Taktvoll

Heute morgen im Zug fand ich mich in einem Abteil mit einer jungen Mutter und zwei lebhaften Kleinkindern wieder. Es gelang mir nicht so recht, mich auf mein Buch zu konzentrieren, und ich hatte das Gefühl, die leicht genervte Mutter wäre auch etwas entspannter, wenn sie nicht meinetwegen für Ruhe sorgen müsste.

Andererseits wollte ich nicht einfach aufstehen und gehen, weil ich fürchtete, das sähe auch blöd aus und würden als ungnädiges Urteil über das redliche (wenngleich aussichtslose) Bemühen um so etwas wie Ruhe missverstanden. Also wartete ich den nächsten Halt ab, verabschiedete mich und zog zwei Waggons weiter. Nicht in Richtung Speisewagen, weil die drei (wenn sie es wagen würden, ihr Gepäck allein zu lassen) vielleicht noch einen Ausflug in diese Richtung unternehmen würden, sondern zum Ende des Zuges hin.

Dumm gelaufen: Eine halbe Stunde später kamen die drei an meinem Platz vorbei. Ich hoffe nur, die Mutter hat mich vor lauter Kleinkindgewackel übersehen. Wahrscheinlich hatte sie den Ausflug zum Speisewagen für später aufgehoben.

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Wenn Du es eilig hast…

Gut, es lag auch am Wetter. Als ich aus meiner Sitzung zum Bahnhof Wilhelmshöhe eilte (danke fürs Mitnehmen, Frank!) hatte ich nur den Zug im Kopf und das interessante Gespräch auf dem Rückweg. Erst auf dem Bahnsteig fiel mir auf, dass ich meine Jacke in der CVJM-Tagungsstätte vergessen hatte. Bei der frühlingshaften Wärme hatte ich sie (anders als bei der Anreise am Morgen) nicht weiter vermisst. Also, nochmal den ganzen Weg zurück. So kann’s gehen, wenn man Zeit sparen will.

Neulich auf dem Passamt musste ich meinen neuen Ausweis unterschreiben. Die freundliche Beamtin meinte, als sie mir zusah: “Jetzt glaube ich Ihnen den Doktor” (der stand nämlich im alten PA noch nicht drin). Das mit der Jacke heute geht aber schon in Richtung Professor, so rein vom Klischee her…

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Tiefe Gemeinschaft?

Sennetts beunruhigende Beobachtungen gehen weiter. Das überzogene Interesse am eigenen Innenleben und dem des Gegenübers hat unmittelbare soziale Auswirkungen. Beziehungspflege wird zum Selbstzweck, aus einer Gruppe, die über sich hinaus sieht, wird eine abgeschlossene Clique.

In dem Maße, wie das Interesse an der Frage nach dem Selbst gewachsen ist, ist die gemeinsame Arbeit mit Fremden im Dienste sozialer Zwecke zurückgegangen. (…) In lokalen Vereinen und Zusammenschlüssen z.B. haben die Menschen oft das Gefühl, sie müssten einander als Personen kennen lernen, um miteinander handeln zu können; sie geraten dann in einen Prozess der gegenseitigen Selbstoffenbarung, der Immobilität hervorruft, und nach und nach verlieren sie die Lust, gemeinsam zu handeln. (S. 27)

Gemeinschaft kann also so “tief” werden, dass sie nicht mehr über den eigenen Tellerrand blickt. Ich fürchte, das geht schneller, als wir ahnen. Schon mal erlebt?

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Das verkehrte Gefühl

Ich knüpfe an das gestrige Zitat von Richard Sennett an. Er bezieht seine Beobachtungen nicht explizit auf Gemeindeleben und Spiritualität, aber manche Parallelen liegen doch auf der Hand:

Narzisstische Charakterstörungen haben deshalb so zugenommen, weil die heutige Gesellschaft ihre inneren Ausdrucksprozesse psychologisch organisiert und den Sinn für sinnvolle soziale Interaktionen außerhalb der Grenzen des einzelnen Selbst unterminiert. (S. 22)

Das klingt jetzt noch relativ abstrakt, aber es wird gleich deutlicher, wenn er schreibt:

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Relevanz, Relevanz…

Seit einiger Zeit beschäftigen mich einige Gedanken aus Richard Sennetts Buch Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität. Seine These ist, dass das Private und Intime das Öffentliche (und damit Politik, soziale Verantwortung, Engagement und Gerechtigkeit) längst verdrängt hat. Tobias hat vor einiger Zeit darüber geschrieben.

Es wäre ein Wunder, wenn das nicht schon längst seinen Weg in die Kultur unserer Gemeinden gefunden hätte. Dies könnte zum Beispiel ein Hinweis sein:

Zum Narzissmus gehört zum Beispiel die bohrende Frage, was diese Person, dieses Ereignis “für mich bedeuten”. Diese Frage nach der “Relevanz” anderer Menschen oder äußerer Handlungen für die jeweilige Person wird immer wieder von Neuem gestellt, so dass die deutliche Wahrnehmung der Personen und Handlungen getrübt wird.

Irgendeiner Sache “da draußen” gestehen wir nur dann einen Wert zu, wenn sie eine Resonanz “hier drinnen” erzeugt. Wir reagieren kaum auf die Nachricht, dass eine Katastrophe oder ein Krieg Tausende das Leben gekostet hat, es sei denn, wir sehen grausige Bilder davon; aber wir können uns endlos Gedanken über das Privatleben unserer Stars machen (und schauen uns die hübschen Bilder dazu an). Wenn der Tsunami keine deutschen Touristen erwischt hätte, wären die Spenden kaum so hoch gewesen. Fürs Klima interessieren sich die Amerikaner erst richtig seit Katrina und wir, seit der Winter einen Bogen um uns macht.

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Heilsame Verfremdung

Die Schrift und die Tradition müssen so gelesen werden, dass ihre Fremdheit herauskommt, das nicht-offensichtliche und unzeitgemäße an ihnen, damit sie von Neuem und wahrhaft gelesen werden können von einer Generation nach der anderen. Man muss sie komplizierter machen, bevor man ihre Einfachheit richtig begreifen kann… Und dieses “Verkomplizieren” – dieses Bekenntnis, dass sich nicht sofort und ohne weiteres erschließt, was das Evangelium in der Schrift und Tradition sagt – ist vielleicht eine der grundlegendsten Aufgaben der Theologie.

Rowan Williams, Arius: Heresy and Tradition (2nd ed.; Grand Rapids: Eerdmans, 2001), p. 236 (gefunden bei Faith & Theology)

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Knecht Rupert schägt zu…

Manchmal braucht es keine Propheten, sondern ein Präsident tut es auch: Horst Köhlers Weckruf zum Klimaschutz hat aber trotzdem nur einen lauten Schnarcher aus Ingolstadt hervorgerufen. Audi-Chef Rupert Stadler findet, seine Firma sei “keine Sozialhilfestation”. Und er fügt hinzu, wie er die Probleme lösen will – durch Aussitzen:

Das Thema Kohlendioxid ist nun hinreichend plattgetreten in der Öffentlichkeit, die Gesellschaft wird in einigen Wochen wieder auf den Boden der Realität zurückkehren.

Brüssel wird sich drei Mal überlegen, ob sie uns ärgern wollen.

Ist das nur ein kurzzeitiger Aussetzer oder schon alarmierender Realitätsverlust? In der Leserbriefspalte der Nürnberger Nachrichten wird heute schon diskutiert, ob man Audi nicht boykottieren sollte. Vermutlich schon, denn einbrechende Gewinne sind scheinbar die einzige Sprache, die man dort versteht.

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Real-Absenz ;-)

Na also: Bayern wirft Real verdient aus der Champions League und zeigt, dass es trotz Platz 4 in der Bundesliga international zu den Großen gehört – als einziger deutscher Verein. Und die Meisterschaft ist auch noch lange nicht entschieden…

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Au weia: eine Fundipedia?

Weil im frommen Ghetto die offene Wikipedia ähnlich gefährlich scheint wie das Internet in China – man könnte beeinflusst werden und eine eigene Meinung entwickeln – gibt es jetzt die Conservapedia. Nicht nur fromm, sondern auch patriotisch, das gehört schließlich zusammen.

Conservapedia is a much-needed alternative to Wikipedia, which is increasingly anti-Christian and anti-American.

Laut Spiegel online hält das Opus aber auch Humoriges bereit, wenngleich wohl eher unfreiwillig 🙂 Der dort erwähnte Beitrag über einen Oktopus, der auf Bäumen lebt, ist aber leider gelöscht.

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Wa(h)lanalysen

Mehr oder weniger zufällig bin ich kürzlich auf ProphetCom gelandet und habe dort die latest prophecies nachgelesen. Nun kenne ich einige der Beteiligten dort persönlich und schätze sie und will niemanden hier in irgendeiner Weise schlecht machen. Bevor hier jemand etwas anderes vermutet: Ich glaube auch, dass es echte Propheten gibt und dass Gott heute noch reden kann und will, und habe es erlebt – zumindest hin und wieder. Und Achtung: Vor Ironie wird gewarnt…

Trotzdem fällt es mir schwer, dem zu folgen, was da auf ProphetCom steht. Es wird auch gerade überarbeitet, und zum Glück ist England weit genug entfernt, um mal einen nüchternen, postcharismatischen Blick darauf zu werfen: Ein Beitrag (vom Februar 2006) beschäftigt sich mit einer bevorstehenden Überschwemmung in London (die blieb wohl aus), ein anderer mit der Frage, ob der Wal in der Themse, der es letztes Jahr sogar auf unsere Titelseiten geschafft hat, eine besondere Bedeutung hatte. Im Stil von Stichwortassoziationen werden Querverbindungen hierhin und dahin gezogen: Jona zum Beispiel (aber war das nicht ein Fisch oder, so die Septuaginta, ein Seeungeheuer?).

Und ich frage mich: Könnte es sein, dass hier ein Muster vorliegt?

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Klare Indizien

Letzte Woche haben wir seit Ewigkeiten wieder mal gemeinsam einen TV-Krimi angesehen. Ich hätte misstrauisch werden sollen, als die zweite Werbung für Dritte-Zähne-Haftcreme kam. Solche Signale für programmierte Langeweile darf man einfach nicht übersehen. Jetzt weiß ich’s…

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Arche Noah des Medienzeitalters?

Der Medientheoretiker Peter Weibel verglich Second Life im Spiegel (“Das neue Leben vor dem Tod”) mit der Arche Noah. Sie bot die Chance auf ein zweites Leben. Was Christen (da hat er nur bedingt Recht…) sich für das Jenseits erwarten, das leistet jetzt eine virtuelle Plattform:

Die Hoffnung auf ein zweites, neues Leben ist die wichtigste Heilserwartung der Christen. Sie wird nun, zugespitzt gesagt, technologisch eingelöst. Dass die Technologie immer auch solche religiösen Assoziationen zulässt, ist spannend. Im Gegenzug erinnern biblische Szenarien immer auch an technologische, überhaupt an wissenschaftliche Visionen: Da kann jemand übers Wasser gehen, auferstehen, in den Himmel fahren.

Oder müsste man sagen: Was die Moderne in ihrem Optimismus noch technologisch, aber innerweltlich realisieren wollte, findet nun in einer virtuellen, maskierten und anonymen Parallelwelt auf den Bildschirmen statt? Und noch anders gefragt: Was spricht dafür, dass dieses Unternehmen anders ausgeht als seine Vorgängerversion?

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Krippen-Streit

Selten war unser LebensArt Thema derart aktuell wie heute: Kindersegen. Als ich so überflog, was in den letzten Tagen dazu geschrieben wurde (wer kann das alles noch von vorn bis hinten lesen, und vieles ist ja nicht so originell), da fiel mir auf:

Jesus musste auch in eine Krippe. Ob ihm das geschadet hat?

😉


Flyer Maerz071 Kopie

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