Wochenend-Links

Ein paar Artikel aus der zurückliegenden Woche fand ich lesens- und bedenkenswert. Da ist zum einen Kopflos Glücklich von Bernd Ulrich in der Zeit, der darüber nachdenkt, warum die für viele Beobachter unfähigste Regierung der letzten Jahrzehnte den Deutschen die gute Stimmung nicht verdirbt.

Zum anderen ein spannender Artikel in der taz, wo Peter Unfried sich Gedanken über Winfried Kretschmann und die Grünen als Regierungspartei macht, der die andere Seite ausleuchtet, und das (da wird mir vielleicht nicht jeder zustimmen) differenziert und hoffnungsvoll.

Drittens ein deprimierender Bericht aus Kenia über sexuellen Missbrauch, der sich trotz der Wendungen bei Kachelmann und aktuell Strauss-Kahn eher düster darstellt.

Auch nicht sehr ermutigend: Das Thema Klimaschutz, schreibt Fritz Vorholz in der Zeit kommt nicht voran. Erfolge in den reichen Ländern werden von den ärmeren Ländern zunichte gemacht, allerdings ist dann doch wieder unser Konsum daran schuld, dass dort mehr CO2 produziert wird.

Zum Schluss etwas Theologisches und zugleich auch erfreuliches: Der Ökumenische Rat der Kirchen, der Päpstliche Rat für interreligiösen Dialog und die Weltweite Evangelischen Allianz ein gemeinsames Dokument veröffentlicht, in dem man sich auf gemeinsame Werte und Prinzipien einigt und Empfehlungen für die Praxis des „christlichen Zeugnisses in einer multireligiösen Welt“ gibt. Das Dokument ist – bisher nur auf Englisch – hier einzusehen.

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(Schl)echtes Heldentum?

Tom Wright setzt sich in der Church Times mit der Tötung Osama bin Ladens durch die USA auseinander. Er kritisiert die Neigung der Amerikaner, das Recht in die eigene Hand (oder sollten wir sagen: Faust?) zu nehmen und beklagt, dass der Aufbau effektiver internationaler Rechtsstrukturen vor allem auch am Widerstand der USA bisher gescheitert ist.

Die Superhelden-Logik der westlichen Supermacht beschreibt er mit Robert Jewett so:

  • Die Macht von Gesetz und Ordnung ist zu gering
  • Die Bösen kommen mit ihren Machenschaften davon
  • Der Held übt ohne Deckung durch das Gesetz und verdeckt Gewalt, um die bedrohte Gemeinschaft zu retten

Diese Mythos erlösender Gewalt beeinflusst auch Obamas Strategie. Leider reproduziert er die Gewalt, die er zu bekämpfen sucht. Wrights Fazit: Wir im Westen haben noch gar nicht angefangen, die Implikationen des Evangeliums für die Konflikte unserer Zeit auszuloten.

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Weisheit der Woche: klare Worte

Eugene Peterson äußert sich in einem Interview zum Krach um Rob Bell und dessen neues Buch Love Wins. Er hatte das Buch empfohlen, also kann man davon ausgehen, dass er zu den wenigen gehört, die es vorab tatsächlich gelesen haben. An die Adresse der empörten Kritiker und ihrer Vor-Urteile gerichtet sagt er dann ein paar klare Worte:

Luther said that we should read the entire Bible in terms of what drives toward Christ. Everything has to be interpreted through Christ. Well, if you do that, you’re going to end up with this religion of grace and forgiveness. The only people Jesus threatens are the Pharisees. But everybody else gets pretty generous treatment. There’s very little Christ, very little Jesus, in these people who are fighting Rob Bell.

Bitter: Wenn manche Leute auch nur von ferne an ein Thema wie „Allversöhnung“ erinnert werden, dann setzt alles versöhnliche Denken bei ihnen offenbar schlagartig aus. Das klingt dann alles sehr ungnädig, so als müsse man einen allzu „netten“ Gott damit kompensieren.

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Was glauben Evangelikale wirklich?

Die evangelische Allianz in Großbritannien hat eine Umfrage unter über 17.000 ihr nahestehenden Christen auf Festivals und in 35 nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Gemeinden durchgeführt und die Ergebnisse nun veröffentlicht. Dort kann man nachlesen, was Evangelikale auf der Insel glauben, wie sie leben und worin sie sich auch nicht einig sind.

Die Übereinstimmungen, die sich dort zeigen, sind keine Überraschung: Sie betonen die Einzigartigkeit Jesu Christi (91%), engagieren sich in ihrer Gemeinde (96%), sind spendenfreudig (96%), möchten sich in den gesellschaftspolitischen Diskurs einschalten (93%), wünschen sich Einheit unter den Christen (94%) und – jetzt kommt doch noch eine Überraschung – finden Umweltschutz wichtig. 99% engagieren sich regelmäßig in einer gemeinnützigen Form, 85% geben an, dass ihre Gemeinde soziale Dienste leistet – also gar keine Inselmentalität pflegt.

Unterschiedlicher Meinung sind sie in der kategorischen Ablehnung jeder Form von Abtreibung: 28% stimmen da eher nicht uneingeschränkt zu, 17% sicher nicht uneingeschränkt, und wieder 18% haben keine klare Meinung. Nur 18% dagegen halten Glaube und Evolution für gänzlich unvereinbar, 8% sehen Schwierigkeiten, knapp 60% dagegen sehen das eher positiv oder ganz unproblematisch. Satte 51% sind fest davon überzeugt, dass Frauen in der Kirche alles tun dürfen, was Männer auch tun. Die größte Unsicherheit fand sich beim Thema „Hölle: 31% haben keinen Standpunkt, wenn es um die Frage geht, ob man sie als Ort ewiger, bewusster Qualen zu verstehen hat.

Je älter die Befragten waren, desto stärker war ihre Identifikation mit dem Etikett „evangelikal“, je jünger, desto schwächer. Parallel nehmen, je jünger die Befragten sind, Spendenbereitschaft und das Lesen in der Bibel ab. Immerhin sprechen aber viele der Jüngeren relativ häufig mit anderen Menschen über ihren Glauben.

Steve Clifford, Generaldirektor der eauk, möchte mit der Studie einen Gesprächsprozess anregen. So etwas wäre hier bei uns auch mal interessant, da gibt es bislang, so weit ich weiß, nur die dran-Studie 19plus.

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Die Angst vor dem fremden Glauben

Die Grenzen zwischen Islamkritik und Islamfeindlichkeit verlaufen fließend in unserer Gesellschaft. Auf der Suche nach hilfreichen geschichtlichen Parallelen, die etwas Orientierung vermitteln können, verwirft Hannes Stein in seinem lesenswerten Beitrag für die Welt den Vergleich mit dem Antisemitismus, der in vieler Hinsicht ein einzigartiges Phänomen darstellt (und den Ton so ziemlich jeder Debatte massiv verschärft), und verweist stattdessen auf antikatholische Ressentiments im 19. Jahrhundert unter Bismarck – den sogenannten Kulturkampf.

In den USA waren Sorgen über eine katholische Unterwanderung/Überfremdung vor dem 2. Weltkrieg und sogar noch bis zu Kennedys Amtsantritt massiv spürbar. Die puritanischen Siedler hatten den Hass auf alles Katholische aus ihrer britischen Heimat importiert, wo seit der Pulververschwörung römische Priester grausam gefoltert und hingerichtet wurden (und da, wo Katholiken die Mehrheit stellten, hatten Protestanten oft nichts zu lachen).

Dass uns das heute zum Glück alles sehr fremd geworden ist, sagt Stein, sollte uns Hoffnung geben. Es hat sich längst Vieles zu Guten verändert – auf beiden Seiten:

Niemand, der bei Trost ist, würde heute behaupten, Kroaten, Italiener oder Spanier seien in die liberale Moderne nicht integrierbar, weil sie regelmäßig katholischen Weihrauch einatmen. Auf der anderen Seite hat die Kirche ihre weltlichen Machtansprüche beinahe vollständig aufgegeben. Es gibt noch Diskussionen um Kruzifixe in bayerischen Klassenzimmern (nebbich!), aber kein Papst stellt mehr grundsätzlich die Trennung von Staat und Religion infrage.

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Moderne Mythen-Macher

Die Zeit befasst sich mit Steve Hawking und seinem Anspruch einer wissenschaftlichen Welterklärung aus der Gottesperspektive. Wohlgemerkt: Einer Perspektive, die behauptet, alles erklären zu können und Gott damit „überflüssig“ zu machen. Das ist, schreibt Eduard Kaeser, jedoch schädlich für die Wissenschaft, und er erklärt auch warum: Die Wissenschaft produziert ihren eigenen Mythos, ohne sich und anderen dies einzugestehen.

Kürzlich schrieb ein Kommentator hier, dass man die Welt „ohne Feen und Götter“ erklären wolle. Leider passiert es ausgerechnet dann nur allzu schnell, dass die ganze Natur personalisiert und mystifiziert wird, und schwupps ist eine Quasi-Gottheit draus geworden, die irgendwas so oder so „gewollt“ oder „eingerichtet“ hat. Mit welchen Recht belächelt man da primitive Kulturen, die hinter den Naturphänomenen, die sie unmittelbar betrafen (wie das Wetter und die Sterne) Geister und Götter vermuteten? Es hat sich nur die Projektionsfläche und das Vokabular geändert.

Eduard Kaeser bringt es schön auf den Punkt, wie das Verwechslungsspiel läuft:

Wenn die Entstehung des Universums ein physikalischer Vorgang ist, dann brauchen wir physikalische Gesetze. Das ist so weit einleuchtend. Aber ein physikalisches Gesetz beschreibt und erklärt nur ein Ereignis, es erzeugt es nicht, auch nicht in den ersten Millionstelsekunden der Welt. Selbst eine Theorie »von allem« erklärt vielleicht alles, aber sie erzeugt nichts. Betrachten wir eine Analogie aus dem Fußball. Wir können die Flugbahn des Balles bei einem Freistoß ziemlich gut beschreiben, indem wir sie aus den Gesetzen der Mechanik und den Anfangsbedingungen – Schusswinkel, Kraft des tretenden Beins und so weiter – berechnen. Aber selbstverständlich »erzeugen« nicht die Gesetze die Bewegung, sondern die Fußballspieler. Es wäre absurd, zu sagen: Da es Bewegungsgesetze gibt, benötigen wir nicht noch so etwas wie den Fußballspieler als Beweger.

Beim Universum ist das etwas anders: Es entsteht in einem physikalischen Prozess, aus einer »spontanen Fluktuation« des Urvakuums. Dazu ist kein Akteur nötig. In diesem Punkt hat Hawking sicher recht. Aber wenn er nun das Universum sich selbst »erzeugen« lässt, also der Gravitation gewissermaßen eine Schöpferrolle überträgt, personifiziert er insgeheim die Gesetze der Physik. Anders gesagt, er erzählt uns einen Mythos in der Sprache der Physik. Daran wäre an sich nichts auszusetzen, verbände Hawking damit nicht den Anspruch, die Wissenschaft habe die Mythologie überwunden.

Hawking (und andere Vertreter des Pop-Science) vermarkten ihre „Fundamentalismen“, wie Kaeser es nennt, geschickt. Dagegen plädieren etliche seiner Kollegen, darunter der Nobelpreisträger Robert Laughlin, dafür, die Suche nach der Weltformel einzustellen. Die Welt ist zu komplex. Emergente Phänomene lassen sich nicht berechnen oder vorhersagen. Unser Wissen stößt an Grenzen. Wir sind nicht Gott. An den kann man nun glauben oder nicht, aber man sollte sich nicht an seine Stelle setzen.

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Weisheit der Woche: Gedanken

Wenn ich mich damit beschäftigen würde, was Blöde denken, bliebe mir keine Zeit mehr für das, was intelligente Leute denken.

Eric-Emmanuel Schmitt, Oskar und die Dame in Rosa

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Weisheit der Woche: Alles simpel?

Ich habe mich immer gewundert, dass wir zwar von jedem Fernsehtechniker erwarten, auf der Höhe der Zeit zu handeln, dass aber ausgerechnet dort, wo es um die Fragen des Lebens und Sterbens geht, alles ganz einfach liegen soll. Ich habe deshalb meine Probleme mit Theologen, die alles simpel haben wollen – sich auch mit entsprechender Simplizität in die Diskussionen der Welt- und Wirtschaftskinder einschalten.

Robert Leicht in der Zeit

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Weisheit der Woche: Gedanken-Gänge

Wenn ganz Deutschland jeden Tag für eine Stunde nicht kommunizieren würde, dann hätten wir hier den größten Innovations- und Kreativitätsschub, den man sich vorstellen kann.

und:

Der Physiker Hermann von Helmholtz sagte einmal, er könne überhaupt nur im Gehen denken. Ich erlebe das ähnlich: Im Gehen kommen mir die besten Ideen.

Der Forscher Ernst Pöppel in einem lesenswerten Artikel auf Zeit online

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„Missionserfolge“

Ein Newsletter flattert in die Inbox und jemand berichtet von einem Afrika-Einsatz. Unter vielen anderen Erfolgsmeldungen lese ich dort:

Dieses junge Mädchen kam nach dem Morgenseminar nach vorne und bezeugte, dass Jesus während des Gottesdienstes zu ihr sprach, dass sie nicht mehr stehlen soll. „Ich war eine Diebin und war schon im Gefängnis dafür“, sagte sie. „Ich musste immer stehlen. Jetzt bin ich frei“.

Und denke mir: Wir alle wissen, wie leicht es ist, nach einer ergreifenden Predigt und in einer bewegten Veranstaltung sich zu guten Vorsätzen aufzuraffen. Manche davon sind tatsächlich von Dauer, aber längst nicht alle. Der Vorsatz allein ist noch kein Erfolg. Wenn das so wäre, sähe ganz Afrika anders aus. In Kapstadt hatte es jemand als „over-evangelized“ bezeichnet.

Ich wünsche der jungen Frau von Herzen, dass sie die Kraft hat und Unterstützer findet, das durchzuziehen. Wir können auch dankbar sein für den guten Vorsatz. „Jetzt bin ich frei“ scheint mir hier eher Ausdruck einer Hoffnung als Beschreibung eines Zustands zu sein. Man sollte ihn nicht im letzteren Sinn missverstehen.

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Hinter Feigenblättern

Ich bin auf ein Buch gestoßen, das mich sehr anrührt: Geduld mit Gott von Tomas Halik. Man darf sich von dem düsteren Cover aus dem HErder-Verlag nicht abschrecken lassen, der Inhalt ist, so weit ich es bisher gelesen habe, brilliant. Halik ist Professor in Prag und wurde zur Zeit des kommunistischen Regimes heimlich zum Priester geweiht. So ein Weg prägt einen Menschen. Schon im Vorwort schreibt er dazu:

Atheismus, religiöser Fundamentalismus und leichtgläubiger religiöser Enthusiasmus sind sich auffallend ähnlich in dem, wie schnell sie fertig sind mit dem Geheimnis, das wir Gott nennen – und eben deshalb sind alle diese drei Positionen für mich unannehmbar.

Und etwas später, im ersten Kapitel, heißt es dann zur Begegnung zwischen Jesus und Zachäus, der sich im Feigenbaum versteckt hat:

In meiner priesterlichen Seelsorgetätigkeit (…) stelle ich mir nicht zum Ziel, „Bekehrte zu bekehren“, für geregelt lebende Schafe der Herde zu sorgen und nicht enden wollende Polemiken und Streite mit Gegnern zu führen. Ich glaube nicht, dass meine Hauptaufgabe, die klassische „Mission“ sein soll, wenn damit jene Bemühung gemeint ist, möglichst viele Menschen in die eigene kirchliche oder politische Schar einzutreiben. Nach meinem Empfinden bin ich vor allem da, um verstehende Nähe jenen anzubieten, die unüberwindliche Hemmungen haben vor dem Anschluss an jubelnde Massen und vor gehissten Bannern jeglicher Couleur; jenen also, die Distanz bewahren.

… Jene Zachäische Distanz wird oft als Ausdruck einer Arroganz interpretiert, was wohl ein Irrtum ist – so einfach ist es nicht. Meine Erfahrung lehrt mich, dass es eher um eine Art Scheu geht. Bei einigen ergibt sich ihre Abneigung gegenüber den Massen und ihren Parolen und Bannern auch aus dem ahnenden Gefühl, die Wahrheit sei allzu zerbrechlich, um auf den Straßen skandiert werden zu dürfen.

Auf jeder Seite lauerte bisher ein anregender, neuer Gedanke. Und jetzt stürze ich mich voller Vorfreude in die Lektüre, die nur dadurch etwa gemindert wird, dass mir die englische Übersetzung gelungener scheint als die Deutsche. Aber man kann nicht alles haben…

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Geben: wenn der eine nicht kann und der andere nichts braucht

Der Bundespräsident hat sich zum 20. Jahrestag der Wiedervereinigung, über die bisher nur bei der CSU gemeckert wurde (idea erscheint erst morgen…), besorgt über den sozialen Zusammenhalt geäußert. Die wachsende Kluft zwischen Arm und reich ist dabei ein zentraler Faktor. Wie Recht er damit hat, zeigt auch diese Beobachtung von Stefan Klein, der in Der Sinn des Gebens sagt, es sei aus der Sicht der Verhaltensforschung riskant,

…wenn eine Gesellschaft den Abstand zwischen ihren ärmeren und reicheren Mitgliedern zu groß werden lässt. Selbst dann nämlich, wenn die ärmeren objektiv gesehen keine Not leiden, stellt ein zu großes Gefälle die Bereitschaft aller zum Miteinander, zur Großzügigkeit und zur Nachsicht auf eine harte Probe. Denn nach dem Prinzip des reziproken Altruismus sind Menschen umso eher bereit zu kooperieren, je mehr sie zu tauschen haben. Was aber sollen Menschen einander geben, wenn die einen nichts entbehren und die anderen sich ohnehin alles leisten können?

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Weisheit der Woche: Die Illusion der goldenen Mitte

Gestern abend kam in einer Gesprächsrunde die Frage nach der „goldenen Mitte“ auf. Natürlich will (und muss) man manche Extreme vermeiden, weil da zum Beispiel die Grenze zum Fanatismus überschritten wird. Aber die Mitte als Ideal taugt auch nicht, da waren wir uns einig.

Heute habe ich Martin Schleskes brandneues Buch Der Klang. Vom unerhörten Sinn des Lebens in die Hand genommen, mich an der anregenden, bildreichen Sprache gefreut und eine schöne Antwort auf die Frage von gestern gefunden:

Im Bild einer Landschaft gesprochen, geht es gerade nicht um die sprichwörtliche „Gratwanderung“ – jenen scharfen Höhenweg, wo zur Rechten und zur Linken je ein steiler Abgrund droht. Es ist vielmehr das Bild zweier Berggipfel – eben der harmonischen Gegensätze –, die zwischen sich einen weiten Raum aufspannen. Es ist der seelische Lebensraum, den ein Mensch einzunehmen fähig ist. Da ist kein scharfer Grat des Guten, sondern ein Raum der einander zugeordneten, entgegengesetzten, guten und segnenden Kräfte.

Er nennt dann Begriffspaare wie Leidenschaft und Gelassenheit, Treue und Freiheit, die immer beide zum menschlichen Seelenvermögen gehören. Da wo die Spannung verloren geht, schreibt Martin, lieben wir Gott nicht mit ganzer, sondern nur mit halber Seele.

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Gott lügt nicht. Oder…?

In dem großartigen Buch Texts Under Negotiation: Bible and Postmodern Imagination von Walter Brueggemann bin ich auf eine interessante Geschichte gestoßen: Gott schickt Samuel zu Isai, um einen seiner Söhne zum König zu salben (1. Samuel 16). Weil Samuel den Zorn des Noch-Königs Saul fürchtet, wenn die Sache auffliegt, bekommt er gesagt, dass er zur Tarnung so tun solle, als wolle er ein Opfer bringen.

Wir wissen, wie die Geschichte weitergeht. David wird gesalbt, aber das Opfer findet nicht statt. Samuel verlässt Bethlehem sofort und kehrt nach Rama zurück. Neben vielen anderen interessanten Aspekten, die er erläutert, schreibt Brueggeman: Unsere Überzeugung, dass Gott nie lügt, geht hier den Bach hinunter. Und er fügt verschmitzt hinzu: Gott lügt natürlich nicht immer, sondern nur, wenn es wirklich um etwas geht.

Die Bibel kann einen manchmal ganz schön durcheinander bringen.

(Bevor jetzt jemand Titus 1,2 zitiert und meint, die Sache sei damit erledigt: Bitte Joh 7,8ff lesen und nochmal nachdenken)

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