Ein blaues Lüftchen

Slavoj Žižek hat neulich die These aufgestellt, die Kombination aus autoritärem Staat und Kapitalismus sei Gewinner der Krise das Erfolgsmodell des 21. Jahrhunderts. China, Singapur, und das refeudalisierte Russland machen es vor, während sich Demokraten in den USA und der EU in Parteikämpfen aufreiben und schwerfälligen Strukturen verheddern.

Großbritannien, das in Europa ja schon mit dem Wirtschaftsliberalismus Trendsetter war und längst schon Weltmeister in Videoüberwachung ist, tut nun auch den nächsten Schritt und macht nach den Ausschreitungen in London eine Rolle rückwärts zu schwarz-weißem Law-and-Order Denken, bestraft Plünderer drakonisch – und ein nicht unerheblicher Teil der Menschen hätte gern auch in den Schulen wieder die Prügel als pädagogische Maßnahme eingeführt. Deutsche Populisten rund um das Regierungslager aktivieren in der Eurokrise nach Laune nationale Ressentiments und Klischees – aktuell spricht Peter Gauweiler von „fremden Regierungen“ und meint den EU-Partner Griechenland.

Deutsche Eliten stehen, wie ich bei Daniel Renz las, auch nicht mehr geschlossen hinter der Demokratie, weil ihnen da zu oft gewöhnliche Leute einen Strich durch die Rechnung machen. Und Papst Benedikt macht sich für eine Kombination von lebendigem Glauben und autoritärer Kirche stark, was die religiöse Entsprechung zu der Bewegung darstellen dürfte, die Žižek beschreibt.

Das alles ist kein Wunder: Erstens halten sich Machteliten seit jeher an der Spitze, indem sie die Gefahr der Anarchie und des Chaos beschwören. Zweitens wird angesichts der globalen Krisen der Rückgriff auf die dominierenden Denkmuster einer Zeit, in der aus heutiger Sicht noch alles in Ordnung schien, wieder interessant. Die politisch übersichtliche und klar konturierte Welt des kalten Krieges, die bürgerliche Restauration und familiär, sozial und kirchlich „geordneten Verhältnisse“ der Zeit des Wirtschaftswunders oder gar der viktorianischen Ära. In Spiral-Dynamics-Terminologie gesagt: Man aktiviert das blaue Muster: Absolutistisch, konformistisch, Law-and-Order mit einem ausgeprägten Schwarz-Weiß-Denken und Vergeltungsdrang.

Zur Lösung komplexer Fragen in einer unübersichtlichen Welt dürfte dessen Logik aber nicht ausreichen. Politisch könnte es dennoch ein Erfolg werden, etwa für die US-Republikaner. Man polarisiert die Gesellschaft, bis der Ruf nach dem starken Mann ertönt, und bietet sich dann als Retter mit eiserner Faust an. In der Unsicherheit ziehen viele das Bekannte trotz seiner Mängel dem Unbekannten vor und machen eine Rolle rückwärts. Da bleibt einem zumindest die Anstrengung erspart, sich zu verändern, riskante Experimente zu wagen und sich in diffizile Zusammenhänge hineinzudenken.

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