In memoriam Käthe Banzhaf

Als ich letzten Dienstag Abend am Totenbett unseres „Mileins“ in Streitberg stand, war das ungewöhnlichste an ihr die völlige Regungslosigkeit. Vermutlich wird jeder bestätigen, dass sie stets einen unermüdlichen Bewegungsdrang an den Tag gelegt hatte.

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Meine ersten Erinnerungen sind Samstagabende, die ich als Kind alleine bei ihr in eine Häkeldecke gehüllt mit Fernsehen (wir hatten keinen zuhause) und einem Becher Joghurt verbracht habe, dass sie mich nach einer Mandeloperation im Alter von 4 Jahren in der Klinik besuchte und ich ihr vor Heimweh bis auf die Straße nachlief, oder dass ich in ihrem Hof Rad fahren lernte. Ich war es auch gewesen, der ihr bei meinen ersten Sprechversuchen den Spitznamen Milein verpasste (Omi – eine Silbe weg und eine andere dazu), auf den sie immer stolz war.

Erst später habe ich entdeckt und verstanden , dass ihr Leben von schweren Zeiten geprägt war.

Sie wurde während des ersten Weltkriegs am 20. Juli 1916 geboren, als jüngstes von 6 Kindern des Bäckermeisters Karl Held in Laichingen auf der schwäbischen Alb. In den schweren Jahren danach wäre sie gern länger zur Schule gegangen. Sie hätte auch ihren Emil gern eher geheiratet, aber erst musste noch der große Bruder unter die Haube. Als es im August 1939 endlich so weit war, zerstörte innerhalb einer Woche der 2. Weltkrieg alle Träume. Am 6. Juni 1940 kam ihre Tochter Sigrid zur Welt, aber das familiäre Glück war auf die wenigen Heimaturlaube beschränkt. Buchstäblich in den letzten Kriegstagen wurde Emil Banzhaf auf dem Balkan verschleppt und kehrte nie zurück.

Ich persönlich finde, es ist wenigstens eine kleine Genugtuung, dass sowohl der 6. Juni als auch der 20. Juli 1944 (die Geburtstage von Mutter und Tochter) Daten des Widerstands gegen Hitler und des Niedergangs der Macht wurden, die so viel sinnloses Leid über die Welt und diese junge Familie gebracht hatte.

Als allein erziehende Mutter und „Trümmerfrau“ war der Aufbau nach dem Krieg schwer. Sie musste ihre Wohnung in der Burgbergstraße den amerikanischen Besatzern überlassen und erzählte, dass Marlene Dietrich dort vorübergehend wohnte. Mit Fleiß und Mut gelang es ihr, sich durch Schneidern eine Existenz aufzubauen. Sie hat im fremden Erlangen neue Freunde gefunden und erlebt, wie vier Enkel und zwölf Urenkel zur Welt kamen und sie am Ende doch wieder von einer großen Familie umgeben war. Es gelang ihr nicht immer, die Grundstimmung von Einsamkeit zu überwinden und sich an den schönen Seiten des Lebens richtig zu freuen. Aber sie kümmerte sich treu und hingebungsvoll um andere Menschen, so lange sie die Kraft dazu aufbringen konnte.

In den letzten Jahren litt sie an der Alzheimerschen Krankheit und gegen Ende auch an zunehmender Gebrechlichkeit. Sie starb am 7. Juni in Streitberg an den Folgen einer Lungenentzündung. Wir sind dankbar, dass es ein friedliches Sterben war, das ihr weitere Ortswechsel und Schwierigkeiten ersparte. Vieles, was sie auszeichnete, hat unser Milein an den einen oder anderen von uns vererbt oder uns durch ihr Beispiel weitergegeben: Menschenfreundlichkeit, Großzügigkeit, Hilfsbereitschaft, Hartnäckigkeit und zupackendes Wesen. Nun vertrauen wir Gott, dass er auch die letzten Tränen zärtlich abwischt und das noch vollendet, was unvollendet geblieben ist.

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