Du musst jetzt ganz tapfer sein…

In „Die gnadenlose Liebe“ erzählt Slavoj Žižek die Geschichte von einer Frau, deren Mann früh verstarb. Sie blieb nach dem Verlust ganz ruhig und zeigte keinerlei Anzeichen von Trauer oder einer Krise. Als aber ein paar Monate später auch der Hund starb, kam es zum Zusammenbruch. Zizek erzählt die Geschichte als Beispiel für die psychologische Funktionsweise eines Fetisch. Der Fetisch macht es möglich, nach einem schweren Verlust die Normalität aufrecht zu erhalten. Sein Vorhandensein verdeckt die entstandene Lücke so, dass sie keine Rolle mehr spielt.

Als ich die Reaktionen auf Helmut Schmidts Tod las, habe ich mich wieder an die Geschichte erinnert. Irgendwie war die alte, heile, aus Tugenden und Wirtschaftswunder geborene, familiär und übersichtlich anmutende Bundesrepublik in seiner Person immer noch präsent. Dass er sich treu blieb und seine Gewohnheiten (bei anderen Menschen wären es Macken und Marotten gewesen) so unbekümmert zelebrierte, verstärkte diesen Eindruck.

Former Bundeskanzler Helmut Schmidt by Hardo, on Flickr
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Mit dem anderen Helmut begann, auch wenn das im Grunde gar nicht zu ihm passte, der Wandel zur Unübersichtlichkeit. Dieser hat sich, begünstigt vom neoliberalen Zeitgeist, seither ausgeweitet und beschleunigt und uns allerhand neue Risiken beschert. Krisen sind nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Der Optimismus, dass die Entwicklung kontinuierlich (und mehr oder weniger von selbst, ohne unser Zutun) hin zu mehr Frieden und Wohlstand verlaufen würde, ist dahin. Das Vertrauen in die Eliten ist (unter deren tatkräftiger Mitwirkung) zusammengebrochen.

Eigentlich ist uns das alles längst bewusst. Und jetzt, wo Helmut Schmidt als Stimme der Vernunft und Normalität verstummt ist, ist niemand mehr da, der sein Erbe antritt. Uns fehlt plötzlich der vertraute Märchenonkel, der uns abschirmt gegen die harte Wirklichkeit. Er kann uns keine Gutenachtgeschichten mehr vorlesen, die gegen die Albträume helfen, weil in ihnen am Ende alle glücklich werden. Wenn wir jetzt schlafen gehen, scheint kein Licht mehr durch den Türspalt.

Wenn es eine angemessene Reaktion auf seinen Tod gibt, dann die, dass wir uns unseren Ängsten stellen – die begründeten ernst nehmen und die unbegründeten hinter uns lassen – und dann den Mut aufbringen, für eine bessere Welt zu kämpfen. Vielleicht schneiden wir uns dabei eine Scheibe von seiner Sturheit ab.

Schaffen wir das?

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