Karikaturenstreit?

In der taz diskutieren zwei katholische Redakteure kontrovers über dieses Titelbild von titanic. Finde ich nett, vor allem deshalb, weil es bisher gar keine lauten Klagen gab. Das liegt sicher auch daran, dass die katholische Kirche, die in solchen Fällen eher reagiert, hier kaum in eigener Sache protestieren kann, ohne sich die nächste Runde bitterer Kritk einzufangen. Immerhin bleibt idea sich treu und meldet wachsenden Protest.

In Wahrheit ist das doch gar kein satirisches Bild. Wenn man die Identifikation Jesu mit „den geringsten meiner Brüder“ aus Matthäus 25 ernst nimmt, ist das einfach nur die drastisch ins Bild gesetzte Wahrheit. Und der Missbrauch war und ist die Blasphemie.

Was titanic angeht – heldenhaft mutig war das natürlich nicht und auch nicht schrecklich kreativ.

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14 Antworten auf „Karikaturenstreit?“

  1. Das tolle an diesem Bild ist, das es „Kopfkino“ aktiviert. Die „Sünde“ spielt sich im Kopf des Betrachters und innerhalb seiner Interpretation ab.
    Was sieht man denn genau? Einen Kleriker von hinten, der irgendetwas mit dem Kruzifix tut.

    „Wer unter euch ohne Sünde ist..“ würde vermuten:
    – er rückt es gerade
    – macht einen Holzspreißel ab
    – putzt es
    – füllt einen Nachfüllbehälter für den „spritzendes Blut“-Effekt (wie bei der „Weinenden Madonna“)
    etc, etc.

    Und was denkt ihr euch dabei? ;-))

    Gruss Frank

  2. So hat es zuerst ja auch der eine taz’ler gesehen. Aber der Gesichtsausdruck von Jesus liefert den entscheidenden Hinweis für die Interpretation – ganz offen gelassen hat der Zeichner das also nicht, zumal der aktuelle Kontext ja ein ganz bestimmter ist.

  3. Auch die Interpretation des Gesichtsausdrucks liegt in der individuellen Sicht. Mir persönlich ist zuerst die Assoziation „Alkoholikergesicht“ (rote Nase, viele feine Äderchen, leicht aufgeschwemmte Züge) in den Sinn gekommen und mir erschloss sich der Sinn nicht so ganz. Auf die sexuelle Variante kam ich erst nach und nach durch das Lesen der entrüsteten Kommentare.

    Gruss Frank

  4. Toll?
    Ja, das Kopfkino rattert und (re)produziert die Bilder, die zuvor durch die Schilderungen missbrauchter Opfer verbal (auf zum Teil sehr drastische Weise) „gezeichnet“ wurden.

    Haben wir uns wirklich schon so sehr an bildliche Perversionen gewöhnt, dass dieser Titel keine oder kaum noch Gefühle von Scham, Pein, Ekel und Abscheu auslöst?

    Die Darstellung ist doch bewusst so gewählt und nicht anders, dass sich DIE Assoziationen einstellen, die mit den Berichten über missbrauchte Jungen einhergehen, das Provozierende liegt doch genau in diesen gewollten Assoziationsketten des Kopfkinos – und gnadenlos waschen sich die „Macher“ die Hände in Unschuld und verhöhnen ihre Kritiker durch den Hinweis, dass sich die Provokation doch „nur“ in deren Köpfen abspiele und keinesfalls in der Darstellung selbst.
    Für mich ist die große Zustimmung mit „Titanic“ ein weiteres Indiz dafür, wie sehr sich unsere Gesellschaft von Gott abwendet, wie wenig sie mit Christus anfangen kann, wie „entchristlicht“ der öffentliche Raum inzwischen ist.
    Siehe dazu auch: http://www.welt.de/vermischtes/article7108740/Das-Titanic-Cover-und-der-missbrauchte-Jesus.html;jsessionid=547DF11DE5156AD9F127914E512A1D9B#vote_7109945

    Peter, können die Leute auf der Straße in der Karikatur wirklich den leidenden Christus erkennen, der sich nicht nur mit dem „geringsten Bruder“ identifiziert, sondern am Kreuz tatsächlich „ist“?
    Oder sehen sie nicht vielmehr wieder „nur“ die Perversion eines „christlichen Gottesmannes“, eines Dieners der Kirche und nehmen das zum Anlaß, Kirche Gott und Glaube einmal mehr „zur Hölle“ zu wünschen?

  5. @Rika

    genau das ist es. Dieses Bild ist ausserhalb des christlich-abendländischen Kontextes und der aktuellen Debatten völlig unverständlich (zumindest nicht blasphemisch konotiert)
    Ganz sicher hat der Zeichner es auch absichtlich so angelegt. ABER!:

    Es ist ein Bild, ein Idolum! Nun halte ich nicht sonderlich viel von Calvin oder Zwingli,
    aber diese brachen nach Luther auch mit dem Rest Idolatrie der Kirche. Schon nach Thomas Müntzer war die Bibel ist nur das verbum externum (äußerliches Wort), das das verbum internum (innerliches Wort) braucht, um im Menschen anzukommen. Das verbum internum bedarf jedoch nicht unbedingt des äußeren Wortes der Bibel, um Glauben zu erzeugen. Ebenso ist es mit Abbildern.

    Bilder kann man nicht beleidigen und ein Gott steht weit darüber hinaus. Eine andere Frage ist, ob diejenigen Leute, die davon verletzt werden in ihren religiösen Gefühlen, das hinnehmen müssen oder nicht.

    Wen ich das unwiedersprochene allösterliche Atheistenbashing von Meisner, Mixa, Zollitsch und co. in den Zeitungen lese, dann ist es auch mit meiner Toleranz gegenüber verletzten religiösen Gefühlen von Christen nicht mehr weit her.

    Gruss Frank

  6. @Rika
    P.S. ich habe mir mal kurz dein Blog angesehen, du wirst nicht vermuten, dass wir doch einen Großteil an Themen, Interessen und Einschätzungen auch teilen.
    Wenn du in Erlangen wohnen solltest, interessiert dich sicher, dass eine Bürgerinitiative
    zur Unterstützung der Aufnahme eines Freundschaftsvertrages mit einer israelischen Kommune im Entstehen ist. Mitunterstützer gesucht!

    Melde dich mal bei mir: ea3321@fen-net.de

    Gruss Frank

  7. Danke, der Gedanke „In Wahrheit ist das doch gar kein satirisches Bild. Wenn man die Identifikation Jesu mit “den geringsten meiner Brüder” aus Matthäus 25 ernst nimmt, ist das einfach nur die drastisch ins Bild gesetzte Wahrheit.“ ist augenöffnend!

  8. Ich stehe auf schwarzen Humor und ich habe m.E. eine große Toleranzweite (gibt es das Wort überhaupt?). Aber das Bild ist auch für mich eine Grenze. Satire hin oder her (denn das bezweckt das Magazin doch, oder?)- es ist schlichtweg unpassend für das Thema: ich bezweifle, dass die Missbruachsopfer Gefallen an solchen Bildern haben. Ich bezweifle, dass es Respekt gegenüber Jesus bringt. Die einzigen, die sich darüber „freuen“, dürften ein paar Intellektuelle sein, für die der ganze Wahnsinn noch abstrakt genug ist und die verantwortlichen Schöpfer des Bildes. Insoweit: kein hilfreicher Beitrag.

  9. Das Verrückte wäre ja, wenn Katholiken sich über so ein gemaltes Bild aufregen, aber nicht über den Missbrauch, der tatsächlich stattgefunden hat. Und da sind sicher ganz andere Dinge passiert, als die, die im „Kopfkino“ des Betrachters ablaufen. Und zwar an Kindern. (Ich weiß nicht, ob es solche Menschen gibt, aber schlimm wäre es).

    Noch schlimmer wäre es, wenn die Titanic angeklagt würde, aber die kriminell gewordenen Geistlichen straflos davon kämen.

  10. Hätte Titanic in gleicher Härte den Islam oder eine islamische Gemeinschaft attackiert, so wären die Reaktionen natürlich wesentlich heftiger geworden, wenn nicht gar blutig. Die Mohamed-Karikaturen waren da m. E. nach wesentlich harmloser, auch wenn diese m. E. nach überhaupt nicht Akt christlicher Nächstenliebe waren.

  11. @Henni
    Die Titanic hat auch schon sehr deutliche Mohammed-Karrikaturen gebracht, den Mohammed-Ähnlichkeitswettbewerb veranstaltet(wie blasphemisch das ist, wenn man weiss, dass die Darstellung des Propheten strengstens verboten ist) und einen „Schwanzlängenvergleich der Religionen“ gebracht. Ein gutes Interview dazu findest du hier: http://www.odenwald-geschichten.de/?p=855

    Und Bilder z.B. hier: http://subwave.blogsport.de/images/startcartoon.jpg

    und hier: http://www.titanic-magazin.de/heftarchiv00-06.html?&f=0306%2Fmaking1&cHash=92ec74ebd64b1938930ed1c6de446518

    Gruss Frank

  12. @Frank: Klar, die Titanic sorgt sich auch nicht so sehr um die religiösen Gefühl muslimischer Bürger (auch wenn den Titanic-Autoren sicherlich bewusst ist, dass eine zu heftige Provokation durchaus gefährlich für sie werden könnte). Der sog. Ähnlichkeitswettbewerb wurde aber m. E. nach aus Sicherheitsgründen abgesagt. Zumindest wurde der Titanic der zunächst dafür vorgesehene Raum gekündigt.
    Die von dir verlinkte Bilder sind natürlich für einen Moslem provokativ- doch sind diese bei weitem nicht so obszön wie das aktuelle Skandalbild, welches nun wirklich eine ziemlich eindeutig perverse sexuelle Anspielung enthält.

Kommentare sind geschlossen.