Flagge zeigen – aber wie?

Ein Verantwortlicher aus einer befreundeten Gemeinde berichtete jüngst, die dortige Jugendgruppe habe auf seine Anregung hin ihren “Lobpreis” am Freitagabend in die Innenstadt verlagert – und zwar auf offener Straße, neben einem Kino und einer stets überfüllten Szenekneipe. Eine Art Praise God it’s Friday also.

Gestern beim Abendessen bekam ich dann den authentischen Kommentar meiner Kinder dazu mit, der für dieses Blog etwas zu unverblümt ausfiel. Ihre Begeisterung hielt sich, vorsichtig gesagt, in Grenzen. Wir werden diese Aktion also wohl nicht nachmachen. Und zwar nicht nur wegen meiner Kinder.

Vielleicht liegt ja ein Teil des cringe factors darin, dass hier eine Sache in der Öffentlichkeit inszeniert wird, die in unserer Kultur als sehr privat gilt? Bleibt nur die Frage, ob wir den Raum der Öffentlichkeit mangels Mut, Kreativität und Engagement völlig brachliegen lassen oder eine Antwort finden, die besser zu uns und in die Landschaft hier passt. Die Homepage allein wird’s nicht richten…

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Krimi-Glaube

Conrad Gempf unterscheidet in Jesus asked zwei Arten von Geheimnissen, und die englische Sprache kommt ihm dabei zu Hilfe: Das eine, englisch “secret”, ist etwas, das mir verheimlicht wird und das ich nicht wissen kann (oder, als Eingeweihter verraten darf). Ich habe schlicht gar keinen Zugang zu diesem Wissen.

Das andere, englisch “mystery”, ist eine Sache, in der ich wie in einem Thriller oder Kriminalfall mitten drin stecke, ständig über Hinweise stolpere und es doch (noch) nicht kapiere. Es geht weniger um Wissen, mehr ums Verstehen. Die Geheimnisse des Glaubens sind von dieser zweiten Sorte: Seltsame Dinge direkt vor meiner Nase.

Leider will “Mysterium” im Deutschen irgendwie nicht so recht nach Krimi klingen. Der Gedanke aber bleibt wichtig: Selbst wenn wir es nicht richtig auf die Reihe bekommen – wir stoßen ständig auf Gottes Spuren – Indizien in einem mysteriösen “Fall”. Erst nach und nach ahnen wir, was sich da abspielt. Gott verheimlicht uns nichts, aber er lässt und an den Fragen knabbern.

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Wer will eigentlich in den Himmel?

Ein Freund erzählte heute beim Joggen von einem Gespräch, in dem jemand sagte, er fände die Vorstellung eines perfekten Himmels, in dem alles vollkommen und in Ordnung wäre, so beängstigend, dass er um Glaubensfragen einen Bogen mache. Ich kann das gut nachempfinden. Da will ich auch nicht hin, es erinnert zu sehr an die Langeweile des Münchners im Himmel. Vielleicht ist es auch eine Wohlstandskrankheit. Leute, die hungern oder unterdrückt und verfolgt werden, stellen sich den Himmel vermutlich anders vor. Attraktiver irgendwie, denn da hat man einfach genug zum Leben, nicht ständig Angst und kann sich entfalten.

Yosemite

Wenn im satten Germanien niemand in den Himmel will, lockt man mit Versprechungen des Himmels auch keinen hinter dem Ofen vor (und konsequenterweise auch nicht mit Höllenkram). Vor allem, wenn man den Himmel sich so denkt, wie ihn die anderen nicht wollen: Autoritär verordnetes Glück, statisch, ätherisch und irgendwie blutleer. So eine Vorstellung kommt dann zustande, wenn der Himmel alles das wird, was dieses Leben nicht ist, oder theologisch gesagt, wenn Schöpfung und Erlösung, Gott und Welt in den größtmöglichen Kontrasten gezeichnet werden.

Muss das sein?

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Kleine Fehler bestraft Google sofort…

Mit einem Schreibfehler ist mir gelungen, wovon so mancher träumt: Mein Blog hat es bei Google auf die Position Nr. 1 zum Thema “Präkariat” geschafft. Zwar hat ein anderer Blogger die falsche Schreibweise (klar – kommt von prekär) umgehend gerügt und ich brav den Fauxpas behoben, aber zu spät.

Seither erfreut sich ausgerechnet dieser Eintrag großer Popularität. Dabei habe ich viel bessere und originellere Gedanken an anderen Stellen…

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Beim nächsten Halloween…

… wäre ich für die Aktion “Gute Geister”. Ohne Gruseleffekte. Einfach im Rudel losziehen und irgendwelchen Leuten wahllos und ohne Hintergedanken etwas Gutes tun, um danach geisterhaft spurlos zu verschwinden.

Wer es noch eindeutiger haben möchte, kann sich ja kleine Flügelchen umhängen 🙂 Oder ein Kärtchen hinterlassen. Die domain www.gutegeister.org ist auch noch frei. Je länger ich drüber nachdenke, desto mehr gefällt mir die Idee. Habt Ihr Vorschläge, was Gute Geister an Halloween so alles anrichten könnten? Dann schreibt Eure Ideen unten für alle als Kommentar.

Mit etwas Vorlauf können wir nächstes Jahr vielleicht ein paar Leute mobilisieren für ein Stück echter Gegenkultur…

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Newbigin (19) Das Leitungsamt in einer missionarischen Gemeinde

Newbigin hatte bereits festgehalten, dass Gemeinden die Gesellschaft durch das aktive Leben der Christen im Alltag mit prägen. Das gelingt ihnen aber nur, wenn sie nicht vereinzelt, sondern Teil einer größeren Gemeinschaft sind. Um diese aufzubauen und zu erhalten, braucht es Struktur und Leitung. Leitung ermöglicht – richtig verstanden – erst die Partizipation und ist daher kein Gegensatz, wie antiklerikale Parolen suggerieren.

Bestandswahrung kann nicht das Ziel sein, wenn das Evangelium die gute Nachricht von Gottes Herrschaft in allen Bereichen des Lebens und der Gesellschaft ist. Doch diese Gesellschaft ist fragmentiert, sie zerfällt in viele verschiedene Beziehungsnetze. Wo der Bezug zum Ganzen verloren ist, da wächst auch die Versuchung, sich auf die eigene Gruppe zu beschränken. Daher klagen viele Gemeinden, ihre Pfarrer seien zu wenig für sie da, während die Pfarrer klagen, sie würden von den eigenen Leuten zu stark beansprucht. Es ist aber weder ihre Aufgabe, sich der geistlichen Nöte der Gemeindeglieder anzunehmen noch selbst Gottes Repräsentanten in der Gesellschaft zu sein, sondern die Gemeinde dahin zu führen, Gottes Botschaftspersonal für die ganze Gesellschaft zu sein.

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Versuch: das Evangelium auf einer Seite

Das Evangelium ist die Geschichte von der Rückkehr des Königs. Gott kommt zurück auf seine Erde, zu den Menschen, die er geschaffen hat, um in liebevoller Gemeinschaft mit ihm zu wachsen und seine Herrlichkeit immer völliger widerzuspiegeln.

Nachdem die Menschen nicht unter Gottes Anleitung und mit seiner Hilfe ihr Potenzial entfalten wollten, sondern sich von ihm abwandten und sich (auf Kosten anderer und zum Schaden der ganzen Schöpfung) ihre eigenen kleinen und großen Reiche schufen, gerieten viele an sich gute Dinge unserer Welt außer Kontrolle.

Gott sah nicht tatenlos zu.

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Richtig herum denken

Eigentlich war das Thema unseres Wochenendes ja “Gemeinde”. Ich hatte das mit unserem Gastreferenten auch so besprochen und war etwas erstaunt, als Jason die ganze Zeit über das Evangelium sprach und die Frage, wie wir es (einzeln und gemeinsam) in unserer Gesellschaft und – konkreter – den Beziehungen zu anderen Menschen leben und vermitteln. Mir liegt dieses Thema ja. Ich hatte nur ein bißchen die Sorge, es könnte als Etikettenschwindel (und zwar meinerseits…) verstanden werden, um Leute, die nie auf ein Wochenende über “Evangelisation” gehen würden, mit Dingen zu ködern, die sie interessieren.

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So wie es dann aber lief, war es sehr gut und konstruktiv. Vor allem wurde (wieder, aber für manche vielleicht auch erstmals) deutlich, dass es nur so herum geht: Wir müssen Gemeinde/Kirche vom Evangelium her denken und dabei dürfen wir uns es nicht zu leicht machen, indem wir einfach davon ausgehen, wir wüssten ganz selbstverständlich, was das Evangelium eigentlich ist. Wo wir es zu genau wissen, haben wir oft wichtige Dinge abgeblendet. Das liegt an unseren falschen Gewissheiten, unhinterfragten und oft auch gar nicht aus der Bibel hergeleiteten Denkvoraussetzungen. Etwa der, dass es im Evangelium primär (und in der Praxis dann so gut wie ausschließlich) um Gott und den einzelnen ginge; und was den einzelnen angeht, je nach geistlicher Prägung, um dessen individuelles Glück oder dessen ewigen Aufenthaltsort.

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Nützliche Melancholie

Melancholie hatte für mich schon immer eine große Anziehungskraft. Sie wird in der modernen Wohlstandsgesellschaft entweder unterschätzt oder missachtet. Wir sind heute doch alle nur noch auf Ziele und Ergebnisse fixiert. Wir wollen nie unseren Kurs verlassen, nie zugeben, dass wir im Unrecht sind. Melancholie aber entsteht immer dann, wenn man über sich und die Welt nachdenkt. Es ist ein nützliches Gefühl. Dowlands Musik [Stings neues Album mit Liedern aus dem 16. Jahrhundert] ist für mich daher eine wichtige Therapie. Ich glaube, dass auch andere Menschen heute diese Art nachdenklicher und spiritueller Musik brauchen.

Sting im Gespräch mit der Zeit

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Ungewissheit

Jason erzählte letztes Wochenende die Geschichte des Journalisten John Diamond, der über seine Krebserkrankung und den zu erwartenden Tod schrieb und daraufhin wohlmeinende, aber haarsträubende Zuschriften von Christen erhielt, die er enttäuscht, aber nicht verbittert, als Gewissheitskrämer bezeichnete. Später fügte er noch an: Gewissheit führt zu Überheblichkeit, Zweifel zum Glauben.

Ungewissheit als Sprungbrett zum Glauben ist eine Sache, die herausfordert. Ich werde nicht gern verunsichert. Trotzdem geschieht es immer wieder. In den letzten Monaten habe ich mich vielen Leuten darüber unterhalten, wie ihre und meine vermeintlichen Gewissheiten sich an manchen Punkten in Luft aufgelöst haben – Schicksalsschläge, Desillusionierung, Selbstzweifel, offene theologische Fragen.

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Fromme Brillen

Wir hatten gestern ein anregendes Gespräch über das Evangelium und dabei besonders die Frage, wie Erlösung zu verstehen ist. Das klassische Schema westlicher und besonders konservativ-evangelikaler Lesart ist, dass Christus durch seinen Tod am Kreuz den Preis für die schuldige Menschheit bezahlt und sie so mit dem gerechten Gott versöhnt hat. Wer sich auf dieses Angebot einlässt, empfängt Vergebung als eine Art Freispruch und “kommt in den Himmel”.

Im Hintergrund dieser Argumentationslinie erkennt man die Satisfaktionslehre von Anselm von Canterbury, die auf das römische Recht aufsetzt und das mittelalterliche Feudalwesen widerspiegelt: Die Sünde der Menschen ist ein Vergehen an der Ehre Gottes. Christus leistet mit seinem stellvertretenden Tod die nötige Genugtuung, der eigentlich Schuldige wird daher freigesprochen. Thomas von Aquin hat den Gedanken dann erweitert, die katholische Kirche hat ihn im Konzil von Trient dogmatisiert und auch im Protestantismus ist das stellvertretende Strafleiden zur alles bestimmenden Theorie geworden.

Die Problematik dieser Gedanken ist die,

  • dass Gott als Kläger und Richter in einem erscheint, wir als die Angeklagten
  • die Beziehung zwischen Mensch und Gott primär in den juristischen Kategorien von Schuld und Strafe beschrieben wird (statt in Beziehungskategorien wie Vertrauen und Misstrauen, Angst und Hoffnung, Liebe und Hass, …)
  • dass der Begriff von Gerechtigkeit griechisch bzw. lateinisch verstanden wird (jeder bekommt, was er verdient)
  • die eigentliche hebräische Bedeutung dahinter verloren geht (Gottes Bundestreue, mit der er zu seinen Zusagen steht)

Noch etwas weiter gedacht heißt das, dass in diesem einseitigen Verständnis des Evangeliums

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Fragen über Fragen

Das Wochenende mit Jason Clark liegt hinter uns, und vor uns die Suche nach unserer gemeinsamen Antwort auf eine ganze Reihe wichtiger Fragen. Jason hat sie in einer sehr guten, besonnenen, humorvollen und anregenden Art gestellt und dabei einiges angeschnitten, was unsere aktuelle Situation gut trifft und vielleicht auch erhellt.

Heute morgen (Jason war schon wieder daheim) haben wir die Sachen noch einmal zusammengetragen. Die keineswegs vollständige Liste umfasst Themen wie:

  • Wie können wir das Evangelium so erzählen, dass es nicht so verengt und einseitig unter den missverständlichen und für viele Menschen abstoßend wirkenden Vorzeichen von Schuld, Zorn und Strafe erscheint?
  • Wie leben wir eine überzeugenden Gegenentwurf zur materialistischen und hedonistischen Konsumkultur unserer Gesellschaft, die das eigene individuelle Glücksempfinden an die oberste Stelle setzt und eine immense Anspruchshaltung entwickelt?
  • Wie leben wir als Gemeinde Nachfolge Christi so, dass es nicht exklusiv ist und strikt trennt zwischen denen “drinnen” und denen “draußen”, sondern dass Menschen daran teilnehmen können, auch wenn sie noch auf dem Weg zu Glauben sind?
  • Wie helfen wir als gute und respektvolle Zuhörer Menschen, die dem Glauben oder dem organisierten Christentum distanziert gegenüberstehen, Gottes Spuren und das Wirken des Heiligen Geistes in ihrem Leben zu entdecken?
  • Wie können wir anderen Menschen gemeinsam dienen (und das weder als evangelistischen “Köder” verwenden noch dabei verschämt verschweigen, was uns eigentlich dazu bewegt und motiviert)?
  • Wie finden wir ein gesundes Gleichgewicht zwischen diesem Dienst nach außen und dem gemeinsamen Lernen und Wachsen in den Beziehungen zu einander?

Sieht so aus als liegen ereignisreiche Tage vor uns.

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Das “Prekariat”

Nein, das ist kein Vikariat für Prädikanten, wie der fachkundige Landeskirchler vielleicht vermuten könnte. Die FAZ schreibt heute mit einem dicken Schuss Sarkasmus über die neu entdeckte Unterschicht in Deutschland, die keiner will und alle irgendwie brauchen:

Undank ist der Welten Lohn: Keiner will sie haben. Dabei helfen sie der heimischen Plattenindustrie (Volksmusik, Schlager, Techno, Aggro Berlin, Nazi-Rock), kurbeln die Technikwelle an (DVD, Handy), erobern den Körper für die Kunst (Tätowierungen, Piercing, Gebißschmuck), fördern die Geselligkeit (Fußballclubs, Jugendbanden), die Debattenkultur (Talk-Shows am Nachmittag) und die Ehrlichkeit: Außer ihnen haben nur noch die großen Absahner der Spekulationswirtschaft verstanden, daß diese Gesellschaft einfach zu reich und ihre Wirtschaft einfach zu produktiv geworden sind, um länger ausschließlich von Lohnarbeit zusammengehalten zu werden.

Harald Schmidt gab der öffentlichen Diskussion über die Unterschicht in der Münchner Runde (kein Unterschichtenfernsehen…) noch bis zum Wochenende.

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Beschneidung

Wir haben zwei Apfelbäume. Im Winter hat Martina den einen sachte und den anderen ziemlich rabiat zurückgeschnitten. Der erste ist riesig uns sehr ansehnlich gewachsen, hat aber nur zwei Äpfel getragen. Der andere war ganz und gar voller Früchte. Es hat mich daran erinnert, dass ein Baum “denkt”, dass er angegriffen und existenziell bedroht wird und daher alle Kraft in die Frucht (d.h. einen neuen Baum!) steckt.

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Die letzten Monate habe ich mich manchmal wie der zweite Apfelbaum gefühlt (Ich bin gar nicht sicher, ob das überhaupt je völlig vorbei geht). Von manchen Dingen war ich wie abgeschnitten. Manchmal dachte ich, diesen schmerzlichen Verlust oder jene ernüchternde Einsicht über mich selber könnte ich nicht als glücklicher Mensch überleben, weil es scheinbar an die Substanz ging. Langsam fällt der Groschen im Herzen (es ist ja keine Frage der Theorie): Nämlich dass es nicht darum geht, selber groß und ansehnlich zu werden, sondern Früchte zu tragen, die mich vielleicht noch weit überdauern. Wie es aussieht, brauchen die noch eine Weile.

Liebe Freunde erzählen mir das immer wieder mal, wenn ich niedergeschlagen bin. Aber die beiden Bäume haben mir ein Bild dazu gegeben – und einen Geschmack, denn die Äpfel waren viel besser als alles, was der Supermarkt hergibt. Jetzt halte ich mir dieses Bild vor Augen. Nebenbei: Heute habe ich das Periodical des IGW zum Thema “Leiden” überflogen und viele gute Gedankenanstöße drin gefunden. Danke an Mike und die Autoren!

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