Die Zeit beschreibt die religiösen Aspekte der Bankenkrise unter dem Stichwort »Kapitalismus als Religion«:
Der Philosoph Walter Benjamin war überzeugt davon, der Kapitalismus weise eine vergleichbare Struktur auf wie die Religion und diene der Befriedigung derselben Sorgen, Qualen, Unruhen und Hoffnungen. Doch die kapitalistische Religion, schrieb Benjamin 1921, habe eine fundamentale Schwäche: Sie erlöst nicht, sie dient auch nicht der »Reform des Seins«, sondern verschuldet die Menschen untereinander. Benjamins Gedanken beschreiben die marktradikale Glaubenslehre immer noch treffend. Für diese Lehre ist der Markt der Allmächtige; er sieht alles und bestraft die Sünder. Nur wer Opfer bringt, Steuern senkt und dem Staat Ketten anlegt, stimmt das Kapital gnädig. Die Wall Street selbst, ihre »Jahrhundertkrise« (Alan Greenspan), hat die kapitalistische Religion entzaubert. Die unsichtbare Hand des Marktes ist unsichtbar, weil sie gar nicht existiert.