und „Sohn“ und alles weitere in diesem Zusammenhang die patriarchalisch strukturierte Ursprungskultur widerspiegeln, statt zu bedenken, wie sie in deren Kontext zu verstehen sind und ob im biblischen Reden von Gott nicht vielleicht auch ein Keim zur Überwindung dieser Kultur stecken könnte, statt schließlich auch noch die unabdingbare Frage in den Raum zu stellen, ob menschliche Kategorien wie maskulin und feminin auf Gott überhaupt sinnvoll anwendbar sind…

… konstatiert Piper ganz plump eine Präferenz „Gottes“ für das Maskuline, und das kann er dann auch noch gleich mit ein paar Attributen griffig aufschlüsseln und seinen Anhängern als ethische Norm oder spirituelles Ideal vor Augen stellen. Nicht dass ich bisher begeistert gewesen wäre von seinen Thesen, aber dieses Reflexionsniveau ist hatte ich dann doch nicht erwartet.

Gott steht also nicht mehr über der menschlichen Geschlechterdifferenz, sondern mittendrin. Andromorphismen sind ja nichts Neues in der Theologie, auch wenn sie im 21. Jahrhundert aus gutem Grund seltener geworden sind.

Vor allem sind sie – zumal in dieser Form – selbst schlicht unbiblisch. Denn auch wenn von Gott konkret häufig als Vater, Herr etc. die Rede ist, wird die abstrakte Frage, ob und inwiefern er nun „männlich“ oder „weiblich“ sei, weder aufgeworfen noch beantwortet. Vielleicht auch deshalb, weil damals noch genug jüdische Scheu vor dem Namen und Geheimnis Gottes bestand, um ihn aus Testosteronkriegen herauszuhalten. Gottes Namen (das zeigt schon der Plural) enthüllen sein Geheimnis ja nicht etwa, sie bewahren es vor allem.

Dasselbe gilt von Jesus: Nicht seine Männlichkeit, sondern seine Menschlichkeit in ihrem Verhältnis zu Gott ist das große theologische Thema der Alten Kirche. Und auch hier wird im Nizänischen Bekenntnis das Bild menschlicher Vaterschaft (und mit ihm die Kategorien jeglicher Biologie!) komplett gesprengt, wenn es heißt „aus dem Vater geboren (!) vor aller Zeit“

Wenn man im Bestreben, die Bibel so wörtlich wie nur möglich zu nehmen, den metaphorischen Charakter biblischer Sprache und dessen unvermeidliche kulturelle Bedingtheit übersieht, verliert man nicht nur vor lauter Wörtern den Sinn, sondern man wird auch versuchen, die gesellschaftlichen Verhältnisse von damals zu reproduzieren: Piper will, so der Bericht, ja eine erkennbar maskuline Kirche (man fragt sich unwillkürlich: wo bleibt die „Braut“ aus der Offenbarung?). Pipers Repristinierung des Patriarchalen geht also über ihr antikes Vorbild weit hinaus. Er sagt zu viel über Gott und macht ihn dadurch nicht etwas größer, sondern kleiner, zu einer Art transzendenten Alpha-Männchen.

Frech gefragt: Vielleicht löst diese Impuls als ungewollt kompensatorisches Element zu seiner Gotteslehre einen neuen Schub von Marienverehrung unter den NeoReformierten aus? Die blüht ja wohl nicht ganz zufällig dort, wo Männer die Hierarchie komplett besetzt halten. Für uns Deutsche ist das insofern relevant, als man bei „Evangelium 21“ Pipers Gedankengut eifrig importiert – im Mai wird er in Hamburg erwartet.

Wird nun Gott vermännlicht oder das Männliche vergöttlicht? In jedem Fall kann man zugespitzt sagen: John Pipers Gott sieht ihm seit letzter Woche etwas ähnlicher. Und der Slogan „Desiring God“ bekommt einen neuen Beigeschmack.

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