Weisheit der Woche: Tod und Ewigkeit

Was sich im Tod von einander trennt, sind nicht Leib und Seele, sondern Zeit und Ewigkeit. Das heißt: eine begrenzte und an diese Art von zeitlich-räumlichem Leben gebundene Existenzweise und eine andere Art von Leben, die von einem offenen, unbegrenzten Verhältnis zur Materie gekennzeichnet ist und in die hinein der Mensch mit dem Tod gelangt. …

Ewigkeit ist keine Verlängerung der Zeit in die Dimension des Unendlichen. Ewigkeit ist keine größere Menge, sondern eine andere Qualität unter dem Siegel der Fülle.

Leonardo Boff in Die Botschaft des Regenbogens

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Fundamentaliban

Gründlich missverstanden, was Paulus mit dem „guten Kampf des Glaubens“ meinte, hat eine militante Christengruppe in den USA. Sie plante Mordanschläge gegen die verhasste Regierung, aber angefangen hatte „Hutaree“ – nicht zu verwechseln mit den friedliebenden Hutterern – als „so ein christliches Ding. Man geht zur Kirche. Man betet. Man kümmert sich um seine Familie.

Die christliche Rechte in den USA, die auf Aufklebern mit Bibelsprüchen Obamas Sturz bzw. Tod erfleht, zu Sarah Palins Teapartys wallfahrtet, so ziemlich jeden Krieg bisher für gerecht erklärt hat und Todesstrafe im Gegensatz zu Genesis 4 völlig ok findet, wird sich jetzt unbequeme Fragen stellen lassen müssen. Aber vermutlich wird man sich umgehend zum Opfer linker Medienhetze stilisieren, um keine neuen Antworten geben zu müssen.

Die geben andere, und bei allem, was daran unausgegoren sein mag, wird hier doch verständlich, warum man jenseits des großen Teichs nicht so schnell aufhören wird, über eine neue Art des Christentums zu diskutieren.

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Hundesterben

Zum Nachdenken in der Karwoche ein treffendes Gedicht von Erich Fried:

Definition

Ein Hund
der stirbt
und der weiß
daß er stirbt
wie ein Hund
und der sagen kann
daß er weiß
daß er stirbt
wie ein Hund
ist ein Mensch

(Foto: Sleeping Street Dog von Jnarin – Creative Commons 2.0)

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Entschleunigt

Seit 4 Wochen bin ich fast überallhin zu Fuß unterwegs – auch eine Form von Entschleunigung. Nicht nur wegen der niedrigeren Geschwindigkeit gegenüber Rad und Auto, sondern auch, weil ich viel mehr Leute treffe und mit ihnen ins Gespräch komme. Fast auf jedem Weg in die Stadt spreche ich mit irgendwem, das ist eine schöne Erfahrung. Und ein Indiz dafür, wie beziehungsfeindlich unser Tempo werden kann.

Es hat mich zudem an den großen Aidan von Lindisfarne erinnert:

Aidan war trotz seiner hohen Position als Bischof und Abt ein sehr zugänglicher Mensch. König Oswin … hatte ihm zur Erleichterung seiner Missionsreisen ein edles Pferd geschenkt, das ihn schneller ans Ziel bringen und die Durchque- rung von Flüssen und anderen Hindernissen erleichtern sollte. Aber schon wenig später war Aidan wieder zu Fuß unterwegs. Er hatte das Tier samt der königlichen Ausrüstung an einen Bettler verschenkt und wollte lieber wieder auf Augenhöhe mit seinen Mitmenschen sein, wenn er reiste. Der brüskierte König stelle Aidan zur Rede: „Warum hast du das königliche Pferd weggegeben, das du für den eigenen Gebrauch nötig hattest? Haben wir keine weniger kostbaren Pferde und andere Besitztümer, die gut genug für einen Bettler wären, ohne ein Pferd zu verschenken, das ich eigens für dich ausgewählt habe?“ Aidan entgegnete: „Was sagt ihr da, Majestät? Ist dieses Kind einer Stute wertvoller als dieses Kind Gottes?“ Mit diesen Worten gingen die beiden auseinander. Später beim Essen – der König war gerade von der Jagd gekommen – stand Oswin nachdenklich am Feuer. Plötzlich wandte er sich Aidan zu, kniete vor ihm nieder und sagte: „Ich werde den Vorfall nie wieder erwähnen noch je wieder fragen, wie viel du von unserem Reichtum an Gottes Kinder verschenkst.“ Der gerührte Bischof half dem König sofort wieder auf die Beine und beide aßen mit einander. Aidan war (wenn er sich nicht in die Einsamkeit zurückzog) ständig im Gespräch mit Menschen, aber eben als einer der ihren, nicht vom hohen Ross herab. Im Gegensatz zum kolonialen Missionsstil der römischen Christen und der überwiegenden Mehrheit neuzeitlicher Mission außerhalb Europas (oder zur gewaltsamen „Mission“ der christlichen Machthaber von Karl dem Großen bis zu den Kreuzzügen) finden wir hier tatsächlich eine Bewegung, die den Spuren Jesu und der Apostel folgt.

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Unseriöse „Heiler“

Ein Gespräch von gestern geht mir noch nach. Es ging um eine schwer kranke Frau, die vor einer Weile starb. Ein paar mir bekannte christliche „Heiler“ hatten sich um sie bemüht und dabei ihr Umfeld wie auch sie selbst unter Druck gesetzt, sich im Namen des „Glaubens“ zu weigern, die Möglichkeit, dass die Patientin stirbt, überhaupt in Betracht zu ziehen. Dann kam der Abschied doch, und er war für die Frau sehr schwer. Freunde und Familie stehen nun vor der Aufgabe, das zu verarbeiten. Sie machen das gut, aber es kostet sie einiges.

Mich machen solche Geschichten wütend. Um es klar zu sagen: Ich glaube, dass Gott heute noch Menschen heilt. Ich glaube, dass das auch in medizinisch aussichtslosen Fällen geschehen kann. Aber selbst bei den bekannten Namen in der Heilungsszene ist letzteres die Ausnahme. Nüchtern betrachtet ist die Wahrscheinlichkeit auch hier gering. Manchmal frage ich mich, ob es nicht besser ist, einfach nur „normale“ Leute beten zu lassen. Und ob die „Erfolgsquote“ mancher Spezialisten nicht schlicht daher rührt, dass se für zehn- oder hundertmal so viele Leute beten wie wir anderen…?

Natürlich darf man sich freuen, wenn ein Gebet erhört und der Mensch gesund wird. Man darf es auch erzählen. Aber nur dann, wenn man auch bereit ist, von den anderen Fällen zu erzählen, wo Heilung ausbleibt! Wer das kategorisch verweigert, handelt unbiblisch und unchristlich. Der Heilungsdienst verkommt zu einer Form von Hokuspokus und Manipulation. Gott ist zweifellos auf der Seite des Lebens. Das Krankheit und ein früher oder qualvoller (oder auch ein gewaltsamer bzw. fahrlässig verschuldeter) Tod sein Wille ist, wird in der Bibel nie behauptet. Nur geschieht Gottes Wille noch nicht überall und noch nicht in vollem Umfang. Uns bleibt nur die Spannung zwischen der Realität und Gottes Verheißung, dass auch aus dem Leid einer aus den Fugen geratenen Welt noch Segen entsteht.

Wer also mit Todkranken zu tun hat, muss sie auch auf das Sterben vorbereiten. Alle anderen Ansätze haben für mich weniger mit dem Evangelium zu tun. Sie spiegeln vielmehr den erfolgsverliebten Zeitgeist wider, der vor dem Leiden und Sterben die Augen verschließt. Für Kranke und die Menschen in ihrer Umgebung ist das pures Gift.

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Ganz versunken

Ich habe die Nase wieder tief in Miroslav Volfs wunderbarem Buch Exclusion & Embrace. So bald ich wieder beide Hände frei habe, geht es ans Übersetzen des Textes für den Francke-Verlag. Nach allem, was ich bisher schon gelesen habe, finde ich das sehr spannend!

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Das Schlagwort-Dilemma

Schlagwörter sind ab und zu offenbar auch zum Schlagen da. Richtig verstanden dienen sie zwar als Kürzel, hinter denen in der Regel ein komplexer Sachverhalt steckt. So lange alle Beteiligten diesen kennen und ähnlich füllen, erleichtert das die Diskussion ungemein.

Leider jedoch werden sie schnell zu Etiketten, die anzeigen, wer draußen und wer drin ist, oder zu Kampfbegriffen, die Freund und Feind markieren. In diesem Stadium wird ein einst nützliches, sinnvolles Schlagwort (wie „missional„, „postmodern“ oder „emergent„, aber ähnlich auch „evangelikal“ etc.) dann zum kommunikativen Risiko, weil jede Seite den Ausdruck so füllt, dass ihre Siegchancen steigen. Er wird zum Kampfbegriff.

Oder er wird zum oberflächlichen Modewort – dann will sich jeder damit schmücken, ohne unbedingt verstanden (oder gar verinnerlicht) zu haben, was damit ursprünglich gemeint war. Andere fühlen sich parallel dazu abgehängt, und reagieren mit Kritik und Polemik. Nur kann man nicht beliebig neue Begriffe prägen, wenn sie (oft ja auch durch andere – übereifrige Fans, allzu radikale Verfechter, missgünstige Kritiker) verbrannt wurden. Was also tun?

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Blättern und Staunen

Die British Library hat einige grandiose Werke komplett ins Netz gestellt, darunter eine illustrierte äthiopische Bibelhandschrift, den Kodex Sinaiticus (eine der wichtigsten Handschriften des NT) und die Lindisfarne Gospels. DaVinci, Mozart und Händel sind auch mit von der Partie.

Etwas Zeit zum Staunen sollte man jedoch mitbringen, wenn man hineinklickt.

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Medium und Message

Form und Inhalt lassen sich in den seltensten Fällen trennen. Änderungen der Form verändern in der Regel den Charakter dessen, was man ausdrücken will. Wenn man (etwa in einem Alpha-Kurs) gemeinsam um einen Tisch herum sitzt und isst, dann ist es nicht unbedingt ratsam, einen Vortrag mit PowerPoint dranzuhängen. Aus einem Tischgespräch wird so eine Präsentation. Entsprechend anders fühlen sich die Gäste und reagieren entsprechend. Aus einer Tischrede im Kreis von Freunden wird eine Vorlesung oder ein Auftritt.

Etwas ähnliches passiert, wenn man den Organisten, der meist hinten oben unsichtbar irgendwo spielte, durch eine Band vorne auf der Bühne ersetzt, die (mangels anderer Symbole und Kunstwerke) auch noch den Blickfang abgeben muss, ergo auch gestylt und auf Dauerlächeln bzw. andächtig-verklärte Blicke getrimmt wird. Was zum Glück nicht überall der Fall ist bzw. von vielen Musikern auch als unangenehm empfunden wird.

Oder der gepflegt aussehende Prediger auf der Großleinwand, sorgfältigst ins rechte Licht gerückt. Überlebensgroß sein Gesicht, raumfüllend die Stimme, und egal, was seine Worte sonst noch alles sagen, wir haben schon verstanden, dass wir nach seinem Bild geformt werden sollen, bevor der erste Satz zu Ende ist. Die Symbolik ist in der Regel stärker als die Rhetorik.

Klar – man darf und muss alle Kommunikationsmittel nutzen. Aber sie predigen eben immer mit. Und manche Inhalte bleiben dabei vielleicht auf der Strecke. Umgekehrt darf man natürlich auch fragen, was eine Kanzel symbolisiert. Oder was es bedeutet, dass liturgische Gewänder wohl erst nachkonstantinisch belegt sind und der Tracht römischer Beamter nachempfunden…

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Freundliches Rauhbein

Eine Woche ist es nun her, dass Alan Roxburgh via Marburg wieder nach Vancouver entschwand und ich blicke zurück.

Alan voll in Fahrt...Alan selbst wirkt manchmal etwas schroff, wenn er bestimmte Positionen attackiert. Da merkt man ihm den Liverpooler Straßenjungen noch an. Einem guten Streit geht er nicht aus dem Weg. Doch selbst wenn seine zupackende Kritik in der Kurzform ab und zu rustikal anmutet, kann er im persönlichen Gespräch immer gute Gründe für seine Einschätzung nennen. Und hinter aller Deutlichkeit in der Sache hat er ein echtes Herz für die Leute und vor allem für Kirche mit all ihren Macken.

Am meisten habe ich diese persönlichen Gespräche genossen. Irgendwie wurden wir auf Anhieb warm mit einander, und wenn Vertrauen da ist, redet es sich ganz einfach. Seither sind ein paar Mails hin und her gegangen. In den nächsten Wochen gilt es nun zu überlegen, wie und wo wir Lerngruppen für LeiterInnen aus unterschiedlichen Gemeinden einrichten können, und wie man das dauerhaft anleiten und begleiten kann. Das eigentliche Abenteuer fängt also gerade erst an.

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„Ungläubige Pfarrer“

Alan Roxburgh wurde am letzten Wochenende auf „ungläubige Pfarrer“ angesprochen und war etwas verwundert, als Kanadier und Anglikaner kennt er das gar nicht. Wir haben uns eine Weile über das Thema unterhalten. Ich denke, dass es das – wenn überhaupt – nur ganz selten gibt. Ich kenne jedenfalls keinen.

Mag sein, dass das vor ein, zwei Generationen noch anders war, als eine Karriere in der Kirche wenn schon nicht viel Geld, so doch gesellschaftliches Ansehen und Einfluss zu versprechen schien. Ich erinnere mich auch noch daran, dass die pietistischen Studenten die Tübinger Theologieprofessoren immer in „gläubig“ und „ungläubig“ einteilen wollten. Eberhard Jüngel etwa war zu Recht ziemlich empört über diese Form der Inquisition. In der Regel suchte man nach Hinweisen, ob ein Dozent zur „Allversöhnung“ tendiert, das war der definitive theologische Sündenfall, die Auflösung aller Werte. Ach ja, Bultmann war natürlich auch „pfui“.

Heute ist das zum Glück weitgehend Geschichte. Natürlich gibt es eine große Bandbreite an theologischen Prägungen, aber das macht es ja auch reizvoll. Natürlich sind skurrile Meinungen, alle möglichen Irrtümer in Detailfragen und schräge Typen darunter. Manche sind unsicher oder kontrollwütig und schützen dann theologische Gründe vor, wenn sie andere einfach nur loswerden wollen. Und ab und zu erleben Pfarrer, wie andere auch, kleine und große Glaubenskrisen.

Wenn man unter diesen Macken leidet, kann man über diese Dinge nicht immer milde lächeln. Streiten wir also freundlich und bestimmt überall da, wo es nötig ist. Aber lassen wir dem anderen im Zweifelsfall doch dies, dass auch er glaubt und ernsthaft Jesus nachfolgt.

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Reise zum Leben

Ich hatte schon kurz darauf hingewiesen, dass Rainer Wälde einen sehenswerten Film über die keltischen Christen gedreht hat: Meine Reise zum Leben. Alan Roxburgh ist am vergangenen Wochenende auch immer wieder auf dieses spannende Kapitel der Kirchengeschichte zu sprechen gekommen, und die geistliche Leitung durch den Abt, die Praxis der Gastfreundschaft und der Tageszeitengebete dabei betont.

Ich habe das Projekt in seiner Entstehung verfolgt – bis hin zu einem kurzen Auftritt im Film selbst. Wer einen leicht verständlichen Einstieg sucht, der auch praktische Impulse für das eigene Leben bietet, der ist hier richtig. Also – einfach draufklicken und zurücklehnen…

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Mein Jesus – dein Jesus?

Neulich habe ich Der wilde Messias von Frost und Hirsch zur Hand genommen. Zu Beginn werden dort verschiedene Jesusbilder kritisiert, als Projektionen „entlarvt“ und für diverse Missstände in den Kirchen verantwortlich gemacht.

So weit, so gut. Aber dann habe ich eine Antwort auf die Frage vermisst,

  • ob solche Projektionen unvermeidlich sind (und der Jesus, der im Folgenden – in normativer Absicht! – beschrieben wird, das Abziehbild eines australischen Gemeindegründers im 21. Jahrhundert wird)
  • oder welche nachvollziehbaren Methoden der Rekonstruktion (um nichts anderes geht es ja) man anwenden muss, um eben dies zu vermeiden.

In den nächsten Wochen werde ich weiterlesen und die Antwort hoffentlich noch finden. Sonst wäre das Buch wohl eher – wie das Cover vermuten lässt – eine romantisierende Jesulogie als ein weiterführender Beitrag zur christologischen Debatte.

Nachtrag: Ein möglicher Ansatz wäre, interkulturell zu arbeiten. Was sehen Menschen aus anderen Kulturkreisen (und damit meine ich nicht so sehr hiesige „Szene“ oder Subkulturen) in Jesus, was kann ich von ihnen lernen – und was besser nicht?

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