Heute schon reformiert?

Harald Freiberger schreibt in der SZ über den Unsinn vieler Reorganisationen am Beispiel eines Stammtischbruders. Der erduldete

… erst das Säulenmodell, dann die zweidimensionale Matrix, danach die dreidimensionale, eine verschlungene Doppelhelix. Die aber stellte sich als zu kompliziert heraus und war eine Woche später wieder abgeschafft. Man kam zurück auf das Säulenmodell, aber diesmal sollten die einzelnen Säulen durch Querstreben miteinander verzahnt werden. Es war eigentlich eine schöne Zeit. Leider bekam das Unternehmen irgendwann Probleme und musste viele Arbeitsplätze abbauen.

Vielleicht liegt es nur an der Literatur, die ich lese, aber zumindest auf dem Papier finde ich auch eine verwirrende Vielzahl von idealen, zumindest aber favorisierten Gemeindestrukturen, und mit der einen oder anderen Idee habe ich auch schon meine Erfahrungen gesammelt. Aber wie wirken solche Diskussionen auf jemand, der das täglich auf der Arbeit über sich ergehen lässt und sich nichts mehr wünscht, als dass seine Gemeinde eine stabile Oase im Treibsand des Lebens darstellt?

Natürlich lässt sich die Erwartung nicht ganz erfüllen. Viele katholische Gemeinden machen zum Beispiel derzeit schmerzhafte Umstrukturierungen durch, bedingt durch Geld- und Priestermangel. Trotzdem (oder deswegen!) sollten Veränderungsprozesse in Gemeinden anders laufen als Reorganisationen in einer Firma. Und man sollte nicht denselben Fehler machen, nämlich zu glauben, dass das Heil schlicht in der neuen Struktur liegt. Wenn sich die Kultur nicht auch verändert – besser noch: zuvor schon verändert hat – wird es schwierig.

Andererseits brauchen Gemeinden zwar keine Umstürze, vermutlich aber durchaus kontinuierliche Veränderung. Je länger alles am gewohnten Platz war, desto irritierter sind wir, wenn wir es dort nicht mehr finden. Je verknöcherter wir sind, desto leichter brechen wir uns etwas, wenn wir stolpern.

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Eine Antwort auf „Heute schon reformiert?“

  1. Danke für den Link zu diesem Artikel. Auf meiner Kirchenkreispfarrstelle und Suche nach einer Gemeindepfarrstelle erkenne ich so viel von dem wieder, was er beschreibt. Großartiger Text.

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