Sinnvolle Selbstgespräche

Zuerst fand ich das merkwürdig: In manchen Psalmen fordert der jeweilige Beter sich auf, bestimmte Haltungen einzunehmen: „Lobe den Herrn, meine Seele“ (Ps 103,1ff) oder „warum bist du betrübt, meine Seele?“. Diese Selbstgespräche sind interessant, weil dann immer auch Gründe angeführt werden, die eigene Situation anders – positiver – zu bewerten, als bisher. Leider geht das Dialogische in Übersetzungen wie der Guten Nachricht verloren, wenn da zu Ps 42,6 nur noch steht „Warum bin ich so mutlos?“.

Mit sich selber so zu „disputieren“ ist eine Möglichkeit, Pessimismus und Niedergeschlagenheit zu überwinden, sagt auch Martin Seligman: „Erlernter Optimismus erfordert Genauigkeit“. Im Unterschied zur leeren Selbstsuggestion besteht die Aufgabe darin, wirkliche Gründe zu finden, das negative Urteil über sich selbst und die eigene Situation zurückzunehmen. In den Psalmen hat viel mit Gottes Verheißungen und seinen bisherigen guten Taten zu tun, die es in den Mittelpunkt unserer Lebensperspektive zu stellen gilt.

Es geht also um Argumente, nicht um Beschwichtigungen. In manchen unangenehmen Situationen muss ich genauer hinsehen und schärfer denken, damit eine Kritik weniger verletzend, ein Verlust weniger tragisch, ein Rückschlag weniger entmutigend und ein Versagen weniger endgültig ausfällt. Die spontanen Gedanken, die sich in solchen Situationen einstellen, sind eben nicht immer angemessen (z.B. wenn die Fußballmannschaft einen Gegentreffer kassiert und man sich schon am Rande einer Niederlage sieht). Eine bessere Einschätzung versetzt uns in die Lage, Frust zu überwinden („wir haben noch Zeit, und bisher haben wir fast immer ein Tor geschossen“) und vorhandene Möglichkeiten zu nutzen (Taktik ändern, frische Spieler einwechseln, Tempo erhöhen).

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Eine Antwort auf „Sinnvolle Selbstgespräche“

  1. Selbstermutigungen sind sowas von sinnvoll und erfolgreich. Sie lassen nicht zu, dass ich mich bei mir selber oder anderswo ausweine. Der 103.Psalm müsste geradezu erfunden werden, wenn es ihn nicht längst gäbe. Er liefert die Gründe für Ermutigung gleich mit, einschließlich des Eingeständnisses der selbstgemachten Misere. Er entschuldigt diese nicht, aber er schickt sie auf die Müllhalde.
    Mein Adrenalinspiegel steigt jedesmal, wenn ich diesen Psalm rezitiere. Isso!

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