Der „böse Blick“

Ich habe heute ein Telefonat hinter mich gebracht, um das ich mich eine Weile gedrückt hatte, weil ich (das merkte ich, als wir sprachen) ein Vorurteil gegenüber meinem Gesprächspartner hatte. Er entpuppte sich als ein sehr freundlicher und kompetenter Mensch und ich war danach wegen meiner nicht furchtbar, aber eben doch schlechten Gedanken hinterher etwas geschämt. Ich möchte niemand sein, der sich von Vorurteilen leiten lässt. Oft gelingt das ja auch.

Dann bin ich auf der Straße einer Verkäuferin begegnet. Neulich habe ich in dem Laden eingekauft, wo sie arbeitet. Sie ist jung, blond und gut aussehend. Aber das alles war bedeutungslos, als sie mit der älteren Dame die Geduld verlor, die vor mir an der Reihe war. Ich kann nicht mehr genau sagen, was es damals war, über das ich so erschrocken bin. Aber für eine Sekunde oder zwei strahlte dieses Engelsgesicht so eine Aggression, Verachtung, Kälte und irgendwie auch Hass aus, dass ich richtig erschrocken bin. Seither kaufe ich nicht mehr so gern in dem Geschäft ein, wenn sie da ist.

Ich habe das schon eine ganze Weile nicht mehr erlebt. Ohnehin bin ich eher jemand, der solche Erlebnisse zu erklären versucht: Hatte die Verkäuferin Kummer oder einfach einen schlechten Tag, war ein Kunde kurz zuvor unausstehlich gewesen? Oder sich eben fragt, ob das nun wieder ein Vorurteil ist. Aber diese Episode erinnerte mich an die wenigen und (in letzter Zeit besonders) seltenen Erlebnisse, wo ich jemanden als böse empfand – nicht nur erbost über irgendwas. Und das blitzte damals aus diesen blauen Augen, als die alte Frau sich etwas ungeschickt anstellte. Irgendwie fühlte mich mich allein vom Zusehen verletzt.

Als Kind habe ich Menschen, die mir böse vorkamen, immer sorgsam gemieden. Eigentlich würde ich auch jetzt gern einen Bogen um die Verkäuferin machen. Nicht weil ich denke, sie ist ein böser Mensch (als ob wir anderen alle gut wären…). Auch wenn es den „bösen Blick“ nicht gibt, schon ein einzelnes böses Dreinblicken hinterlässt seine Spuren.

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3 Antworten auf „Der „böse Blick““

  1. Die Ursache für einen solchen Blick ist schwer allein nur aus dem Ansehen zu erkennen. Eine zuvor erlittene Demütigung oder erfahrenes Unrecht, ebenso auch körperliches Unwohlsein können einen solchen Blick auslösen.
    Hämisches Grinsen oder Gehässigkeit würde ich eher als böse empfinden.
    Eine Verkäuferin hat es vermutlich nicht immer leicht, die beruflich nötige freundliche Höflichkeit zu wahren, der Druck in der Arbeitswelt wächst.
    Es ist mir schon passiert, dass eine Frau, die sehr verhärmt daher kam, freundlich zurücklächelte als ich sie ansprach. Zu einem weiteren Gespräch war sie nicht mehr in der Lage, da sie die Fassung verlor und zu weinen begann. Ich möchte nicht weiter erläutern was die Gründe dafür waren, heute geht es ihr wieder gut.
    Als ich ihr zuletzt begegnete habe ich nicht mehr als ‚Hallo‘ gesagt, einfach nur angeboten zuzuhören, wenn sie reden möchte und zu schweigen und nur neben ihr zu sitzen, wenn sie nicht reden kann.

  2. Ob es den „bösen Blick“ gibt,möchte ich nicht beurteilen. Allerdings bin ich der Meinung(selbst erlebt),dass es Menschen gibt,die jahrelang eine Maske der Liebenswürdigkeit,Wärme und Güte tragen können. Damit meine ich,dass dieses Verhalten sich auch ins völlige Gegenteil verkehren kann(Berechnung,Kälte,radikales Eigeninteresse ohne Rücksicht).
    Schon Schiller sagte sinngemäß:“In der Not zeigt sich der Adel der Seele“.
    Schon oft hatte ich den Gedanken,diesem Menschen,der mich so verletzt,bedrängt und ausnimmt,zu sagen,er hat eine schwarze Seele und dient dem Fürsten der Welt.
    Aber eine kleine Stimme in mir(Gott!),weist mich immer daraufhin,es nicht zu tun. Warum auch immer. Steht es mir nicht zu?
    Hast Du eine Antwort?
    Gottes Segen Dir und allen die Jesus im Herzen tragen.
    Tim Tintenklecks

  3. Es gibt Menschen, die verletztend und ungerecht sind. Menschen, die ihre Meinung als die einzig Richtige ansehen.
    Ich habe durch so einen Menschen auch tiefe Kränkungen erlebt.

    Es gibt nur eine Antwort „Segnet, die Euch fluchen, betet für die, die Euch beleidigen und verfolgen..“

    Es ist nicht einfach, das weiß ich. Aber ich bin sicher, Jesus sieht meine Herzenshaltung, auch wenn es ein Ringen ist.

    Enzym

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