Die lieben Griechen…

Eben lese ich von einem Flugblatt in Griechenland, das in Empörung über den frechen Focus zum Boykott aufruft und dabei folgende Aussage trifft:

Die Verfälschung einer Statue der griechischen Geschichte, Schönheit und Zivilisation, die aus einer Zeit stammt, wo sie (die Deutschen, Anm. d. Red.) Bananen auf Bäumen gegessen haben, ist unverzeihlich und nicht hinnehmbar.

Nun lieben die Germanen zweifellos ihre Bäume, für die sie von der EU jedoch keine Prämien kriegen und daher auch keine falschen Angaben machen mussten. Aber vielleicht sollten die klammen Wächter der Zivilisation nochmal die paar Zeilen zu „Bananen“ in der Wikpedia nachlesen…

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Was wen so wundert (und wen nicht)

Am vergangenen Wochenende war ich wieder unterwegs und habe mit einer sehr netten Gruppe unter kundiger Anleitung die Liturgie des evangelischen Gottesdienstes studiert und wenigstens in Ansätzen geübt. Zum Abschluss besuchten wir gemeinsam einen Gemeindegottesdienst, der von Pfarrer, Kantorin und Lektor zwar nicht nach der reinen Lehre der Liturgik, aber doch sehr ansprechend gestaltet worden war.

Wieder unter uns wurden im Nachgespräch die unorthodoxen Teile konstatiert und alles abschließend wohlwollend bewertet. Aber der Punkt, der mich am meisten verwundert und umgetrieben hatte, war offenbar keinem aufgestoßen (und, das muss fairerweise dazu gesagt werden, auch gar nicht Thema des Wochenendes): Unsere – altersmäßig gemischte – Gruppe hatte den Altersschnitt der Gottesdienstgemeinde nämlich mal eben so halbiert und die Zahl der Versammelten glatt verdoppelt.

Meine Frage war die ganze Stunde über die, ob hier (und nicht nur hier) die „Kerngemeinde“ mit ihren Bedürfnissen, Gewohnheiten und Erwartungen nicht auch eine kulturelle Barriere darstellt für andere. So schön es ist, die Qualität des vorhandenen Angebots hoch zu halten oder zu verbessern – müssen wir nicht noch viel dringender über neue und alternative Wege reden? Auch wenn freilich klar ist, dass nicht jede Innovation eine Verbesserung ist und nicht jedes Experiment gelingt?

Natürlich fiel mir der Kontrast auch deswegen so stark auf, weil das bei ELIA erfreulich anders ist. Doch das könnte ja in 10 Jahren schon ganz anders aussehen. Jetzt pharisäerhaft Gott zu danken, dass ich nicht bin wie dieser, bzw. meine Gemeinde nicht wie diese, wäre verfehlt. Ich muss mich vielmehr selber ständig fragen, woran ich mich alles schon gewöhnt habe: Wo werden meine Realitäten unter der Hand so zur „Normalität“, dass ich gar nichts anderes mehr denken kann oder von Gott erwarte?

Können sich Gemeinden ändern, und wie bleiben „alte“ Gemeinden jung und flexibel? Ich freue mich schon auf das Wochenende mit Alan Roxburgh vom 12.-14. März zu genau dieser Fragestellung: Welche konkreten Schritte können wir heute gehen, um nicht doch früher oder später zu verknöchern?

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Exzessive Gnade und falsche Rechenwege

Das Thema passt in die Passionszeit: Kevin Vanhoozer hat – sicher nicht als einziger – darauf hingewiesen, dass in der Postmoderne der Gedanke des „Überschusses“ ein wichtiges Element der Lehre von der Versöhnung geworden ist. Gottes Selbsthingabe in Christus übertrifft menschliche Schuld und Verlorenheit. Sie wiegt sie nicht einfach nur auf, tauscht nicht einfach die Plätze oder tilgt einfach nur die Schulden.

In der Passionsmystik – und das ist für viele heute ein fremder und anstößiger Gedanke – wurde die Relation oft umgekehrt und dann wurde das Kreuz nicht nur zum Zeichen dafür, dass wir uns nicht am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen können, sondern dass die persönliche Schuld eines jeden einzelnen so verheerend war, dass man mit Paul Gerhard sagen konnte:

Nun, was du, Herr, erduldet, Ist alles (!!!) meine Last; Ich hab’ es selbst verschuldet, Was du getragen hast.
Die Wunden Christi werden so zum Spiegel meiner individuellen Schuld. Als Dichter darf man durchaus dick auftragen und überspitzt formulieren. Aber für zarte Gemüter war das kein einfacher Gedanke und mündete immer wieder in Selbstanklagen. Oder die Frage, was für ein Gott das eigentlich ist, der sowohl für meine Fehlgriffe als auch für die grauenhaften Verbrechen eines Massenmörders und Folterers unterschiedslos die Todesstrafe und äußerstes körperliches und seelisches Leid fordert, selbst wenn er das nicht an mir selbst vollstreckt. Und genau so bedrohlich wird Gottes „Heiligkeit“ ja gelegentlich dargestellt: Deftige Beschreibungen der Höllenqualen sind die unausweichliche Folge.
Doch wenn wir verstehen, dass – um mit Paulus zu sprechen – die Gnade viel größer war und ist als alle Schuld und Sünde, die Menschen im Verlauf der Geschichte aufgehäuft haben, dann hört das Kreuz auf, zum Maß unserer „privaten“ Schuld zu werden. Sie hört aber nicht auf, ein Verweis auf die unermessliche Größe der Liebe Gottes zu sein! Exzessive Gnade heißt dann auch, dass ich meine Schuld auch nicht rückwirkend wiegen, zählen oder messen muss. Noch muss und darf ich sie mit der anderer Menschen vergleichen.
Die Logik des Umkehrschlusses führt dagegen in die Irre.

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Die Suche nach dem „dritten Weg“

Der dritte Weg ist derzeit für viele ein großes Thema. Es geht dabei nicht darum, zu sagen, dass alles bisherige falsch war – egal, wie man nun den ersten und zweiten Weg inhaltlich beschreiben würde – sondern nach einer Möglichkeit zu suchen, herrschende Gegensätze und vor allem Ausschlüsse zu überwinden, mit Paradoxien zu leben und zu einem tieferen Verständnis des Lebens vorzudringen. Im dualistischen Denken erscheint dies dennoch als Widerspruch.

Die Suche nach dem dritten Weg ist an vielen Stellen erkennbar. Es ist das erklärte Gegenstück zu faulen Kompromissen und kleinsten gemeinsamen Nennern. Es geht auch nicht um den prichwörtlichen „Mittelweg“. Anders als im Schema These-Antithese-Synthese scheint mir oft nicht die höhere Ebene, sondern das tiefere Verstehen das Ziel zu sein.

Treffend beschrieben hat Bernhard von Mutius diesen Ansatz in Die andere Intelligenz – Wie wir morgen denken werden. Ich habe eine stark vereinfachte Version seiner hilfreichen Gegenüberstellung hier eingefügt. Um die in dieser Kürze schablonenhaft wirkenden Begriffe zu entschlüsseln, ist die Lektüre des anregenden Sammelbandes jedoch sinnvoll.

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Es ist nicht einfach nur ein intellektueller, sondern ein spiritueller Weg. Das bedeutet, dass sich nicht nur der Inhalt der Erkenntnis dabei verändert, sondern auch ihr Subjekt. Für Glaube und Theologie hat auch Richard Rohr ein paar gute Gedanken dazu. Ganz am Ende von Ins Herz Geschrieben stellt er eine kleine Liste von Streitfragen zusammen, an denen die Misere des dualistischen Denkens sichtbar wird:

  • Kreationismus contra Evolution (bzw. Biblizismus und Szientismus)
  • Rechtfertigung durch Glauben contra gute Werke
  • Dilemma der Debatte um Homosexualität
  • Kontinuität contra Innovation
  • Geist contra Natur
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Dreimal drei ist Neun

Der Theologe und Blogger Ben Myers hat einen bemerkenswerten Fall von „Theology Fail“ dokumentiert: Benny Hinn hat die Trinität kurzerhand potenziert. Das Gewöhnliche war ihm wohl noch nie genug. Ich war jedenfalls ganz Hinn und weg:

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Fundgrube

Heute bin ich auf den Blog Natur des Glaubens von Michael Blume gestoßen. Aus der Fülle interessanter Beiträge im Grenzbereich von Biologie und Religionswissenschaft fand ich beim ersten Herumblättern – und es gibt noch viel zu entdecken – zwei besonders interessant:

Ein Bericht über das Buch Mothers and Others von Sarah Hrdy, das eine „weibliche“ Perspektive der menschlichen Evolution entfaltet, in dem die „männliche“ Lesart der Frühgeschichte unserer Gattung, die vorwiegend blutige Beutezüge und Stammeskämpfe am Werk sah, korrigiert wird. Anders als bei Primaten und anderen Säugetieren, bei denen alles an den Müttern hängt, wurden und werden Menschenkinder gemeinschaftlich erzogen. Nicht nur die Väter, sondern auch Großeltern waren und sind beteiligt. Das ist nicht nur zur Entwicklung intellektueller und sozialer Fähigkeiten wichtig, sondern auch für die Entwicklung von Religiosität. Denn auch die meisten religiösen Gemeinschaften haben den Charakter der Großfamilie („as-if kin“).

Und ein Post über Hirnforschung bezüglich Spiritualität und Religion, der auf spannende Zusammenhänge verweist: Spirituelle Erfahrungen, etwa des „absoluten Einsseins“, spielen sich in anderen Gehirnregionen ab als religiöse Aktivitäten wie das Gebet. Es gibt tatsächlich religiöse Menschen ohne spirituelle Erfahrungen und Spiritualität ohne religiösen Bezug. Religiosität kann als gemeinschaftsbildend und -fördernd verstanden werden. Spiritualität dagegen spielt bei der Überwindung von Egoismus und Fremdenfeindlichkeit eine Rolle. Insofern ist es mehr als sinnvoll, beides zusammenzuhalten. Eine Spannung bleibt: Mystiker wehren sich gegen die Definitionen und Gottesbilder konkreter Glaubensgemeinschaften und -traditionen, Religionsgemeinschaften dagegen haben ein ambivalentes Verhältnis zu Mystikern. Auch gut formuliert: die abschließenden Gedanken zur Frage, ob Gott ein Hirngespinst ist.

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Neues von den Iren

Im adeo-Verlag erscheinen in diesen Tagen das Irische Gebetbuch mit Gebeten der Northumbria Community (aus Celtic Daily Prayer) und aus Iona. Der Titel ist leicht irreführend, weil keiner dieser Orte direkt auf der grünen Insel liegt, aber der Inhalt ist für viele eine geistliche Schatzkiste.

Passend dazu der Film von Rainer Wälde Meine Reise zum Leben, an dem er diese beiden Orte und etliche andere wie zum Beispiel das Kloster Glendalough besucht, die Spiritualität der iroschottischen Mönche nachzeichnet und ihre Geschichten erzählt.

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Ganz großes Kino

Der katholische Theologe James Alison spricht über Versöhnung. Ich habe ja schon eine Menge Predigten und Vorträge gehört zu diesem Thema, aber das gehört zum Besten, was ich kenne. Einerseits so mitreißend vorgetragen, dass es nie langweilig wird , andererseits so dicht, dass man es zwei oder dreimal hören muss, – oder immer wieder eine Pause einlegen, um nachzudenken und sich Dinge zu notieren. Und er klingt fast ein bißchen wie N.T. Wright.

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„Das war doch ein gutes Gespräch, oder?“

… sagte mir jemand vor einiger Zeit. Ich gab eine ausweichende Antwort, denn auf diese Frage hin spulte mein Gehirn die Unterhaltung vom Vorabend in der kleinen Gruppe noch einmal ab. Ich erinnerte mich, wie ich irgendwann die Lust verloren und mich verabschiedet hatte, weil mir die langen Monologe auf die Nerven gingen, zu denen die übrigen Anwesenden nur die Stichworte liefern durften.

Wenn man mal bundesligatechnisch von „Ballbesitz“ reden wollte, dann hätte dieser Spieler gut zwei Drittel allein bestritten. Ich konnte die Reaktion der anderen aus der Runde kaum deuten, die höflich zuhörten, es jedoch zu vermeiden schienen, durch Nachfragen weiteren Redefluss auszulösen. Kurz: Diese asymmetrische Unterhaltung war zumindest für uns andere eher kein gutes Gespräch gewesen.

Als ich meine Sprachlosigkeit überwunden hatte, war es zu spät, um den Satz noch zu kommentieren. Aber schön, dass die Unterhaltung wenigstens einem von uns gut getan hatte.

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Gemischte Gefühle

Im Rahmen einer Fortbildung habe ich am letzten Sonntag einen – durchaus gut gestalteten – agendarischen Gottesdienst besucht. Es war eine eigentümliche Mischung aus Befremden und Wiedererkennen für mich. Und nachdem ich hier schon vor längerer Zeit einmal die Frage gestellt hatte, was eigentlich unsere Liturgie „predigt“, war diesmal mein Gesamteindruck der, dass hier ein sehr starker und – jetzt lehne ich mich aus dem Fenster – auch recht einseitiger Akzent auf Schuld und Vergebung zu spüren war, der von den Chorälen noch unterstrichen wurde.

Dagegen erscheint das Heil in den Formulierungen tendenziell doch eher als etwas zukünftig-jenseitiges, es wird daher erbeten und verheißen, aber nicht so richtig gefeiert und genossen. Zwei Aspekte, die völlig untergehen, sind das Wachsen im Glauben (der Pietismus würden hier von „Heiligung“ reden) und die Sendung der Christen in die Welt (es sei denn, dass man letzteres mit dem Schlusssegen als abgehakt betrachtet).

Dass heute viele Menschen ihre Mühe mit diesem Thema Schuld/Sühne/Vergebung haben, mag nicht nur mit dem Traditionsabbruch und fehlenden Zugängen zu tun haben, sondern auch mit der Überdosis dieses Aspektes, die sich über Generationen angesammelt hat, und die nun an manchen Stellen dazu führt, dass man das Kind mit dem Bad ausschütten will. Aber mein subjektives Empfinden beim Durchgang durch die Liturgie war eben auch, dass sich die Beschreibungen der Liebe Gottes weitgehend darin erschöpfen, dass er barmherzig ist und auf Strafe verzichtet.

Man könnte also sagen, dass von den drei Wegen der Spiritualität – purgatio, illuminatio und unio – nur der erste explizit thematisiert und eingeübt wird. Natürlich kann man mit einem einzigen Gottesdienst nie alles unterbringen. Trotzdem – im Evangelium steckt mehr, als diese Gottesdienstform vermuten ließe.

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Kleinvieh macht auch Mist…

Bei manchen Passagen in diesem schön geschriebenen Buch von Rohr hatte ich fast das Gefühl, Brian McLarens Stimme zu hören. Brille, Bart- und Haartracht sind schon ähnlich, aber die Verwandtschaft der Herzen ist deutlich erkennbar. Beide arbeiten das ambivalente Erbe ihrer jeweiligen Tradition engagiert auf, nehmen dabei kein Blatt vor den Mund und bleiben dennoch nicht beim Negativen stehen.

Es sind nicht die «schlimmen Sünden», die die Leute vom Festmahl abhalten, und das ist bei uns genauso: auch uns hält unser tägliches Besetztsein von tausend nicht so wichtigen Dingen davon ab, hinter die «Schatten und Schleier» zu blicken. Dann sehen wir nicht die «unergründliche Tiefe der Dinge», wie es der Dichter Gerald Manley Hopkins formulierte. Die Spiritualität lehrt uns den Grundsatz, dass die Innenseite der Dinge größer ist als die Außenseite.

Richard Rohr,  Ins Herz Geschrieben, S. 250

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Spruch des Tages (15)

Im christlichen Gottesdienst ist die Sprache der Rechte fehl am Platz, außer wenn sie dazu dient, uns an die Rechte anderer zu erinnern. Was uns betrifft, so bekennen wir, dass wir nicht von Rechtsansprüchen reden können, denn uns ist alles gegeben und alles vergeben und alles verheißen.

Lesslie Newbigin

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Kinder bringen Farbe ins Leben

Die meisten Eltern nehmen mit einem gewissen Stolz zur Kenntnis, wie ihre Kinder größer werden. Irgendwann ist der Tag erreicht, wo sie mit uns gleichziehen. Hände und Füße wachsen dabei noch einen Tick schneller als der Rest des Körpers. Der Geist kommt irgendwann nach, zunächst aber sind die Heranwachsenden doch erkennbar zerstreut. Beides zusammen hat bei mir dazu geführt, dass sämtliche Handschuhe verschwunden waren, weil sie den Jungs inzwischen passten, aber von ihren Reisen in die Schule oder zu Freunden nicht wieder zurückkehrten.

Neulich suchte ich also nach einem Ersatz für meine schwarzen Windstopper-Handschuhe. Zuerst dämmerte mir, dass sich teure Exemplare wohl nicht lohnen würden und bald das Schicksal ihrer Vorgänger teilen würden. Bei den billigen hatte ich dann die Wahl zwischen schwarz, braun und feuerrot. Ich entschied auf Rot in der Hoffnung, dass es für Teenager zu peinlich wäre, mit Nikolaushandschuhen herumzulaufen. Die Rechnung ging auf, niemand rührt meine Handschuhe an. Und sollte mal eine Ampel ausfallen, könnte ich mich mit den leuchtend roten Händen auch auf die Kreuzung stellen und den Verkehr regeln…

Kinder bringen eben Farbe ins Leben!

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