Non olet

Michael O’Leary von Ryanair hat in wirtschaftlichen Krisenzeiten eine sichere Geldquelle erschlossen – die Toilettenbenutzung während des Fluges könnte kostenpflichtig werden.

Damit tritt er in die Fußstapfen des römischen Kaisers Vespasian, der mit einer Latrinensteuer den Staatshaushalt sanierte und den berühmten Satz prägte, dass Geld schließlich nicht stinke.

Sag nochmal einer, man könnte aus der Geschichte nichts lernen. Und der Begriff „geschäftstüchtig“ bekommt auch gleich eine neue Bedeutung…

PS: Herr Mehdorn, wie wär’s?

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Dreißigfach, sechzigfach, hundertfach … ?

Die FAZ beschäftigt sich heute mit der Frage, nach welcher Logik sich die Gehälter der Top-Manager entwickelt haben. Angebot und Nachfrage spielen eine untergeordnete Rolle, ebenso die gute Verhandlungsposition der Kandidaten. Es scheint eher so, dass ein Unternehmen sich am anderen orientiert und die Erhöhungen der Bezüge an einer Stelle zu einer Aufwärtsspirale an anderen Orten führen. Eine Art selbsttragender Aufschwung mit absurden Folgen, wie diese Zahlen zeigen:

Ein Vorstandmitglied der Deutschen Bank habe in den siebziger Jahren etwa das Dreißigfache eines durchschnittlichen Arbeitnehmers verdient. 1997 erhielten die Spitzenmanager das Fünfzigfache, 1998 bereits das Achtzigfache, 1999 das Zweihundertfache und im Jahr 2000 schließlich fast das Dreihundertfache. Eine ähnliche Entwicklung habe es auch bei anderen großen deutschen Aktiengesellschaften gegeben. In Amerika war es nicht anders: Im Jahre 1992 betrug demnach das Gehalt eines Chief Executive Officers das Zweiundachtzigfache, im Jahre 2003 das Vierhundertfache eines normalen Arbeitnehmers.

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Intelligente Verschwendung

Es geht nicht mehr um Vermeidung und Verzicht, sondern um Lebensbejahung und um intelligente Verschwendung. Die Natur produziert unablässig Überfluss, ohne dass es uns schadet. Sie kennt weder Abfall noch Verzicht oder Einschränkungen, sondern bedient sich einfach der richtigen Materialien zum richtigen Zeitpunkt und am richtigen Ort. Eine vorausschauend handelnde Industriegesellschaft sollte es ihr nachtun.

Michael Braungart in der Zeit Online

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Wann darf Schluss sein?

Die Geschichte von den Achtlingen in Kalifornien wird immer verrückter. Ging es zunächst darum, dass die Ärzte eines der Kinder im Gewimmel bis ganz zuletzt übersehen hatten, so stellt sich nun heraus, dass einer Frau, die schon sechs Kinder hat, so viele Embryonen eingesetzt wurden. Als sich wider Erwarten alle (oder mehr als vermutet) gut entwickelten, stellte sich die Frage nach einer selektiven Abtreibung, was die Vollblut-Mutter dann ablehnte.

Auf die Familie warten nun ein paar turbulente Jahr(zehnt)e. Und dem perplexen Beobachter drängt sich die Frage auf: Hätten alle Beteiligten nicht einfach mit sechs Kindern zufrieden sein können?

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Und erlöse uns von den Börsen…

Die FAZ interviewt den Schweizer Professor Fredmund Malik zur Wirtschaftskrise und bekommt spannende Antworten. Die wahren Dimensionen des Umbruchs wurden und werden seiner Ansicht nach immer noch unterschätzt, und das führt zu falschen Reaktionen:

Eine Alte Welt geht zugrunde, weil eine Neue Welt entstehen will – bildhaft vergleichbar mit einer Raupe, die stirbt, weil der Schmetterling ans Licht kommt. Was Finanzkrise genannt wird, ist nur ein oberflächliches Symptom. Weltweit gehen Wirtschaft und Gesellschaft durch die grösste Transformation der Geschichte, nämlich hin zu einer Gesellschaft, deren wichtigstes Merkmal ihre extreme Komplexität ist.

Interessant ist die Parallele zur Ökologie, hier haben wir es ja mit einer ähnlichen Komplexität zu tun. Den Managern der großen Banken und börsennotierten Konzerne, aber auch den Consultingfirmen macht Malik schwere Vorwürfe:

Eine der Hauptursachen des Debakels ist die total fehlgeleitete amerikanisierte Corporate Governance mit ihrer desaströsen Shareholder Value Doktrin, die noch immer vorherrscht. Sie muss radikal und ersatzlos eliminiert werden, denn diese programmierte die systematische und unvermeidbare Fehlsteuerung entscheidender Teile der Wirtschaft.

… Die falsche Art der shareholder-orientierten Unternehmensführung stammt aus Universitäten, aus zahllosen MBA-Programmen und aus der Consulting-Szene. Auch manche Medien haben tatkräftig mitgewirkt. Wer weiterhin desaströse Management-Irrlehren verbreitet, verhindert Lösungen und trägt zur Verschärfung der Krise bei. Wenn sich daran nichts ändert, wird die Folge eine soziale Katastrophe sein.

Aber auch die politischen Parteien sind überfordert, weil altes Lagerdenken ihnen im Weg steht. So lange die „kopernikanische Wende“ noch aussteht, empfiehlt er übrigens Bargeld als „Anlageform“, das werde durch den Preisverfall täglich mehr wert.

Die Wurzel des Problems sieht Malik im Reduktionismus der Theoriebildungen:

Die bisherigen Massnahmen beruhen weitgehend auf einer grotesken, eindimensionalen, auf reine Ökonomie reduzierten Vorstellung vom Menschen. Selten zuvor haben ökonomische Theorien deutlicher ihre Untauglichkeit öffentlich bewiesen. Die meisten Menschen sind keine ökonomisch-rationalen Wesen im Sinne der Ökonomie. Die Sozialwissenschaften haben das längst erwiesen. Daher fügen sich Menschen nicht den realitätsfernen ökonomischen Gewinnmaximierungskalkülen. Zwar gibt es den geldgetriebenen, egozentrischen, koordinationsunfähigen Menschen auch, aber er ist eine pathologische Erscheinungsform. An der Spitze von Unternehmen richtet er irreversiblen Schaden an.

(Den letzten Absatz könnte man sicher auch auf die verschiedenen modernen Theorien von Gemeindeaufbau und -wachstum übertragen, die alte Gegensätze wie Liberal und Evangelikal pflegen, alles auf ein paar starre Mechanismen reduzieren und ähnliche Führungspersönlichkeiten hervorbringen. Und wenn man bedenkt, dass einige der oben so hart kritisierten Consultants auch in landeskirchlichen Chefetagen ein- und ausgegangen sind… Ich muss jetzt doch endlich mal Kester Brewins Der Jesus-Faktor lesen, das ursprünglich Complex Christ: Signs of Emergence in the Urban Church hieß. Eine Kurzvorstellung gibt dieser Podcast, im April ist er bei Kirche 21 zu Gast)

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Auf Abrahams Spuren

Diese Allianz-Gebetswoche steckt voller theologischer Zumut… äh, Herausforderungen. Zum Beispiel der Abschnitt für heute: Wie hier die Bibel mit der Bibel umgeht, ist schon sehr interessant. In Hebräer 11,17-19 wird die Geschichte von Isaaks Opferung als Hinweis auf die Auferstehung Christi gelesen. Abraham, heißt es da, glaubte an die Auferweckung und konnte deshalb seinen Sohn opfern. Wenn das so war, dann konnte Abraham diese Hoffnung lange geheim halten, denn im gesamten Alten Testament findet sich davon kaum eine Spur. Im Gegenteil – tot ist tot, Punkt. Die ganze Spannung der Erzählung in Genesis 22 rührt ja daher, dass der Tod unwiderruflich ist. Den Autor des Hebräerbriefes hält das aber nicht davon ab, den Text völlig gegen den Strich zu bürsten: Abraham glaubte, dass Isaaks Tod nicht der Tod der Verheißung sein würde. Im Unterschied zu Hiob bekam er ihn deshalb auch gleich zurück, das heißt, er musste ihn gar nicht erst richtig hergeben.

Dieser Abraham taugt nur sehr bedingt als Identifikationsfigur für Menschen, die gerade einen schweren Verlust erlitten und ihre Hoffnung verloren haben. Aber es geht hier auch gar nicht um den Umgang mit Leid, sondern das unerschütterliche Vertrauen auf Gottes Zusagen, für die selbst der Tod keine unüberwindliche Grenze mehr darstellt. Uns wird Abraham als jemand vor Augen gestellt, der auf die Auferstehung hofft. Wir, das macht der Hebräerbrief auch klar, blicken auf den Beginn der Erfüllung dieser Verheißung schon zurück, die Auferweckung Christi – unsere eigene steht trotzdem noch aus, deshalb leben auch wir im Glauben. So wie Abraham sind auch wir auf einer Pilgerreise unterwegs und noch nicht am Ziel angekommen.

Der christologische Bogen wird hier also über die Auferstehung geschlagen, und gerade nicht über das Opfer, das in Publikationen der Allianz allerdings so sehr zum Standardrepertoire gehört, dass es auch hier in der gewohnten Terminologie erscheint, die durch den Versuch, ein bisschen modern zu wirken, hart an der Banalität entlangschrammt: „Er opfert seinen Sohn, damit wir leben können. Für uns ist es „kostenlos“, denn den Preis hat Gott selbst bezahlt.“ (Gut, wenigstens war es nur „kostenlos“, nicht umsonst…)

Aber Glaube ist eben keine kostenlose Sache, weder bei Abraham noch bei uns. Die „Zeugen“ aus Hebräer 11 hat ihr Glaube einiges gekostet. Für uns bedeutet es zumindest, mit leichtem Gepäck (vgl. 12,1) unterwegs zu sein. Paulus, selbst immer für eine kreative Neuinterpretation der Abrahamsgeschichte gut, redet in einem anderen Zusammenhang (1. Kor 7,29ff) davon, dass wir alles im Leben ohne Besitzanspruch nur als vorläufig behandeln und so mit Mangel wie mit Überfluss richtig umgehen können (Phil 4,12-13). Schließlich erinnert die Bitte um das tägliche Brot im Vaterunser an Sprüche 30,8, hebräische Weisheit ist auch angesichts der von Gier verursachten Finanzkrise topaktuell: „Gib mir weder Armut noch Reichtum, nähr mich mit dem Brot, das mir nötig ist, damit ich nicht, satt geworden, dich verleugne und sage: Wer ist denn der Herr?, damit ich nicht als Armer zum Dieb werde und mich am Namen meines Gottes vergreife.“

Dafür ist Abraham ein Vorbild. Vincent Donovan hat es im Blick auf die Christen unter den Massai später so formuliert:

Diese Nomaden hatten keine Kirchengebäude, keine Tempel, keine Tabernakel. Sogar ihre Eucharistie war eine nomadische Eucharistie gewesen, immer in Bewegung, nie stationär, nie statisch. Und die Kirche war für sie genauso. Die einzige Kirche, die sie je gesehen hatten, die einzige Kirche, die sie kannten, war eine Kirche die beständig in Bewegung war, eine mobile Kirche, eine nomadische Kirche, eine Kirche, die nie vollkommen war, nie am Ende angekommen war, nie alle Antworten hatte, nie zur Ruhe kam – eine Kirche auf Safari. Für sie würde es immer eine Pilgerkirche sein.

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Die Welt als Golfclub

Nachdem mein 14-jähriger Sohn im Internet Artikel von Paul Krugman las und sich für Wirtschaft, Globalisierung, Reichtum und Armut interessierte, sind wir gestern im kleinsten Kino der Stadt gewesen und haben uns Let’s Make Money angesehen. Der Film zeigt die globale Finanzwelt und die bedrückenden Folgen von über 30 Jahren Neoliberalismus. Und das alles wurde noch vor dem Absturz der Börsen und Banken gedreht – damit ist es jetzt natürlich um so glaubwürdiger, wo Kapitalismuskritik plötzlich en vogue ist.

Wirklich erstaunlich sind dabei nicht die Statements von Kritikern und Aussteigern, sondern die unverblümten Aussagen der Protagonisten des Systems selbst. Etwa wenn der Schweizer Professor laut darüber nachdenkt, dass es – wie beim Golfen – eine Aufnahmegebühr für in den Club der Wohlhabenden geben muss. Sonst könnte ja jeder kommen…

Ein Fondsmanager aus Singapur findet, Investoren müssten sich nicht für ethische Fragen interessieren. Ein österreichischer Unternehmer fährt im SUV durch Chennai und sagt, Armut und Elend seien in Indien noch auf Generationen hinaus unvermeidlicher Alltag. Der stellvertretende Finanzminister der Steueroase Jersey ist stolz auf die finanziellen Dienstleistungen – die es ermöglichen, Reichtum und Verantwortung völlig von einander zu trennen. Ein ehemaliger Mitarbeiter der Weltbank beschreibt seine Zunft als „Wirtschaftskiller“ und der Fondsmanager wirft ein, dass Krisen und Kriege tolle Gelegenheiten seien, günstig in den Markt einzusteigen. Kein Wunder, dass sie nich auszurotten sind…

Diesen Film muss man sich einfach antun.

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Vergesst den Planeten – rettet das Geld

Geld regiert die Welt, das haben aus der Sicht von Slavoj Žižek die jüngsten Ereignisse unmissverständlich bewiesen. Denn die schnellen Hilfen für die Finanzwirtschaft haben vor allem Glaubensgründe. Dieser Glaube eint auch die größten Gegner der Weltpolitik. Der erklärte Kritiker der TINA-Logik („There is no alternative“ – „es geht nicht anders“) schreibt in der Zeit :

Der Zusammenbruch des Finanzsystems macht es uns unmöglich, die himmelschreiende Unvernünftigkeit des weltweiten Kapitalismus zu ignorieren. Obwohl wir um die Dringlichkeit von Problemen wie AIDS, Hunger, Wassermangel oder Erderwärmung wissen, gibt es immer Zeit, darüber nachzudenken, Entscheidungen aufzuschieben – man erinnere sich nur an die Abschlusserklärung der Regierungschefs der Großmächte in Bali, die als Erfolg gefeiert wurde und in der nichts weiter stand, als dass man sich in zwei Jahren wieder zu Gesprächen treffen werde. Aber beim Dahinschmelzen des Finanzsystems gab es plötzlich einen Handlungsbedarf, der außer Diskussion stand, plötzlich wurde eine unvorstellbare Rettungssumme aufgetrieben.

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Wir sind die wahren Piraten…

Seit Monaten machen somalische Piraten Schlagzeilen. Dabei ernten die reichen Länder auch hier nur das, was sie selbst gesät haben, wie die Zeit berichtet. Und ich frage mich an diesem Freitag wieder, wo wohl der Fisch gefangen wurde, den ich im Supermarkt kaufen kann. Westliche und asiatische Fangflotten nutzen seit Jahren schon das politische Chaos im Land aus und fischen die Hoheitsgewässer vor Somalia leer. Nun fangen einige Somalis eben Schiffe statt Fische – Menschenfischer der etwas anderen Art, könnte man auch sagen:

Nach Schätzungen von Clive Schofield, Forscher am Australian National Centre for Ocean Resources and Security und Autor einer Studie über die Plünderung der somalischen Fischbestände, haben die fremden Fangflotten erheblich mehr Protein aus Somalias Gewässern entnommen, als die Welt dem Land in Gestalt von humanitärer Hilfe zur Verfügung gestellt hat. »Piratenfischer« nennt deshalb die Umweltorganisation Greenpeace die asiatischen und europäischen Hochseetrawler mit ihren riesigen Schlepp- und Treibnetzen. Es sei schon »ausgesprochen ironisch«, sagt Clive Schofield, »dass viele der Nationen, deren Kriegsschiffe derzeit am Horn von Afrika patrouillieren oder auf dem Weg dorthin sind, unmittelbar mit den Fischereiflotten verbunden sind, die geschäftig Somalias Meeresschätze plündern«.

Wobei so manche ausländischen Schiffe gar nicht am Thunfisch interessiert sind. Als der Tsunami im Dezember 2004 die somalische Küste erreichte, spülte er radioaktiv verseuchten Unrat, Chemikalien und Schwermetalle an die Strände im Norden des Landes – Giftmüll aus den Industrieländern, der nach Angaben der UN-Umweltorganisation Unep jahrelang vor der somalischen Küste illegal verklappt worden war.

Piraterie erzeugt Piraterie: Die somalischen Fischer bewaffneten sich, griffen die großen Fischtrawler an, verlangten »Zölle« und »Steuern« und kaperten die ersten Boote, die gegen Lösegeld wieder freigegeben wurden. Eine Geschäftsidee war geboren. Aus Fischern wurden Seeräuber.

Vielleicht sollten die Kriegsschiffe erst mal die fremden Fischereiflotten verjagen, bevor sie den Piraten nachstellen. Wer indessen verantwortlich Fisch einkaufen möchte, kann auf der Liste des MSC (Marine Stewardship Council) nachlesen.

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Kleinere Brötchen backen

Immer wieder mal hat jemand gefragt, ob der Titel „Everything Must Change“ nicht eine McLaren-typische Übertreibung sei. Die meisten haben gar nicht zur Kenntnis genommen, um welche Themen es dabei geht. Ein Interview mit dem Systemanalytiker Dennis Meadows in der SZ zeigt, dass tatsächlich an allen Schrauben gleichzeitig gedreht werden muss, um den Kollaps aller Systeme zu verhindern, vor allem aber am privaten Konsum:

Systeme, die exponentiell wachsen, also mit steigender Rate größer werden, stoßen an eine natürliche Grenze, wenn man nicht rechtzeitig etwas dagegen unternimmt. Wird ein bestimmtes Niveau überschritten, kommt es zum Kollaps, alles bricht zusammen. (…)

Wir hätten uns spätestens in den frühen 80er Jahren von dem Postulat des ständigen Wachstums verabschieden müssen, um den Kollaps zu verhindern. Damals verbrauchten die Menschen noch weniger Ressourcen, als die Erde nachliefern konnte. Seitdem ist unser Niveau auf 125 Prozent dessen gewachsen, was regenerierbar, also nachhaltig ist.

Ganz nebenbei habe ich mich beim Lesen gefragt, ob es eigentlich Zufall ist, dass die Gemeindewachstumsbewegung Anfang der 80er Jahre entstand, in der die wirtschaftliche Wachstumseuphorie die Bodenhaftung allmählich verlor. Nicht, dass Gemeinden nicht wachsen dürften. Aber es fehlte irgendwie die ökologische Komponente in dem Ganzen, etwa in dem Sinne, dass man ökumenisch (statt nur protestantisch) denkt. Oder die Frage stellt, was der Rest der Welt eigentlich davon hat, wenn Gemeinden wachsen?

Schön, dass sich das allmählich ändert. Peinlich, dass es so lange gedauert hat.

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Glauben ist alles…?

Slavoj Žižek beschreibt in der Zeit heute die ganze Absurdität der wirtschaftlichen Systemkrise:

Märkte leben von dem, was die Marktteilnehmer glauben, und von dem, was sie glauben, dass andere Marktteilnehmer glauben. Wenn also nun alle Welt darüber grübelt, »wie die Märkte reagieren werden«, dann hängt die Antwort auf diese Frage nicht nur von den realen Auswirkungen der Maßnahmen ab, sondern davon, ob die Märkte selbst an die Wirksamkeit dieser Maßnahmen glauben. Das ist der Grund, warum sogar ein Rettungspaket, das ökonomisch unsinnig ist, am Ende funktionieren könnte.

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Entzauberter Aberglaube

Die Zeit beschreibt die religiösen Aspekte der Bankenkrise unter dem Stichwort »Kapitalismus als Religion«:

Der Philosoph Walter Benjamin war überzeugt davon, der Kapitalismus weise eine vergleichbare Struktur auf wie die Religion und diene der Befriedigung derselben Sorgen, Qualen, Unruhen und Hoffnungen. Doch die kapitalistische Religion, schrieb Benjamin 1921, habe eine fundamentale Schwäche: Sie erlöst nicht, sie dient auch nicht der »Reform des Seins«, sondern verschuldet die Menschen untereinander. Benjamins Gedanken beschreiben die marktradikale Glaubenslehre immer noch treffend. Für diese Lehre ist der Markt der Allmächtige; er sieht alles und bestraft die Sünder. Nur wer Opfer bringt, Steuern senkt und dem Staat Ketten anlegt, stimmt das Kapital gnädig. Die Wall Street selbst, ihre »Jahrhundertkrise« (Alan Greenspan), hat die kapitalistische Religion entzaubert. Die unsichtbare Hand des Marktes ist unsichtbar, weil sie gar nicht existiert.

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Die endlose Jagd nach Leben

Die Zeit bestätigt die Analysen von Cavanaugh mit einem Bericht über Superreiche, also trage ich es noch kurz nach:

»Die Fiktion ist ja: Durch den Reichtum kann ich mir jeden Wunsch erfüllen«, sagt der Kölner Psychologe und Gesellschaftsforscher Stephan Grünewald, »aber die Erfüllung ist der Tod des Wunsches.« So werde die Sucht nach immer neuen Konsumerlebnissen für nicht wenige zur Ersatzhandlung, zur Jagd nach Leben, zur Mission, »das zu finden, was einen mal gepackt hatte«.

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Kurz und knackig

Dieses kleine, aber sehr feine Buch hat mich wirklich begeistert. Cavanaugh, katholischer Theologe aus St. Paul, beleuchtet die innere Logik der Konsumgesellschaft in drei Schritten: Erstens stellt er dem Wirtschaftsliberalismus von Milton Friedman den christlichen Freiheitsbegriff des Augustinus entgegen und zeigt die Konsequenzen auf, wenn man wie Friedman Freiheit rein negativ als Abwesenheit äußerer Zwänge (d.h. vor allem staatlicher Intervention) definiert.

Im zweiten Teil („Detachment and Attachment“) zeigt er, wie die Konsumgesellschaft zu einer Veroberflächlichung von Beziehungen aller Art führt, in der Menschen und Gegenstände austauschbar werden und rastlos immer das Neue ersehnt wird. In dem Moment, wo man etwas hat, ist es schon uninteressant. Das ist zwar auch eine Form von Überwindung des Materialismus, aber doch eine für den einzelnen auf Dauer unbefriedigende und für die Gesellschaft hat es fatale Folgen.

Im dritten Teil geht er der Logik der Globalisierung nach, die die Spannung zwischen dem Einzelnen und dem Universalen nur scheinbar hält. Mit Hans Urs von Balthasar stellt er dar, dass das Problem des einen und der vielen in Christus (und sinnlich erfahrbar in der Eucharistie) ganz anders gelöst ist. Hier wird der „Konsument“ von seiner Speise verzehrt und aus seinem Kreisen um die eigenen Bedürfnisse befreit, hier werden Arme und Reiche nicht nur theoretisch, sondern ganz konkret zu einem Leib verbunden und vor die Aufgabe gestellt, das auch in den ökonomischen Beziehungen umzusetzen.

Ein heißer Kandidat für die Edition Emergent Deutschland, finde ich.


„Being Consumed: Economics and Christian Desire“ (William T. Cavanaugh)

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Kommunikationstypen

Die Zeit bietet einen Test von Miriam Meckel über den Umgang mit Kommunikationsmitteln. Ich war nicht immer zufrieden mit den angebotenen Optionen. Bei Frage 3 etwa hätte ich lieber angeben wollen: Mein Handy klingelt nicht. Es steckt tatsächlich fast immer stumm in meiner Tasche – und auf Feiern ist es aus, es sei denn, die Kinder sind allein zuhause (und dann ist es ja ok, so lange es nicht klingelt).

 

Abschalten können (oder wenigstens stumm!) ist eine moderne Tugend: Neulich erlebte ich, wie auf einer Beerdigung am offenen Grab das Handy eines nahen Verwandten des Verstorbenen klingelte. Irgendwie schaffte er es nicht, den Anruf wegzudrücken, so dass es kurz darauf noch einmal klingelte, dann ging er tatsächlich dran und verschwand kurzzeitig um die Ecke. Superpeinlich, aber den Menschen schien es gar nicht so gestört zu haben.

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