Sternstunden des Sportjournalismus

Ich mag die SZ – normalerweise. Aber vor dem Auftaktspiel unserer Internationalmannschaft einen Astrologen ins Studio zu holen, das gehört schon zu den schwärzeren Stunden ihrer verdienstvollen Geschichte.

Der Mann (ich hab den Namen vergessen und will ihn auch gar nicht wissen) gab ein paar wohlwollend-positive Allgemeinheiten von sich über Löw und Lahm und Schweinsteiger, die man auch ohne Referenz zu irgendwelchen Himmelskörpern tausendfach im heimischen Blätterwald vorfindet. Beruhigend daran: Er ist offenbar des Lesens kundig. Auf die Frage, was die Sterne mit der WM zu tun haben, antwortete er: Eine Menge. Schließlich gebe es 12 Tierkreiszeichen und eine Fußballmannschaft bestehe ja auch aus 12 Leuten … wenn man den Trainier dazu rechne.

Guter Mann, du hättest wenigstens vorher sehen können, dass gestern 14 Leute gespielt haben. Auswechslungen sind ja so ungewöhnlich nicht. Und der Trainerstab besteht auch aus mehr als einer Person. Flick und Köpke mitgerechnet wären wir bereits bei 17 Akteuren. Bei dieser Kaffeesatzleserei geht es offenbar nur darum, Leuten das zu sagen, was sie gerne hören würden und daher glauben wollen, und dem eine an den Haaren des freien Assoziierens herbei gezogene Pseudoplausiblität zu verleihen. Ohne sich freilich auf irgendwas festzulegen.

Leute, gebt mir den Kaffee und behaltet die schwammigen, ausgelutschten Sätze für euch!

Share

„Nützliche“ Gottesdienste

Vor einer Weile haben wir uns entschieden, mehrmals im Jahr statt des „normalen“ Gottesdienstes eine gemeinsame Aktion zu machen, bei der nicht unsere eigenen Themen und Bedürfnisse an erster Stelle stehen. Wir nennen das dann etwas holprig den „Out-Sonntag“ – beim nächsten Mal wird es allerdings ein Samstag werden.

Doch die Sache hat ihre Tücken: Für die einen ist das schlicht „kein Gottesdienst“ – denn der besteht, wie ja jeder weiß, darin, irgendwo in einem geweihten Raum sitzen, singen und zuhören zu dürfen. Also bleiben sie daheim, fahren ins Grüne, besuchen die Oma oder gehen in eine andere Gemeinde, statt zu einer etwas anderen Zeit an einen ungewohnten Ort zu müssen. Dem Pastor der FeG fiel das immer auf, wenn bei uns so ein Sonntag war. Das ist natürlich ziemlich schlechte Theologie, wenn man an den „vernünftigen Gottesdienst“ denkt, von dem Paulus in Römer 12,1ff spricht. Wenn Sitzen, Singen und Predigt das Kriterium wäre, dann würde das meiste, was Jesus mit seinen Jüngern veranstaltet hat, auch nicht in die Kategorie „Gottesdienst“ fallen. Wenn unser ganzes Leben ein Gottesdienst sein kann, dann kann es sehr wohl auch mal einer sein, gemeinsam etwas zu tun, das anderen nützt. Und sei es, dass wir im Wald und auf Kinderspielplätzen den Müll einsammeln.

Nun kommt der nächste Einwand, und der lautet: „Ich bin die ganze Woche dabei, zu geben. Ich gebe mein Bestes im Beruf, und dann ist da auch noch die Familie, der Elternbeirat und was nicht alles. Am Wochenende brauche ich einen Punkt, wo ich geistlich auftanke. Wo ich mal nichts tun muss, einfach sein.“

Darauf gibt es gleich mehrere Antworten:

Erstens: Ja, du brauchst so einen Punkt – und zwar jeden Tag, mehrmals in der Woche. Finde eine Form des Gebets oder der Meditation, die dir gut tut. Stundengebete, Kontemplation, Bibelmeditation, geh mit Gott spazieren und nimm den Hund mit, lies die Losungen zu einer Tasse Kaffee oder deine Bibel bei einem Glas Wein, was auch immer – aber tu’s bitte, und tu’s regelmäßig! Einmal in der Woche einen Gottesdienst zu konsumieren und zu hoffen, dass einem dabei der Geist wie eine gebratene Taube in den Mund fliegt, das kann gar nicht reichen. Und wo wir schon dabei sind: Mach Pausen, bewege dich ausreichend und schlafe genug und finde eine Beschäftigung, die besser entspannt als Fernsehen. Das ist die beste Form von „einfach sein“. Du brauchst mehr davon als du denkst. Aber dafür, dass du es bekommst, bist du letztlich ganz allein verantwortlich. Kein Gottesdienst der Welt kann das ersetzen. Erwachsener Glaube besteht darin, dass wir genau das lernen.

Zweitens liegt der Einwand einfach verdammt nah am allgegenwärtigen Mantra des Konsumkults: „Was bringt’s mir?“ Der Fehler liegt ja nicht darin, Bedürfnisse zu haben, sondern ihre Erfüllung zum Maß aller Dinge zu machen. Vielleicht besteht der größte Dienst, den meine Gemeinde mir tun kann, darin, dass ich erlebe: Ich bin wichtig, aber eben nicht der Nabel der Welt. Wenn dann der Druck weg ist, etwas ganz Bestimmtes aus einem Gottesdienst mitnehmen zu müssen, dann werden wir wirklich offen für das, was Gottes Geist tun kann und will.

Drittens hat die Psychologie längst entdeckt, dass man vom Sektschlürfen und Ferrarifahren nicht nachhaltig glücklich wird. Stattdessen machen uns Dinge glücklich, die wir für andere tun und bei denen wir unsere Stärken und Fähigkeiten einsetzen. Der Psychologe Martin Seligman schreibt in seinem Buch Der Glücks-Faktor davon, wie er mit seinen Studenten verschiedene Aktivitäten verglich und dabei feststellte:

Die spaßigen Aktivitäten (mit Freunden einen draufmachen, einen Film ansehen oder einen Eisbecher schlemmen) verblassten im Vergleich zu den Auswirkungen menschenfreundlicher Unternehmungen. Waren unsere philantropischen Aktivitäten spontan entstanden und unsere menschlichen Stärken herausgefordert worden, verlief der gesamte Tag besser. … Tätige Menschenfreundlichkeit ist – im Unterschied zu Vergnügungen – eine Belohnung an sich.

Auf „Gottesdienste“ angewandt gilt dasselbe: je engagierter ich dabei bin, desto mehr „nehme ich mit“. Gottesdienstformate erlauben ein unterschiedliches Maß an aktiver Mitwirkung und (brrr…!) „Partizipation“. Manches davon wirkt ehrlich gesagt auch ab und zu wie Beschäftigungstherapie oder Trockenübungen. Aber gemeinsam irgendwo hin gehen, wo man andere Menschen trifft, und einfach einmal vorbereitet und zugleich offen zu sein, sich auf sie einzulassen und zu sehen, was sich – nein: was Gott! – dort tut, da wird jeder zum Mitspieler. Wer fröhlich gibt, ist schon beschenkt.

Freilich muss man dafür ein paar Hürden überwinden: Ein zu enges Verständnis von Gottesdienst, die Unsicherheit der offenen Situation, die Angst vor Fremden, die eigene Trägheit und eingefahrene Gewohnheiten. Das sind aber ganz zufällig die Dinge, die Jesus mit seinen Jüngern täglich trainiert hat. Ich hoffe also, dass wir als ganze Gemeinde diese Lektion noch richtig lernen.

Share