Jonny hat zum Thema “Postcharismatiker” angemerkt:
Es gibt auch die Prägung “postcharismatische Depression”, was das Gefühl beschreiben soll, wenn man nach den geistlichen Höhenflügen wieder Erdung bekommt – was ja nicht immer angenehm ist, zumindest anfangs nicht.
Die postcharismatische Depression kam bei Gerald Coates‚ Buch “die Vision” vor, wenn ich mich richtig erinnere. Er hat aber sein “post-” vermutlich weniger vom Begriff postmodern abgeleitet als vielmehr sarkastisch auf die postkoitale Depression angespielt – der Katzenjammer beim Wiedereintritt in die raue Wirklichkeit. Mit Verschiebungen im Weltbild hatte das damals aber noch wenig zu tun.
Links- und Rechtscharismatiker (Walter Heidenreich hat die erste Gruppe mal als “softcharismatisch” bezeichnet) gab es wohl immer. Man hat dieselbe Sache unterschiedlich akzentuiert oder, wie Jonny treffend beschreibt, mehr oder weniger verträglich und kompromissbereit umgesetzt.
Heute aber fragen immer mehr, ob wir damals die “Sache” richtig verstanden haben. Da liegt das Neue, das neue Begrifflichkeiten erfordert. Deprimiert zu sein ist dabei bestenfalls ein Übergangsstadium.
Die „Sache“ damals nicht richtig verstanden: Das kann ich für meine charismatische Geschichte auf jeden Fall sagen. Was auch immer die „Sache“ damals gewesen sein mag, ganz sicher habe ich in all dem Gott selbst falsch verstanden. In meinem Kopf schwebten Bilder von einem Glauben, der hauptsächlich aus geistlichen Prinzipien und Methoden besteht.
Heute – und das macht für mich persönlich das Postcharismatische aus – sind mir diese Automatismen herzlich fremd; Gott als Person ist mir wichtig. Um ein Zitat aus einem der letzten ELIA-Gottesdienste aufzunehmen: „Ich glaube nicht (mehr so sehr) an meinen Glauben, sondern an den auferstandenen Jesus Christus.“
(Noch)-Turbocharismatiker mögen das als Rückschritt sehen. Für mich persönlich war es ein Schritt in eine neue Weite – und gerade darin, dass ich mich von meinen falschen Konkretionen gelöst habe, ein wichtiger Schritt auf Gott selbst zu.
ob und wie man eine postcharismatische depression erlebt, hängt wohl auch damit zusammen, aus welchen motiven man seinerseits die charismatik gesucht hat. ob man eine „postkoitale depression“ erlebt, kann ja auch damit zusammenhängen, ob man sich einen Quickie oder gegenseitige Hingabe vorgestellt hat. depression kann dann der anlass sein, sein herz neu auszurichten, um wieder in (auch) charismatische zuversicht zu kommen.
ansonsten kann postcharismatische depression auch einfach ein ausdruck von undankbarkeit sein.
Ich glaube, was wir zur Zeit erleben ist die (Wieder-?)Geburt eines Selbstverständnisses als Christ, das wesentlich selbstbewußter, ganzheitlicher und selbstvergessener ist, als wir es in den letzten Jahrzehnten in der Regel gesehen habe: Ähnlich wie „wir Frommen“ langsam merken, daß wir jahrhunderte lang auf die von der Aufklärung vorgegebene 2-Teilung der Welt hereingefallen sind, nach der es einen realen Teil und einen spirituellen Teil gibt, in dem man einer besonderen Freizeitbeschäftigung (=Gott) nachgeht, genauso merken wir daß die daraus entstandenen Gegensätze zwischen rechts und links, liberal und „biblisch“, handlungsgetrieben vs. charismatisch-geisterfüllt aus dem gleichen (irreführenden) Denkansatz herrühren und wenig mit dem Gott zu tun haben, der kam um den Anbruch seiner Königsherrschaft zu verkünden, die unsere gesamte Wirklichkeit umfasst.
Weil dies unserer menschlichen Lebensgeschichte so viel Raum läßt werden wir in Zukunft viel ungezwungener mit unseren Gegensätzlichkeiten umgehen und sie als Lernmöglichkeit und Ergänzung sehen lernen. Entscheidend wird für uns sein, daß Jesus in unserem Leben und dadurch in unserer Umgebung immer sichtbarer Gestalt gewinnen darf. Ich hoffe sehr, daß wir Christen als Konsequenz dann wesentlich versöhnter und liebevoller miteinander und mit Menschen aller anderen Denkrichtungen oder Religionen umgehen werden. Mich hat bereits als Jugendlicher sehr ein Satz von CS Lewis aus seinem Buch „Till we have faces“ geprägt, in der die Hauptdarstellerin nach einem langen Leben des Kampfes mit einem ihr unbekannten Gott am Ende kapituliert. Ich finde ihn aktueller denn je:
„Jetzt endlich weiß ich, warum du uns keine Antwort gibst. Denn was anderes könntest du uns geben als Worte. Worte, die wiederum ausgehen um mit anderen Worten Krieg zu führen. Nein, du gibst uns keine Antwort. Du selbst bist die Antwort“
Mit Sicherheit auch die Antwort für welche-Art-auch-immer-Depression 😉
Hallo Peter,
bei Jordon Cooper habe ich heute den Link zu einer Seite zum Thema „Post-Charismatic“ entdeckt: http://www.robbymac.org/charismatic/
Schau es dir mal an.
Hufi