In letzter Zeit fällt mir immer mehr auf, wie sehr wir in Liedern, Gebeten und (ja, leider) auch Predigten wesentliche Glaubensinhalte in Chiffren und Kurzformeln darstellen. Paradebeispiel ist “das Kreuz”. Es gibt Gottesdienste oder Veranstaltungen, wo das Thema fortlaufend referenziert wird, aber eben immer irgendwie floskelhaft.
Es ist so lange völlig in Ordnung, solche Kurzformeln zu verwenden, wie alle Beteiligten genau wissen, worum es geht. Bei geflügelten Worten wie “die spinnen, die Römer” hört auch jeder (naja, fast jeder) die ganze Geschichte im Hintergrund. Nur ist meine Beobachtung aber die, dass zwar viele Christen auf Nachfrage die Kurzfassung sagen können, aber wesentlich weniger die Langfassung in eigenen, nicht vorgestanzten Worten (von Außenstehenden in unseren Gottesdiensten ganz zu schweigen).
Vielleicht können einige noch den äußeren Duktus der Passion beschreiben, aber beim warum und wofür wird es schon wieder dünn oder unverständlich. Dabei ist das neue Testament voll von Aussagen dazu.
Ohne einen echten Bezug zu der Frage, wie denn der Tod und die Auferstehung Jesu Christi die Welt verändert haben und was das für mein Leben jetzt (nicht etwa erst im Jenseits) bedeutet, wird auch das Ereignis selbst schneller irrelevant, als uns recht sein kann. Vielleicht wäre ein sinnvoller Schritt ja der, dieses auf knappe Formeln reduzierte Kernthema des Glaubens wieder zu “entpacken” und die einzelnen Aspekte wieder in Ruhe zu betrachten:
- Inwiefern offenbart sich Gott auf so eigenartige Weise?
- Was sagt das aus über uns und den Zustand der Welt?
- Was hat das mit dem zu tun, wie Jesus gelebt und was er gesagt hat?
- Welche Hoffnung begründet das konkret und
- welche anderen Problemlösungen schließt es aus?
Vielleicht sollten wir mehr “Sag’s in eigenen, aber bitte überlegten Worten”-Übungen in unseren Gottesdiensten machen. Warum verwenden sogar neue Lieder immer wieder abgegriffene Leer-/Lehrformeln? Wenn das Thema so wichtig ist, hätte es nicht mehr Hirnschmalz und kreativen Einsatz unsererseits verdient?