Vorbei ist vorbei. Wirklich!

Meine Frau zitierte neulich einen ihrer Ausbilder mit den Worten „es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit gehabt zu haben“. Es sind nicht die Ereignisse und Umstände, sondern deren Bewertung heute, die uns glücklich oder unglücklich machen. Martin Seligman schlägt in dieselbe Kerbe. Er kritisiert die Tendenz bei Darwin, Marx und Freud, Menschen als die Summe bzw. das Produkt vergangener Ereignisse zu verstehen. Marx und Freud bezeichnet er als Deterministen. Und er hält es für einen Irrweg, zu glauben, dass ein Stochern im Müll der Vergangenheit seelische Gesundheit in der Gegenwart hervorbringt.

In Wirklichkeit haben Studien ergeben, dass sich schwere Kindheitserlebnisse wie der Verlust eines Elternteils oder eine Trennung der Eltern, Vernachlässigung oder Misshandlung wenn überhaupt, dann nur schwach auswirken auf die zukünftige Zufriedenheit. Selbst Unfälle mit Langzeitfolgen werden innerhalb von einigen Monaten so weit verarbeitet, dass die meisten Menschen hinterher nicht wesentlich unglücklicher sind als zuvor. Sein Fazit: „Negative Kindheitserlebnisse sind nicht schuld an irgendwelchen Erwachsenenkrisen.“

Das Ganze gibt es natürlich auch wieder auf „christlich“: Dann werden Menschen nicht wie bei Jesus durch den Zuspruch von Vergebung kurzerhand befreit, sich der Gegenwart Gottes zu öffnen und eine gute Zukunft zu erwarten, sondern man lutscht die ollen Kamellen der eigenen Biografie, des Familienhintergrunds und der Geschichte von Volk und Nation ohne Ende, um darin irgendeinen verborgenen „Schlüssel“ zu finden, der Heilung und Glück ermöglicht – nicht bekannte Sünden zum Beispiel, gern auch ein paar Generationen zurück und alles andere als zweifelsfrei dokumentiert. Aber meistens kommt man nur frustriert und mit Mistgeruch in der Nase von zurück von diesen inquisitorischen Zeitreisen.

Wer den Grund für sein Unglück in der Vergangenheit sucht, an der ja nichts mehr zu ändern ist, der wir im Blick auf die eigene Zukunft passiv. Er friert ein – erstarrt wie Lots Frau zur Salzsäule. Um aus der unglücklichen Lebensgeschichte eine glückliche zu machen, können wir zwei Dinge tun, sagt nicht nur Seligman, sondern das ist alte christliche Lebensweisheit: Dankbar sein und vergeben. Beides kann man lernen, indem man es übt.

Glaube und Glück stehen übrigens auch in einem signifikanten Zusammenhang, sagt Seligman. Der entscheidende Faktor ist die Zukunftshoffnung, und er zitiert Juliana von Norwich:

Aber alle sollen gesund werden und alles soll gesund werden, und alle Arten von Dingen sollen gut werden … Er hat nicht gesagt »Du sollst den Stürmen des Lebens nicht ausgesetzt sein, du sollst keine Seelenqualen erleiden, du sollst nicht gepeinigt werden«. Sondern er hat gesagt »Du sollst nicht überwältig werden«

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