Die Vorstellung, Gott könne seine Offenbarung und damit den Weg zum Heil willkürlich einzelnen Menschen oder Gruppen anvertrauen ist einer der anstößigsten (und am häufigsten, von außen wie von “innen” missverstandenden) Aspekte des Juden- und Christentums. Das Ziel des modernen Rationalismus war ja, sich jeglicher Abhängigkeit von einer Tradition zu entledigen und alle Überlieferung der Kritik durch die (fälschlich für voraussetzungslos gehaltene, “reine”) Vernunft zu unterziehen, um dem autonomen Individuum unmittelbaren Zugang zur Wahrheit zu verschaffen.
Im Gegensatz dazu sieht die biblische Überlieferung den Menschen eingebunden in ein Netz von Beziehungen. Sie versucht erst gar nicht, abtrakte Wesensdefinitionen zu erstellen oder die Beziehung zu Gott (oder zur Wahrheit) “an sich” zu bestimmen. Gottes Offenbarung kommt nicht etwa senkrecht von oben (“durchs Dachfenster”), sondern:
Um Gottes rettende Offenbarung zu empfangen, müssen wir die Tür öffnen für den Nachbarn, den er als seinen beauftragten Boten schickt, und – mehr noch – diesen Boten nicht als einen zeitweiligen Lehrer oder Führer annehmen, dessen wir uns wieder entledigen können, wenn wir alles Nötige gelernt haben, sondern als jemanden, der unser Heim auf Dauer mit uns teilt.
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