Irrtumslosigkeit

Das spätmodern-rechtsevangelikale Dogma der “Irrtumslosigkeit der Bibel” hat mit knappem Vorsprung den Preis für die lausigste theologische Erfindung bei Faith & Theology abgeräumt. Ben Myers hat dazu einen kurzen Kommentar geschrieben, und Chris Tilling hatte sich schon vor längerer Zeit in einem vierteiligen Post damit aus einer evangelikalen Perspektive kritisch auseinander gesetzt.

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Neben allem, was andere schon gesagt haben, ist mir hier auch noch ein ganz praktischer Aspekt dieser Frage wichtig: Wenn wir (in verschärfter Fortschreibung der altprotestantisch-orthodoxen Lehre von der Verbalinspiration) die Bibel für irrtumslos und unfehlbar erklären, dann berauben wir uns selbst der Möglichkeit, die Bibel mit der Bibel zu kritisieren. Eine Talibanisierung der Christenheit könnte die Folge sein – geistige Isolation und wachsende Militanz in vielerlei Hinsicht.

Thomas Cahill (der, nur bevor jetzt manch einer gleich lospoltert, im Übrigen durchaus der Meinung ist, dass Gottes Geist hinter der Entstehung der Schrift steht und sie vorantreibt, nur eben nicht so) hat es gut auf den Punkt gebracht:

Doch selbst wenn wir keine neuzeitlichen wissenschaftlichen Methoden heranziehen und die palimpsestartige Inkonsistenz der hebräischen Bibel außer Acht lassen, müssen wir bestimmte Passagen der Bibel als unwürdig für einen Gott, an den wir glauben wollen, zurückweisen. Im Buch Josua etwa lesen wir, wie Gott den Israeliten befiehlt, alle Kanaaniter, selbst die Kinder, mit dem Schwert zu töten, und in den Psalmen finden sich wiederholt Gebete, in denen Gott aufgefordert wird, sämtliche Feinde des Dichters auf brutale Art und Weise umzubringen. (…) Selbst die glühendsten religiösen Eiferer müssen zugeben, dass diese Dinge das Werk von Menschen waren, die sich fälschlicherweise eingeredet haben, Gott stünde auf ihrer Seite. (Abrahams Welt. Wie das jüdische Volk die westliche Zivilisation erfand, S. 215f.)

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Theologisches Gruselkabinett

Ben Myers lässt über die dämlichste theologische Erfindung abstimmen. Die Auswahl unter all den Grausamkeiten fällt nicht ganz leicht, daher die Stichworte auf Deutsch, bevor ihr hier mit entscheiden – oder protestieren – könnt 🙂

  • Irrtumslosigkeit der Bibel
  • Doppelte Prädestination
  • Die “Entrückung”
  • Unfehlbarkeit des Papstes
  • Arianismus
  • Christentum als Imperium
  • die Lehre von gerechten Krieg

Ich werde für die Entrückung stimmen. Wer hat die nochmal erfunden?

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Brief aus Smyrna

Bei Floyd und Sally McClung kann man einen offenen Brief türkischer Christen zum Massaker in Malatya letzte Woche lesen.

Man braucht gute Nerven bei manchen Details, aber ich habe noch keine ausführlichere Beschreibung der Ereignisse und ihres Hintergrunds gefunden. Die nachdenklich machende Perspektive der Gemeinde sollte man wenigstens zur Kenntnis nehmen.

Nachtrag: Hier gibt es das Ganze auch auf Deutsch.

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Die sechste Sprache der Liebe

Die fünf Sprachen der Liebe sind ja hinlänglich bekannt – und haben sich fast schon zu einem kleinen Industriezweig entwickelt.

Martina und ich kamen letzte Woche drauf, dass es noch eine sechste gibt: Essen. An unseren Kindern können wir das gut verifizieren: Dieses Leuchten in den Augen, wenn etwas besonders Gutes auf den Tisch kommt…

Wie sagte Martina einmal in unwillkürlicher Abwandlung einer Redensart: Bei unseren Kindern geht Essen durch den Magen. Ich finde das übrigens durch und durch biblisch. Nicht nur bei Kindern…

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Frauen, Männer, Italiener :-)

Die FAZ berichtet von einer aktuellen Geschlechterstudie zum Thema Arbeit und Freizeit. Männer kommen dabei erstaunlich gut weg, zumindest in den entwickelten Ländern arbeiten sie ebenso viel wie ihre Frauen – bis auf die Italiener:

Neben der überraschenden Tatsache, dass Männer und Frauen praktisch gleich lange arbeiten, gibt es aber auch einen bedeutsamen Unterschied. Männer schlafen rund eine halbe Stunde weniger als Frauen. Ausnahme ist auch hier Italien, wo die Männer genauso viel Schlaf brauchen wie ihre Frauen. In Deutschland, den Niederlanden und in den Vereinigten Staaten verbringen die Männer die durch Schlafverzicht gewonnene Zeit überwiegend vor dem Fernsehgerät. Auch italienische Männer schauen länger Fernsehen, aber sie gewinnen die Zeit dafür durch die Verweigerung von Hausarbeit.

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Wann muss man streiten?

In the ooze wirft Christian Beyer Jim Wallis und Brian McLaren vor, die evangelikale Bewegung über der Klimafrage zu spalten, weil sie James Dobsons Forderung nach dem Rücktritt von Richard Cizik von der National Association of Evangelicals kritisiert haben. Cizik hatte sich mit konsequenten Forderungen zum Kampf gegen den Klimawandel bei den “Rechten” unbeliebt gemacht, wurde ziemlich übel beschossen. Der Kernpunkt von Beyers Argumentation ist nun:

But as of this time there is not enough good, sound, scientific evidence to support the idea that the activities of the human race are raising the temperature of the Earth. In fact, the more we observe over time, the more the evidence shows that mankind is having very little, if any, impact on the Earth’s temperature swings. This does not mean that we should abandon our efforts to improve our stewardship of the planet, but it does mean that we should hesitate jumping into socialistic programs that may very well spell disaster for much of the world’s economy.

Die Wahrnehmung, dass die wissenschaftliche Diskussion noch völlig offen sei, verwundert etwas. Sicher gibt es (wie immer) abweichende Einzelmeinungen. Aber Brian McLaren Arroganz vorzuwerfen, bloß weil er ohne jegliche Ironie darauf hinweist, dass die wissenschaftliche Diskussion global gesehen praktisch gelaufen ist und man nun zum Handeln kommen muss, ist wohl nur mit der provinziellen US-Binnenperspektive zu erklären. Schließlich schwingt er auch noch die gute Sozialismuskeule, die kennen wir ja noch vom Thema Gebärmaschinen. Staatliche Intervention zum Klimaschutz ist, so Beyer, schlimm, weil sie der Wirtschaft schadet. Der heimischen, wohlgemerkt, und auch das ist mittelfristig gedacht vermutlich eine Milchmädchenrechnung.

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Wüstengedanken

Ein spannendes und abwechslungsreiches Gemeindewochenende liegt hinter mir. Gestern mittag ließ die Anspannung nach und ich war nur noch müde – so viel Kaffee konnte ich gar nicht trinken, wie ich gebraucht hätte. Aber es war eine sehr gute Zeit. Eine Frage, die mich in den letzten Monaten umgetrieben hatte, war: wie veränderungsfähig sind wir nach all den Jahren eigentlich noch? Und ich bin positiv überrascht worden. Unter allem Spaß und in aller Bewegung war eine echte Tiefe in der Begegnung mit Gott und den Beziehungen unter einander zu spüren.

Wir werden immer kämpfen mit Veränderungen – selbst dann, wenn wir sie selbst initiiert haben. Aber der Gott Israels und der Gott Jesu ist ein nomadischer Gott, ein Wanderer, und ein Missionar. Bei ihm zu bleiben bedeutet, sich auf den Weg zu machen. Die Götter Ägyptens und Babylons dagegen reisen nicht – sie wohnen in wuchtigen Tempeln und garantieren die unveränderte Wiederkehr des ewig Gleichen.

Ich habe mich erinnert an ein Gespräch während der Zeit in Northumberland, als mich meine Begleiterin fragte, wie ich denn meine Berufung beschreiben würde. Ich drehte ein paar verbale Runden bis ich schließlich sagte: “Ich glaube Gott ist ”da draußen“ an vielen Stellen am Wirken. Ich möchte sie entdecken und mich ihm anschließen.”

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Was ist so neu an der Emerging Church?

Diese Frage haben mir in den letzten Monaten verschiedene Leute gestellt. Vielleicht ist das bloß ein Kommentar auf meine unbeholfenen Erklärungsversuche. Doch abgesehen davon, dass der Begriff “emerging church” natürlich recht schillernd ist und sich allzu engen Definitionen hartnäckig entzieht, ist das eine gute Frage.

Allerdings ist das oft auch ziemlich modern gedacht – wo man “neu” mit “besser” identifiziert hat. Vielleicht ist eben ein Aspekt, der tatsächlich (relativ gesehen) neu ist, genau der: Das man aufhört, in Kategorien von alt und neu zu denken. Dann wird – erst einmal postmodern-eklektisch und nach ästhetischen Gesichtspunkten, aber hoffentlich im Laufe der Zeit mit einem immer tieferen Verständnis für die Sache – manches in großer Freiheit wieder ausgemottet, was frühere Modernisierer weggepackt hatten: Geistliche Übungen, liturgische Formen, die Weisheit vorangegangener Generationen – was Jason Clark mit Andrew Walker etwa als “Deep Church” bezeichnet.

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Merton für Blogger

Wenn ein Tagebuch für die Veröffentlichung geschrieben wird, dann kann man Seiten herausreißen, verbessern, richtig stellen, kunstvoll schreiben. Wenn es eine persönliche Urkunde ist, türmt sich jede Veränderung zu einer Gewissenskrise und zu einem Geständnis, nicht zu einer künstlerischen Verbesserung. Wenn das Schreiben eine Angelegenheit des Gewissens und nicht der Kunst ist, ist das Ergebnis eine unverzeihliche Verwirrung.


“Thomas Merton, Der Mönch der sieben Stufen” (Thomas Merton, Patrick Hart, Jonathan Montaldo)

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Sprichwörtliches

Bei vielen Dingen, die man so liest und mitbekommt, entsteht der Eindruck, dass es ungewöhnlich sei, wenn es zwischen Ehepartnern auch nach vielen Jahren noch (!) so richtig knistert.

Dass das nicht so sein muss, hat sich bei uns heute sehr konkret bemerkbar gemacht: Ich kam gerade aus der Küche und mit meinem Zinken der hübschen Nasenspitze von Martina sehr nahe. So nah, dass es plötzlich es einen kleinen elektrischen Schlag gab. Autsch 🙂

Ich bin sicher, man könnte dafür nun wissenschaftliche Erklärungen finden. Wir haben lieber gelacht, uns die Nasen gerieben und fanden es cool, zusammen zu sein.

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Fetter Vorsprung

Jetzt ist es amtlich: Wir haben es geschafft, die dicksten Europäer zu werden. Wobei das Maskulinum hier richtig ist, denn drei Viertel (!) der Deutschen Männer sind übergewichtig, “nur” 59% der Frauen.

Deshalb können wir auch keine untermotorisierten Kleinwagen brauchen: Auch bei dicken Schlitten nähern wir uns den Amis an, mit denen wir nun auch gewichtsmäßig mithalten können. Irgendwelche Gemeinsamkeiten müssen die Deutsch-amerikanische Freundschaft ja stärken 🙂

Aber vielleicht können wir ja gar nichts dafür? Nachdem britische Forscher (die Engländer waren vor uns die Dicksten…) sagen, sie hätten das Übergewichts-Gen gefunden, kontert die SZ, das sei schon längst bekannt: “Es ist das Zum-Kühlschrank-Gen.”

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Zitat der Woche: Freiheit

Das Unbekannte ist der Bereich der Möglichkeit. In der bekannten Welt ist alles festgelegt und gewiss. Freiheit erfordert die Aussicht auf Neues; ohne das gibt es keine Freiheit. Bestimmt rührt es daher, dass wir uns der Vorstellung eines vorbestimmten Schicksals widersetzen. Wir wissen, dass es uns auf Anpassung begrenzt und die Tyrannei der festen Ordnung. Unsere Seele weiß, auch wenn wir es nicht wissen, dass wir Menschen für die Freiheit geboren sind. Nur in Freiheit werden wir, was wir sind. (S. 32)


“Sacred Journey: Spiritual Wisdom for Times of Transition” (Mike Riddell)

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Traurige Nachrichten

Die Türkei bleibt ein schwieriges Pflaster für Christen: Nach dem Mord an einem Priester als Reaktion auf den Karikaturenstreit und einem gescheiterten Bombenanschlag gegen den Kirchenratsvorsitzenden von Midyat im März sind nun drei Mitarbeiter eines Bibelverlags grausam ermordet und ein vierter schwer verletzt worden. Einer der Toten ist Deutscher. Und obendrein berichtete idea gestern von einem weiteren brutalen Mord an einem Christen in Kaschmir, der vermutlich auf das Konto von Islamisten geht.

Im aktuellen Fall gab es wohl Drohungen von Rechtsnationalisten, die Missionaren vorwerfen, die nationale Einheit der Türkei zu gefährden. Angesichts der geringen Zahl von Christen dort ein absurder Vorwurf, aber wie immer kann man Einheit auch dadurch beschwören, dass man gegen einen vermeintlichen Feind Front macht.

Was ist jetzt die angemessene Reaktion von Christen hier bei uns:

  • Beten für die Mitchristen in der Türkei? Bestimmt.
  • Proteste bei der Regierung in Ankara bzw. der Botschaft in Berlin? Man darf schon fragen, was trotz guter Stimmung beim Papstbesuch von offizieller Seite unternommen wurde, um Ressentiments gegen Christen abzubauen.
  • Neue Diskussionen über das (ambivalente?) Verhältnis des Islam zur Gewalt? Vielleicht, wenn wir Christen nicht geschichtsvergessen da hinein gehen. Zu oft gab es die unseligsten Legitimierungen von Repression oder gar “gerechtem” Krieg gegen Andersdenkende, als dass wir hier allzu oberlehrerhaft daher kommen könnten.

Aber nur verschämt (oder ängstlich? gleichgültig?) stillhalten, das kann es ja wohl nicht sein. Was fällt Euch ein?

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Symposium: Kirche in der Postmoderne

Das Institut zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung der Universität Greifswald bietet vom 18. bis 20. Oktober ein internationales Symposium zum Thema Kirche in der Postmoderne an. Dank der Förderung durch das Alfried Krupp Wissenschaftskolleg ist die Teilnahme kostenlos. Das Programm als PDF gibt es hier.

Umsonst wird es jedenfalls nicht sein, dort teilzunehmen, denn die Mischung der Referenten aus Zürich, Berlin, Princeton, Yale, Lancaster, natürlich Greifswald, und Bad Liebenzell 🙂 klingt viel versprechend. Die Themen reichen von “Kenotische Partizipation” über “From Christendom to Christianity” und “Kontextuelle Missionstheologie” zu “Geistlich leiten — kompetent managen – Prozesse ermöglichen”. Ich habe es mir schon einmal vorgemerkt – hat noch jemand Lust, dabei zu sein?

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Moment mal…?

Die Online-Ausgabe der Welt rechnet uns heute allen Ernstes vor:

Zwei von drei Deutschen wissen nicht, dass der SPD-Vorsitzende Kurt Beck heißt. Bei den Amerikanern sieht es nicht besser aus: Nur 69 Prozent kennen den eigenen Vizepräsidenten.

Wenn Kurt Beck besser rechnet als die Redaktion, dann wird diese Nachricht für ihn kaum ein Trost sein.

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