Pilger, Künstler, Aktivisten

Die Gnadenlosigkeit vieler Mitchristen und ganzer Strömungen im nordamerikanischen Christentum beklagt gegenwärtig Philip Yancey im lesenswerten Interview mit Hauke Burgarth. Das an sich ist gewiss keine völlig neue Erkenntnis. Aber Yancey bleibt auch nicht stehen bei der Analyse, sondern er nennt drei vorbildliche Typen des Glaubens in postchristlicher Zeit, die nicht durch verurteilendes Moralisieren und sturen Dogmatismus auffallen, oder anders gesagt: Denen es gelingt, in der Welt zu sein ohne „von der Welt“ zu sein:

Aktivisten handeln mit Taten von Barmherzigkeit. Damit erreichen sie die Herzen von Menschen. Diese öffnen sich für ihre Botschaft. Und irgendwann wollen diese Menschen wissen, warum sie das tun.

Künstler sind auch effektiv darin. Kunst schleicht sich unterbewusst ein. Historisch gesehen war die Kirche immer ein grosser Kunstförderer, heute trifft dies auf manche Gemeinden zu, auf andere kaum. Künstler ordnen sich nicht leicht ein, aber sie sind sehr gut darin, das Evangelium einer Gesellschaft zu sagen, die es eigentlich ablehnt.

Die letzte Gruppe sind die Pilger. Wir können sagen: «Hallo, wir sind genauso unterwegs wie du, aber wir wissen etwas vom Ziel, so und so hat uns das im Leben geholfen», statt klarzustellen: «Wir sind drinnen, ihr seid draussen. Ihr seid schlecht. Und ihr geht dafür in die Hölle.»

Beim Lesen spürte ich sofort, wie sehr sich das mit meinen Erfahrungen und Empfindungen deckt. In der Umgebung solcher Christen fühle ich mich wohl, während andere Typen und die Kultur, die sie prägen, auf mich viel weniger positiv wirken.

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2 Antworten auf „Pilger, Künstler, Aktivisten“

  1. Klasse ist auch dieses von Yancey: „In Hebräer, Kapitel 12, Vers 15 heisst es: «Seht darauf, dass nicht jemand Gottes Gnade versäume.» Wenn wir durchs Leben gehen und darauf achten, dass niemand Gottes Gnade verpasst, fallen wir auf. Und zeigen der Welt damit ein besseres Menschenbild.“

    Danke für den Hinweis zum Interview!

  2. Ein wirklich interessantes, wenn auch leider etwas kurzes Interview. Die drei Typen sind gut gewählt und wirken einladend, ohne permanent ein Angebot vor sich herzutragen. Sie sind einfach DA.
    Gut fand ich auch den Hinweis von Yancey: „Jesus hat man noch angeklagt, weil er mit Sündern herumhing, den Prostituierten und Zöllnern. Man beschuldigte ihn, die ganze Zeit mit den falschen Leuten zusammen zu sein. Irgendwie schrecken wir diese «falschen Leute» ab, die Jesus noch anzog.“ Mir persönlich bedeuten gerade viele Menschen außerhalb von Gemeinde sehr, sehr viel. In einem christlichen Ghetto fühle ich mich nicht wohl und ich glaube auch, Gemeinde sollte nicht so ein Ghetto sein. Aktiv, kreativ und auf dem Weg, das passt viel besser.
    Liebe Grüße!

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