Zahlen für die Reichen?

Zwei Beiträge haben mich in der letzten Woche beunruhigt. Michael Hartmann schreibt in der Zeit, dass die Eliten sich radikalisieren. Die Klasse der „Leistungsträger“ setzt sich zunehmend vom Rest der Gesellschaft ab. Ihr Reichtum wächst weiter, während das der anderen bestenfalls stagniert. Die oberen 10 Prozent besitzen 61 Prozent des Vermögens.

Und sie werden dabei tatkräftig unterstützt: Auf Spiegel Online zeigt Ulrike Herrmann, dass die Mittelschicht gegen ihre eigenen Interessen stimmt und sich lieber nach unten als nach oben abgrenzt. Sie trägt die Kosten der Krise weitgehend und lässt sich dabei einreden, die Armen seien die Schmarotzer. Die Identifikation nach „oben“ ist psychologisch verständlich, im Ergebnis fatal. Wie reich die Reichen sind, das wird derweil systematisch verschleiert – Nettoverdienste über 18.000 Euro im Monat werden – das war mir auch neu – nämlich statistisch gar nicht erfasst.

Eine Solidarisierung mit den Armen wäre die bessere Lösung, so Herrmanns Fazit, denn:

Die Mittelschicht wird so lange für die Reichen zahlen, wie sie sich selbst zu den Reichen zählt.

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16 Antworten auf „Zahlen für die Reichen?“

  1. Gute Gedanken….psychologisch ist die Abgrenzung nach Unten nachvollziehbar: man will doch nicht zu „denen“ gehören – und baut sich lieber eine Fassade auf, so denken wohl viele.

  2. Wen soll man wählen in Deutschland? Politisch stehen die Konservativen Parteien + FDP für die Reichen. Aber die Linken will ich aufgrund bestimmter moralischer Vorstellungen, die meiner widersprechen, nicht wählen! (das ist jetzt sehr oberflächlich)!

    ?

  3. @Benny: „die Linken“ sind doch sehr unterschiedlich, was „Moral“ angeht, wie die Konservativen ja auch – aber wenn man Lukas 6,20ff liest, wird ganz gut deutlich, wo Jesus die härteren Grenzen zieht.

  4. Unzufriedenheit entsteht, wenn man sich mit anderen vergleicht. Solange die Mittelschicht also noch auf die „Armen“ herabsehen kann – und diese womöglich im Vergleich noch ärmer werden – ist doch alles in Butter. Schließlich vergleicht man sich ja nach Möglichkeit nicht mit den Bessergestellten, noch beißt man die Hand, die einen füttert.

  5. Als Angehöriger des öffentlichen Dienstes, wo ich arbeite, habe ich tagtäglich mit Hartz IV-Empfängern zu tun, die bei uns als 1-Euro-Jobber arbeiten. Die meisten sind durchaus motiviert, auch wenn es kaum eine Perspektive auf den ersten Arbeitsmarkt gibt. Dass es da auch Leute gibt, bei denen nachvollziehbar ist, warum sie in die Mühlen von Hatz IV geraten sind, steht außer Frage – weil sie eben in der heutigen Leistungsgesellschaft nicht mithalten können. Das ist allerdings nicht immer eine Frage der Leistungsbereitschaft, sondern viel mehr eine der sozialen Herkunft. Nicht selten wird Leistungsbereitschaft oder die Fähigkeit, sich in die Gesellschaft angemessen zu integrieren, vererbt. Wer arbeitslose oder schlecht verdienende Eltern hat, wird mit geringerer Wahrscheinlichkeit Akademiker werden als ein Akademikerkind. Ein Akademikerkind wiederum muss viel mehr im Leben falsch machen, um in eine soziale Abstiegsspirale zu geraten.

    Es ist ein großer Irrtum, zu glauben, in einer Marktwirtschaft wird nach Leitungs bezahlt. Es wird vielmehr danach bezahlt, wie gut sich ein Mitarbeiter verkaufen kann und ob er „verzichtbar“ / „ersetzbar“ ist oder nicht.

    Der europäische Profifußball ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie geschichtsvergessen eine Gesellschaft sein kann. Fußball war ursprünglich ein Arbeitersport. Begeisterte Zuschauer finanzierten mit ihren Eintrittsgeldern die Spielergehälter. Heute ist der Zuschauerzuspruch hingegen kein Kriterium mehr für den sportlichen Erfolg eines Vereins, sondern das Engagement der Sponsoren oder Investoren. Fußballspiele wiederum sind längst zum Treffpunkt der Eliten geworden, der es weniger auf das Spiel an sich ankommt als auf das Sehen und Gesehen werden – entscheidend ist also nicht, was auf den Stehplatzrängen passiert, sondern in den Vip-Logen. Und man vergisst allzu leicht, wer den Fußball dorthin gebracht hat, wo er jetzt ist.

    Dazu kommt: Die Menschheit hat sich schon immer an Stars und Leiterfiguren orientiert. Die Häuptlinge sind wichtig, die Indianer mehr oder weniger nebensächlich. Berthold Brecht (aber der war doch Kommunist, pfui !) fragte sich zu Recht, ob Caesar Gallien denn alleine erobert hat.

    In der Wirtschaft trifft man regelmäßig auf folgendes Phänomen: Erwirtschaftet ein Unternehmen Gewinn, wird der Manager belohnt (Privatisierung), fährt es Verlust ein, haften alle (Sozialisierung). Leider macht die Leiterorientierung auch vor der christlichen Gemeinde nicht halt. Auch wenn es hier weniger um Geld geht, sitzt diese Denkweise tief im Menschen drin. Komischerweise hat die Menschheit, vor diesem Hintergrund gesehen, den von Kant propagierten „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ nie dauerhaft geschafft.

    Wer die Bibel studiert hat, weiß, dass wir eine gerechte gesellschaft in dieser Welt nicht zu erwarten haben, eher dagegen eine Zunahme der wirtschaftlichen Ungerechtigkeit, wie es Jesus in seiner Endzeitrede vorhergesagt hat. Veränderung kann letztlich nur im Kleinen geschehen. Großangelegte Versuche, die Gesellschaft von unten her umzukrempeln haben nur zur Bildung neuer Eliten geführt – der real existierende Sozialismus ist hierfür das beste Beispiel. Aber schon die französische Revolution war in dieser Hinsicht lehrreich. Das einzig mir sinnvoll erscheinende Modell stammt übrigens von Gott selbst: Er hat für das Volk Israel alle 50 Jahre ein Erlassjahr angeordnet, um die Vererbung von Armut zu verhindern – leider hat man diese Anordnung wenig beherzigt.

  6. Und all das,geschieht mit Zustimmung der Politik. Mir wäre eine Monarchie,mit Jesus als König am liebsten.Aber darauf muss ich noch warten.

  7. @ swedeswerg: ja … naja … so lange das Warten auf die „Monarchie“ (das mag ja nur metaphorisch gemeint sein, irgendwie „mitregieren“ ist da ja auch im Blick) nicht dazu führt, dass Du Dich aus Deiner Mitverantwortung in der Demokratie verabschiedest, kann man drüber reden.

  8. @swedeswerg

    Na-ja. Das ist eine Frage der Christologie und der Konfession. Das Verständnis der Quaker vom Reich Gottes ist sehr Diesseitig: Über das Reich Gottes.
    Das ist auch der Grund warum es keine Pastoren im non-pastoral Quaker Meetings gibt. Die Gemeinde wird unmittelbar von Gott/Heiligen Geist/Christus geleitet. Aber natürlich klaffen zwischen Anspruch und Wirklichkeit zuweilen Welten…. Und natürlich liegt dem verlinktem Text von 1794 ein dualistisches Weltbild zu Grunde, das heute etwas antiquiert wirkt.

    Gruß

  9. @Peter @Olaf
    Ich habe schon begriffen,worum es geht.Der Wunsch nach dem Reich Gottes, und das impliziert doch einen alleinigen Herrscher,dürfte doch im Sinne eines jeden,lebendigen Christen sein.
    Natürlich sollen wir uns nicht die Decke über die Ohren ziehen und tatenlos zuschauen.
    Mir hilft hier sehr das Buch „Der wilde Messias“.
    Der wilde,ungezähmte,radikal barmherzige,immer überraschende Messias der Evangelien – nicht der harmlose Jesus der Kirchenfenster mit Heiligenschein und verklärtem Blick.
    Keiner von uns,wird über die politische Linie irgendwelche Veränderungen hervorrufen. Die Kaste der selbsternannten „Führer“ Deutschlands,ist demokratisch uneinnehmbar. Es erfolgt pro Wahlgang nur ein Austausch,austauschbarer Selbstbediener,die ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen wollen.
    Wenn wir aber die Jüngerschaft Jesu wirklich wollen und in unserem Umfeld ausleben,dann werden wir,auch im kleinsten,etwas bewirken können.
    Ich finde es unglaublich spannend und abenteuerreich,sich als Schüler Jesu Christi,auch gegen den Mainstream zu stellen.
    „Ich bin der Weg und die Wahrheit“. Vielleicht sollten wir öfter auf seinem Weg laufen und weniger über die Wahrheit sinnieren.
    Gruß an alle Geschwister
    Swedeswerg

  10. @swedeswerg: Ein sympathisches Bild, das Frost und Hirsch da zeichnen, aber vermutlich genauso kulturell konditioniert wie die Bilder, die sie kritisieren…

  11. Na, dass die beiden auch nicht anders können als alle (!) Generationen vor ihnen – Jesus durch die Brille ihrer Zeit und Kultur zu sehen, und dass ihr Jesusbild ihnen so ähnlich sieht wie das der anderen seinen Schöpfern. Sie zitieren zwar Jaroslav Pelikans „Jesus through the centuries“, aber diese Lektion habe sie nicht von ihm gelernt. Begriffe wie „wild“ und „ungezähmt“ fehlen im NT ja völlig, sie sind aber klassisches Repertoire romantischer Literatur. Die beiden sind Jesus-Romantiker. Sympathische Romantiker, keine Frage, aber eben Romantiker.

  12. Interessante Wendung (des Threads). Quaker werden ja auch oft als „Schwärmer“ abgetan, dann könnte das Buch was für mich sein. Jetzt bin ich beim Stöbern auf Amazon hin und her gerissen, welches Buch ich den nun lesen soll:

    A) „Würde Jesus bei IKEA einkaufen?“ (Tobias Faix)
    B) „Ich muss verrückt sein, so zu leben.“ (Shane Claiborne)
    C) „Der wilde Messias“ (Michael Frost und Alan Hirsch)

    Hat jemand eine Meinung dazu?

    Gruß

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