Emergentes Abendmahl

DSC04859Als wir heute morgen zum Abschluss des Emergent Forum das Abendmahl feierten, hatte ich einen dieser kleinen Geistesblitze. Es wird ja immer wieder diskutiert, was das Abendmahl nun genau ausmacht, inwiefern Gott „im“ Brot und Wein Menschen begegnet, wie „realistisch“ man sich das vorstellen muss (was, wenn ein Stück Brot herunterfällt oder Wein verschüttet wird?) oder ob das alles „nur“ symbolisch aufzufassen sei, ob also die Elemente nur eine Hilfe zur Visualisierung seien, das „Eigentliche“ dagegen das Wort oder der Geist, also eine gänzlich unanschauliche, immaterielle Angelegenheit.

Um es kurz zu machen: Weder das eine – noch das andere. Das Abendmahl ist ein Beziehungsgeschehen. Es besteht exakt darin, dass eine glaubende Gemeinschaft von Jesusnachfolgern, Gottes Geist, das Wort der Verheißung und eben Brot und Wein an einem konkreten Ort zusammenkommen. Und das Zusammenkommen ist „das Eigentliche“. In dieser Beziehung aktualisiert sich ein Verhältnis, das von Jesus gestiftet und durch seinen Tod und seine Auferstehung begründet wurde. Aber eine Aktualisierung ist mehr als eine Erinnerung. Es wird eine Dynamik in Kraft gesetzt, ein Grundmuster kommt zum Vorschein, wenn wir die Worte sprechen, das Brot brechen und aus diesem Kelch trinken. Ein Muster, das verbindet: Menschen untereinander und Gott mit den Menschen. Ein Muster, das in Gott selbst schon angelegt ist, und in dem er sich uns mitteilt, und durch uns der ganzen Welt mitteilen möchte.

Wahrscheinlich bin ich der letzte, der das nun auch kapiert hat. Aber schön, dass der Groschen gefallen ist!

Share

Weisheit der Woche: Poesie der Bibel

Die Botschaft der Bibel ist provokant: Gott als Schöpfer der Welt lässt sich radikal auf ebendiese ein; er wird in Jesus Mensch und gibt uns mit dessen Auferstehung Hoffnung. Diese Essenz ist viel zu wertvoll, um sie durch eine konventionelle Sprache verpuffen zu lassen. Prediger sollten mehr auf die poetische Schönheit der biblischen Worte und die Kraft der Geschichten vertrauen.

Alexander Deeg in der Zeit (via crenz)

Share

Jetzt gehts los

Die Tische sind gedeckt, die ersten Macbooks (und ein paar andere Rechner) werden aufgeklappt, alte Bekannte fallen sich in die Arme und neue Bekanntschaften werden geschlossen. Das Emergent Forum startet in ein paar Minuten. Hundert Leute und das alles ohne Stars und große Redner. Ich bin vielleicht gespannt auf die nächsten beiden Tage!

Zum Liveblog geht es hier

DSC01889.JPG

Share

Keine Rechnung stimmt mehr…

Eben war ich bei der Grundsteinlegung unseres neuen Stadtteilhauses. Die großen Krisen unserer Zeit kamen alle vor: Würde heute über den Bau entschieden, gäbe es kein Geld mehr für das Projekt. Und der Architekt sagte zu meinem Erstaunen, in der Bauplanung rechne man damit, dass es keinen Winter gebe, der den Baufortschritt hemmt. Ob Kämmerer oder Bauleute: Keiner kalkuliert mehr wie früher.

DSC01888.JPG  

Share

Ich sehe was, was du nicht siehst… ?

Es ist wieder Zeit für eine Runde Piranha-Futter mit Onkel Lindbeck. 😉 Diesmal macht er sich Gedanken über die Versuchung zu religiöser Prahlerei und Imperialismus am Beispiel von Rahners Annahme, dass es „anonyme Christen“ gibt, und schreibt

Es liegt etwas Arrogantes in der Unterstellung, dass Christen wüssten, was Nichtglaubende in den Tiefen ihres Seins erfahren und glauben, und zwar besser, als diese selbst es wissen, und dass daher die Aufgabe von Dialog oder Evangelisation die sei, ihr Bewusstsein dafür zu schärfen. Die Mitteilung des Evangeliums ist nicht eine Form von Psychotherapie, sondern vielmehr das Angebot und der Vollzug, die eigene, geliebte Sprache – die Sprache, die von Jesus Christus spricht – mit all denen zu teilen, die daran interessiert sind (…).

Der Satz „ich weiß genau, du willst es doch auch“ hat offenbar immer etwas Übergriffiges. Klar pointiert Lindbeck hier stark und Rahner würde sich vermutlich sehr missverstanden fühlen. Nachdenkenswert ist der Einwand aber allemal, denn – Rahner hin oder her – die Versuchung zu solchem Denken besteht ja durchaus.

Share

Eingekerkert

Spiegel Online berichtet über einen Mann in Belgien, der 23 Jahre im vermeintlichen Wachkoma lag, doch in Wirklichkeit zwar gelähmt, aber bei vollem Bewusstsein war. Ich mag mir das gar nicht richtig vorstellen. Vielleicht wäre mir eben das leichter gefallen, hätte ich nicht erst kürzlich diese Folge von Dr. House gesehen, die jedoch vergleichsweise gut ausging.

So aber wirkt es wie Isolationshaft oder lebendig begraben zu werden. 23 Jahre, komplett abgeschnitten von der Welt! Offenbar ist nicht auszuschließen, dass ähnliche Fehldiagnosen auch in anderen Fällen bestehen. Statt außerirdische Intelligenz zu suchen, sollten wir vielleicht mal unsere Komapatienten genauer ansehen. 18 von 44 untersuchten Komapatienten waren ansprechbar, sagte der Forscher Steven Laureys.

Als Rom Houbens schließlich „entdeckt“ wurde und man ihm half, sich mitzuteilen, war das für ihn wie eine zweite Geburt, schreibt er. Trotzdem hat mich die Geschichte schwer beunruhigt.

Share

Keine Verdammnis außerhalb der Kirche

Ich lese gerade George Lindbeck in Vorbereitung auf das Emergent Forum. Er beschäftigt sich mit exklusiven Tendenzen im Christentum und schreibt etwas provokativ, man könne im Blick auf manche Bibelstellen (1 Petr. 4,17 oder Mt 19,30) den Eindruck gewinnen…

… dass die Bibel Cyprians Behauptung, es gebe kein Heil außerhalb der Kirche (extra ecclesiam nulla salus) mit einem gleichermaßen emphatischen Bestehen darauf ausgleicht, dass die Verdammnis, die bewusste Opposition zu Gott nur innerhalb der Kirche, nur im Volk Gottes selbst anfangen kann: Jesus rief sein Wehe (und weinte), so wird man sich erinnern, über die Städte Israels und nicht über jene der Heiden aus. Aus dieser Sicht kann es keine Verdammnis – ebenso wie kein Heil – außerhalb der Kirche geben. Man muss, mit anderen Worten, die Sprache des Glaubens lernen, ehe man genug über seine Botschaft wissen kann, um sie wissentlich zurückzuweisen und so verlorenzugehen.

Share

Dip Church

… müssten wir uns eigentlich nennen, weil beim Abendmahl wegen der neuen Grippe derzeit nur „Eintauchen“ angesagt ist.

Share

Messianische Bürde

In diesen Tagen wird viel geschrieben über Barack Obama und was er nach einem Jahr alles noch nicht erreicht hat. Christoph Bertram fragt nach realistischen Erwartungen an Politiker und rückt die Perspektive der Kritik auf Zeit Online sehr besonnen zurecht:

Der entscheidende Maßstab für die Bewertung Barak Obamas kann deshalb nicht sein, dass er noch keine Wunder vollbracht hat. Sondern ob er über den langen Zeitraum, den die Verwirklichung seiner ambitionierten Ziele erfordert, den nötigen Willen und Atem behält. Daran sollte er einst gemessen werden. Wer ihn stattdessen schon jetzt unter Erfolgsdruck setzen möchte, ist entweder ein Ignorant – oder aber einer, der diese Ziele nicht will.

Share

Das Ja der Stille

Meine Meditationsübung besteht im Augenblick darin, still zu sein und bei jedem Ausatmen „ja“ zu sagen – in Gedanken, nicht laut.

Zwei Dinge sind mir sofort aufgefallen: Das deutsche Ja hat dafür einen schönen Klang. Das kommt ja nicht so oft vor, aber rein vom Klang her finde ich Ja schöner als yes oder oui. Letzteres erinnert mehr an unsere Meerschweinchen, wenn sie „quiek und Frieden“ spielen (um Kommentaren vorzugreifen: Klar, ist natürlich Geschmackssache, und nein, ich mag die Franzosen).

Obwohl es ein unspezifisches „Ja“ ist, keine Antwort auf irgendeine konkrete Frage also, hatte ich schon den Eindruck, dass es mich irgendwie positiv stimmt. Eigentlich sogar noch etwas mehr: Es kam mir so vor, als käme auf die eher monotone Übung aus meinem Inneren eine Resonanz. Hinter den Gedanken an Dringendes und Belangloses und den tausend Dingen, die mir durch den Kopf gehen und mich ablenken, atmet so etwas wie mein wahres Ich oder der neue Mensch, der aus Gottes uneingeschränktem Ja zu mir lebt.

Am meisten hat mich dabei überrascht, wie überrascht ich war, dass es diesen Teil (oder wie soll man das sonst sagen?) von mir wirklich gibt. Manchmal bin ich so mit den un-heilen Affekten beschäftigt, dass ich es aus den Augen verliere.

Share

Kein Neuanfang ohne Tradition

Als noch niemand von Ancient Future oder Deep Church sprach, formulierte Bertolt Brecht schon den folgenden Gedanken, der sich in der Theologie und Kirche ebenso bewahrheitet wie in Theater und Literatur:

Wichtig ist in unseren Werken auch die Technik des Neuanfangens, von solchen entwickelt, welche die Tradition beherrschen, denn der Neuanfangende, der die Tradition nicht beherrscht, fällt leicht unter die Herrschaft der Tradition zurück.

Share

Auf Wiederlesen

Heute fand ich mit etwas gemischten Gefühlen die erste Weihnachtskarte in der Post. Aber das Fest ist nicht mehr fern, und mit ihm Geschenke, die ich aussuche und andere die ich bekomme, darunter – in beiden Richtungen – natürlich wieder etliche Bücher.

Trotzdem habe ich mir in diesen Tagen die Frage gestellt, welche Bücher ich in den nächsten Monaten noch einmal lesen will. Manchmal entdeckt man beim zweiten Mal wichtige Dinge, über die man beim ersten Lesen noch hinweggegangen ist. Manchmal tut es einfach gut, sich an Bekanntes erinnern zu lassen.

Die Liste ist noch am Entstehen, mein Blick schweift immer wieder über die Regale. Da steht zwar auch noch das eine oder andere ungelesene Buch. Das erste aber, das in die Auswahl zum Wiederlesen gekommen ist, ist Vincent Donovans Christianity Rediscovered, das ich auf diesem Blog schon ab und zu erwähnt habe. Als nächstes steht John D. Caputos What would Jesus deconstruct? an. Und Terry Eagletons The Meaning of Life, das gibt es auch auf Deutsch.

Alex wird mit der KD ausgelastet sein, aber alle anderen sind herzlich eingeladen, ihre Kandidaten in den Kommentaren zu nennen. Bibel übrigens ausgenommen, die lest Ihr sowieso, da muss man (an dieser Stelle jedenfalls) nicht drüber reden.

Share

Mein Problem mit dem Problem

Heute las ich in der Vorbereitung auf die Konfigruppe einen Vorschlag für einen Einstieg ins Gespräch, der ungefähr so aussah:

  • Wir malen einen großen Kreis in die Mitte und schreiben dort hinein, was in unserer Welt alles schief läuft bzw. nicht in Ordnung ist.
  • Dann überlegen wir, was man dagegen tun kann und schreiben das auf, außen herum.
  • Schließlich fragen wir, ob diese Maßnahmen denn wohl ausreichen würden, um die Probleme zu beheben

Die Antwort lautet selbstverständlich „nein“, und daher müssen wir dann auf das Thema Sünde und Erlösung zu sprechen kommen. Doch das Problem ist für mein Empfinden auf eine fatale Weise falsch gestellt. So, wie es hier aufgezogen wird, werden fast zwangsläufig „geistliche“ Lösungen gegen praktische und politische ausgespielt. Als ob es wichtiger wäre, dafür zu sorgen, dass Menschen Christen werden, statt den Armen zu helfen. Die alten Scheinalternativen lassen grüßen: Die einen beten, die anderen protestieren und reformieren…

Nicht unbedingt glaubwürdiger wird die „geistliche“ Lösung, wenn man sich eingesteht, dass sich viele reiche Christen um die Armen nicht allzu sehr sorgen und sich als Friedensstifter auch nicht gerade sehr profilieren. Rechtgläubigkeit per se führt leider keineswegs immer zu einem spürbar verbesserten Sozialverhalten. Manche sitzen im Kokon ihrer Subkultur, klagen über die böse Welt und warten auf die Entrückung – oder was auch immer.

Wenn schon, dann müsste die Frage doch lauten: Wenn wir wissen (und das tun wir ja, wenn auch nicht lückenlos und natürlich nicht über Nacht), wie wir die Erderwärmung begrenzen, Frieden fördern, Korruption eindämmen und den Hunger beenden könnten, warum tun wir es nicht einfach? Dann würde deutlich werden, dass eine Revolution der Herzen ebenso wichtig ist wie eine Revolution der Strukturen und Verhältnisse, aber keines von beiden ohne das andere bleiben darf. So wird ein Schuh draus.

Share